Xanten Totes Baby: Staatsanwalt fordert zehn Jahre Haft

Xanten · "Das passiert nicht aus Versehen: Das ist brutalste Gewalt gegen ein Kind." - Zehn Jahre Haft fordert der Vertreter der Anklage.

 Der 30-jährige Angeklagte soll sich bei der Vernehmung nicht mal nach seinem Sohn erkundigt haben, der mit dem Tod rang.

Der 30-jährige Angeklagte soll sich bei der Vernehmung nicht mal nach seinem Sohn erkundigt haben, der mit dem Tod rang.

Foto: Gottfried Evers

Er ließ am Mittwoch in seinem Plädoyer vor dem Schwurgericht keinen Zweifel daran, dass sich der 30-jährige Vater aus Xanten schuldig gemacht habe - am Tod seines kleinen Sohnes (drei Monate), an der schweren Misshandlung dessen Zwillingsbruders und der kleinen Schwester, der er - da war das Mädchen gerade vier Monate alt - beim Wickeln den Oberschenkel gebrochen hat. "Da fehlen mir die Worte: Da knackt ein Oberschenkel, und der Angeklagte kommt nicht einmal auf die Idee, zum Arzt zu gehen."

Und dann, so Staatsanwalt Müller, kommt der 11. Juli 2014. Der Angeklagte ist allein zu Hause, mit vier Kindern. Mit dem dreijährigen Sohn aus der ersten Ehe seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der gemeinsamen Tochter (14 Monate) - und den Zwillingen (Frühchen, gerade mal drei Monate alt). Beide, davon ist der Staatsanwalt überzeugt, habe der Angeklagte geschüttelt, "und das nicht unerheblich". Bei beiden habe er "den Tod billigend in Kauf genommen". Ein Zwilling überlebt, die Spätfolgen sind nicht absehbar.

Sein Brüderchen kämpft im Krankenhaus sechs Wochen lang mit dem Tod, dann stirbt er. Hätte er überlebt, wäre er sein Leben lang ein Pflegefall gewesen, das habe das medizinische Gutachten zweifelsfrei belegt. Nichts spreche für einen plötzlichen Kindstod. Der Säugling habe ein "irrsinniges Martyrium" erlitten. "In dieser Familie herrschte der blanke Terror, den die Kinder geduldig erleiden mussten." Müller spricht von "brutalster Gewalt, verharmlost auch durch Mitarbeiter des Jugendamtes, die von blauen Flecken reden, wo Hämatome zu sehen waren". Nur die Pflegemutter habe die Dramatik erkannt.

Auch Rechtsanwalt Weiland wollte gestern nichts beschönigen: Sein Mandant habe sich "ohne Zweifel in erheblichem Umfang strafbar gemacht". Allerdings meldete er leise Zweifel an, ob der kleine Junge nicht schon blau angelaufen gewesen sei und aufgehört habe zu atmen, bevor der Angeklagte ihn geschüttelt habe. "Beide Varianten sind möglich." Sein Mandant habe sicherlich grob fahrlässig gehandelt und den Tod des Jungen verursacht. Aber dass er vorsätzlich gehandelt haben soll, sei nicht zweifelsfrei erwiesen.

An der Schuldfähigkeit des Angeklagten hatte der Sachverständige Prof. Dr. Leygraf keinen Zweifel. Er attestierte ihm zwar Unreife, wenig Selbstbewusstsein, emotionale Defizite und "ein an Erfolgen recht armseliges Leben", konnte aber bei ihm keine klinisch relevante psychische Störung oder schwere seelische Abartigkeit feststellen. Auch für eine schizophrene Psychose gebe es keine Hinweise. Der Angeklagte hatte wiederholt behauptet, er sei besessen von einem Vampir, der in ihm wohne und zeitweise Macht über ihn gewinne.

Das letzte Wort hatte der Angeklagte: "Ich habe die Strafe verdient. Ich habe eingesehen, dass ich sehr viele Fehler gemacht habe. Die Kinder tun mir unendlich leid."

Heute wird Richter Ulrich Knickrehm das Urteil verkünden.

(RP)
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