Chefin der Stadtbücherei Die Hüterin der 22.000 Bücher

Xanten · Nach fast 40 Jahren in der Stadtbücherei Xanten geht Anita Rosenberg in den Ruhestand. „Ich freue mich darauf“, sagt sie.

 Anita Rosenberg an ihrem geliebten Sekretär: Er bleibt in der Stadtbücherei, wenn sie in den Ruhesdtand geht.

Anita Rosenberg an ihrem geliebten Sekretär: Er bleibt in der Stadtbücherei, wenn sie in den Ruhesdtand geht.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Ein halbes Jahr in ihrem Ferienhaus in einem Fischerdorf in Zeeland verbringen, viel Rad fahren, Spaziergänge an der Nordsee machen, kochen, frischen Fisch im Hafen kaufen, die Theodor-Fontane-Biografie und vielleicht auch zum 33. Mal dessen Effi Briest lesen: Das ist es, was Anita Rosenberg machen möchte, wenn sie am Freitag zum letzten Mal die Tür zur Stadtbücherei abschließt.

Sie hat das Alter erreicht, in dem Arbeitnehmer gemeinhin in den Ruhestand gehen und das Berufsleben gegen einen neuen Abschnitt tauschen. „Ich freue mich darauf“ sagt die Frau, die gerne Bilderbücher und Romane mit gesellschaftlichem Hintergrund liest und deren Name automatisch fällt, wenn von der Stadtbücherei die Rede ist.

Rosenberg ist in Wernigerode im Harz geboren und aufgewachsen. In Leipzig studierte sie Bibliothekswesen. 1981 übernahm die Diplom-Bibliothekarin die Leitung der Kinder- und Jugendbuchabteilung in der Xantener Bücherei, die damals noch an der Karthaus ihr Domizil hatte. Fünf Jahre später wurde sie Leiterin der gesamten Einrichtung und damit Chefin von acht Mitarbeiterinnen. Heute gibt es gerade einmal noch drei halbe Stellen in der Bücherei, die 2010 ins Erdgeschoss des DreiGiebelHauses umgezogen ist.

„Als ich anfing, war noch genug Geld im Stadtsäckel,“ sagt die Mutter dreier Kinder, die immer wieder um den Erhalt der Bücherei kämpfen und auch bangen musste. Sie liebt ihren Beruf, findet es traurig, dass es „immer noch kein Gesetz gibt, das Bibliotheken in Städten vorschreibt“. Als sie sich auf die Stelle in Xanten bewarb, war sie gerade aus Nigeria zurückgekommen, wo sie drei Jahre gelebt und gearbeitet hatte. Die Fröhlichkeit, der Optimismus der Menschen in dem südafrikanischen Land habe sie geprägt. Nach Nigeria, da möchte sie auf jeden Fall noch einmal hin. Ansonsten zieht es sie außer nach Holland nirgendwohin. „Ich war mit Pippi Langstrumpf in Taka Tuka Land, mit Donna Leon in Venedig, mit Cloe Mehdi in Frankreich“, sagt sie und lacht.

22.000 Bücher stehen in der Stadtbücherei; wie viele sie davon gelesen hat, weiß sie nicht. Wohl aber, dass ein Buch sie packen muss. „Wenn ich nach den ersten 70 Seiten nicht drin bin, höre ich auf, dann kommt das Buch weg.“ Und wenn sie ein Buch besonders fasziniert, dann dosiert sie und legt es nach zehn Seiten zur Seite, um es an den nächsten Tagen weiter lesen zu können. Zuhause hat sie alle Romane verschenkt, nur die Kinderbücher behalten. „Gerade heute habe ich mir wieder ein Bilderbuch von Helen Docherty gekauft: ‚Der Ritter, der nicht kämpfen wollte’.“ Das Buch gehört eigentlich in jede Schultüte, findet Anita Rosenberg, die in der Stadtbücherei vieles bewegt und installiert hat. Beispielsweise die Sache mit den ehrenamtlichen Vorlesepaten, die seit 2003 jeden Samstagvormittag Kindern im Grundschulalter Bücher vorlesen. Oder die Büchergespräche, die sie seit 2011 gemeinsam und im Wechsel mit der Buchhandlung Librarium anbietet. Und nicht zuletzt das Bilderbuchkino. „Mit diesem Buch krieg‘ ich sie alle“, sagt sie und zieht „Ein Buch für Bruno“ von Nikolaus Heidelbach aus dem Regal. „Damit fange ich immer an, wenn die Kinder kommen.“

Bei ihrer Nachfolgerin Nicole Peters sieht sie die Stadtbücherei in guten Händen. „Es ist wichtig, dass jetzt hier auch neue Ideen hineinkommen.“ Peters kommt aus Süddeutschland, die Liebe hat sie an den Niederrhein verschlagen: ihr Mann ist Alpener. Sie teilt sich die Leitungsstelle mit Susanne Kappel, dritte Halbtagskraft ist Christine Verfürth.

Ihr Büro hat Anita Rosenberg schon leer geräumt. Wenn sie jetzt noch etwas zu schreiben hat, setzt sie sich an den alten Sekretär, den sie bei einem Antiquar gekauft hat, als die Bücherei an den Dom zog. Was sie sich für die Zukunft wünscht? Gesundheit natürlich. Und „dass die Welt ein bisschen friedlicher wird“.

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