Streitschlichter-Projekt an der Grundschule Sonsbeck Die Schulhof-Sheriffs machen sich bereit

Sonsbeck · Die Sonsbecker Grundschule startet ein Streitschlichter-Projekt, bei dem die Kinder selbst für ein friedliches Miteinander in den Pausen sorgen sollen. Wie das geht, vermittelt Sozialarbeiter David Vengels. Um Ostern beginnt der Außeneinsatz.

 Jonas liest interessiert in dem Buch „Konrad – der Konfliktlöser“, das den zehn Streitschlichtern als Inspiration dienen soll und Übungsaufgaben bereithält.   RP-Foto: Fischer

Jonas liest interessiert in dem Buch „Konrad – der Konfliktlöser“, das den zehn Streitschlichtern als Inspiration dienen soll und Übungsaufgaben bereithält. RP-Foto: Fischer

Foto: Armin Fischer (arfi)

Es herrscht Gedränge an der Schaukel, weil auch andere Kinder das ihrer Meinung nach viel zu lang besetzte Spielgerät nutzen wollen. Auf dem Bolzplatz wird es laut, weil die „Großen“ mal wieder den Ball nicht abspielen. Situationen wie diese kommen täglich auf den Pausenhöfen von Grundschulen vor. Die Johann-Hinrich-Wichern-Schule in Sonsbeck geht nun einen neuen Weg, diese Konflikte zu lösen. Sie hat ein Streitschlichter-Projekt ins Leben gerufen, bei dem die Kinder selbst als „Sheriffs“ auftreten. Nicht, um zu urteilen oder zu strafen, sondern um als neutrale Dritte Hilfe bei der Lösung von Streitigkeiten anzubieten.

„Die Kinder haben einen anderen Zugang zu ihren gleichaltrigen Mitschülern und können sich in die Situation oft besser hineinversetzen, weil sie womöglich ähnliches selbst erst vor kurzem erlebt haben“, erklärt David Vengels. Er ist Schulsozialarbeiter und bereitet die Streitschlichter in spe in einer wöchentlichen Unterrichtsstunde auf ihre Aufgaben vor. Zehn Kinder sind aus einer Freiwilligengruppe der beiden dritten Klassen ausgewählt worden. Dazu gehört auch der neunjährige Lars. „Ich will anderen helfen, damit sie sich wieder vertragen“, sagt der Junge. Efrata hat selbst schon erlebt, wie schlecht man sich nach einem Streit mit der Freundin fühlt. „Ich weiß gar nicht mehr, warum wir uns gestritten haben, aber ich weiß, dass ich danach ganz traurig war“, erzählt die Neunjährige. Schnell haben sich die Freundinnen wieder versöhnt. Und nun will Efrata anderen dabei helfen, ihren Konflikt beizulegen. „Damit es an unserer Schule friedlich ist“, betont das Mädchen.

Das nötige Know-how vermittelt Schulsozialarbeiter Vengels. Sein Unterricht teilt sich in sechs Schwerpunkte auf. Gleich zu Beginn haben die Kinder die Verhaltensregeln der Streitschlichter gelernt, was sie dürfen und was nicht. „Allen ist bewusst, dass dies eine verantwortungsvolle Position ist“, betont Vengels. Soll heißen: Die Kinder übernehmen eine Vorbildrolle. Provozieren ist tabu, ebenso, seine „Macht“ zu missbrauchen oder über die Konflikte der Mitschüler zu tratschen. Stattdessen sollen die Streitschlichter Ansprechpartner, Vertrauenspersonen werden. Der Vorteil, einen Konflikt mit Gleichaltrigen zu besprechen, liege ja darin, dass sich niemand in irgendeiner Position unterlegen fühlen müsse, erklärt Schulleiter Martin Nenno. „Die Streitenden fühlen sich ernst genommen und beteiligen sich dann auch aktiv an der Lösungsfindung für ihre Probleme, bei der es weder Sieger noch Verlierer gibt.“ Die Gespräche können im geschützten Raum im Forum geführt werden.

Bei der gemeinsamen Lösungssuche sollen die Schüler auch lernen, Gefühle zu benennen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. „Wir merken, dass die Kinder heute vieles in sich hineinfressen, anstatt über ihre Gefühle zu sprechen“, sagt Vengels. „Das birgt viel Konfliktpotenzial“, ergänzt der Schulsozialarbeiter, der hofft, dass sich die Kinder gegenüber Gleichaltrigen besser öffnen können, weil sie sich eher verstanden fühlen. Gefühle zu deuten, zu erfragen, zu benennen und vor allem zu achten, ist daher ein zweiter Schwerpunkt des Unterrichts der angehenden Streitschlichter.

Beiden Parteien entsprechend aufmerksam zuzuhören, ist der dritte Bestandteil der Vorbereitung. Vengels trainiert das mit den Kindern ganz spielerisch, etwa mit Konzentrationsspielen wie „Stille Post“ oder „Ich packe meinen Koffer“.

In den kommenden Wochen sollen die Kinder noch lernen, wie sie den Ursachen eines Streits auf die Spur kommen können, wie Vengels erklärt: „Manchmal ist der Auslöser ja nur ein Missverständnis oder es gab schon vorher ein Problem“. Frühere Hänseleien etwa oder ein Kind ist wegen einer ganz anderen Sache frustriert. „Es geht also darum, was vor dem Streit passiert ist.“ Letztlich werden die Drittklässler noch darin geschult, wie Lösungsvorschläge erarbeitet und Kompromisse geschlossen werden, ehe es in den Außeneinsatz geht. „Das Projekt fördert nicht nur die sozialen Kompetenzen, wie Achtung vor sich selbst und anderen Personen, Bereitschaft zum aktiven Zuhören, Verantwortungsbewusstsein, Teamarbeit und Einfühlungsvermögen“, sagt Nenno. „Die Kinder erhalten auch den Freiraum, selbstbestimmt zu handeln und das Schulleben selbst positiv zu verändern.“

(beaw)
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