Fußball Wie ein Ball das Leben verändern kann

Sonsbeck/Hamburg · Frederik Bükers ist in Sonsbeck aufgewachsen. Im Rahmen seines Studiums in Hamburg kam der 23-Jährige in Kontakt mit der Straßenfußball-Liga für Wohnungslose. Er begleitete die deutsche Auswahl zur "Homeless-WM" nach Chile.

 Frederik Bükers engagiert sich bei "Anstoß!". Dies ist ein bundesweites Projekt, das soziale Integration durch Sport verwirklicht.

Frederik Bükers engagiert sich bei "Anstoß!". Dies ist ein bundesweites Projekt, das soziale Integration durch Sport verwirklicht.

Foto: Olaf Ostermann

"A ball can change the world" (ein Ball kann die Welt verändern) lautet das Motto des "Homeless World Cup". Noch treffender wäre: Ein Ball kann Leben ändern.

Davon, dass das nicht nur leere Worte sind, konnte sich Frederik Bükers in den letzten beiden Jahren überzeugen. Seit 2011 studiert der gebürtige Niederrheiner in Hamburg Sonderschullehramt. Sport ist eines seiner Fächer. Als der Student 2013 auf der Suche nach einem Job war, brachte ihn sein Professor als koordinierenden Mitarbeiter zur "Liga Sporziale".

Diese Hamburger Straßenfußball-Liga richtet sich vorrangig an Wohnungslose, die ihren ersten Wohnsitz bei einem sozialen/caritativen Träger haben, weil sie aufgrund von ungeklärtem Aufenthaltsstatus wie bei Flüchtlingen, Drogensucht, Gefängnis oder Armut durchs gesellschaftliche Raster gefallen sind. Bei "Anstoß!", der Bundesvereinigung für soziale Integration durch Sport, erhalten die "Homeless people" (wohnungslos, aber nicht auf der Straße lebend) die Möglichkeit, sich durch Sport leichter wieder einzugliedern.

Alljährlich werden von "Anstoß!" deutsche Streetsoccer-Meisterschaften organisiert. Dabei wird aber nicht nur der deutsche Meister ermittelt, der Bundestrainer sucht zusammen mit zwei weiteren Scouts auch die Nationalspieler für den ebenfalls jährlich stattfindenden "Homeless World Cup" aus. Dabei steht nicht zwangsläufig das fußballerische Können im Vordergrund, sondern der Verlauf des positiven Sozialverhaltens. In diesem Jahr waren die "Jungs", wie Frederik Bükers die durchschnittlich 26-jährigen Spieler nennt, nicht nur auf einem guten Weg zurück in die Gesellschaft, sie waren auch fit - und damit die Ambitionen für die Weltmeisterschaft in Chile hoch.

10 000 Euro mussten aufgebracht werden, um das deutsche Homeless-Nationalteam zur Weltmeisterschaft nach Santiago de Chile zu bringen. Eine große Zahl von Sponsoren mussten dafür gefunden und überzeugt werden, damit die sieben Spieler aus Deutschland nach einer Woche Trainingslager in das große Abenteuer starten konnten.

Immer mit dabei: Frederik Bükers. Er organisierte, coachte und kümmerte sich, gemeinsam mit dem Trainer, um das Team. Der 23-Jährige betrachtet es als "großes Geschenk, dabei gewesen zu sein. Es war ein unfassbares Abenteuer." Nach den Strapazen des 18-stündigen Fluges, für fünf der sieben Spieler der erste Flug überhaupt, wurden sie mit der Eröffnungsparade für alle Mühen belohnt. "Man dachte im Vorfeld, wie groß soll das schon sein. Und dann waren wir mit 42 Nationen und 54 Mannschaften da", erzählt der in Sonsbeck aufgewachsene Bükers. "Hör' mal, das ist ja um einiges besser als Karneval in Rio", zeigte sich einer der Spieler, ein Düsseldorfer, schwer beeindruckt. Mit dem gesponserten Trikotsatz der Nationalelf fühlten sich die deutschen Homeless-Kicker selber schon fast wie die Fifa-Weltmeister.

Sportlich lief es für die deutsche Auswahl gut. Die ersten acht Plätze um den eigentlichen "Homeless World Cup" werden seit mehreren Jahren meist unter den südamerikanischen Teams entschieden. In diesem Jahr qualifizierte sich überraschend auch Bosnien-Herzegowina. Nach zwei Qualifikationsphasen war klar, dass die Deutschen um den "Copa de Santiago", also die Plätze 17 bis 24, spielen würden. Schlussendlich mussten sie sich im Finale gegen Rumänien geschlagen geben. Dafür wurden "unsere Spieler aber für die hervorragende Umsetzung des Fairplay-Gedankens ausgezeichnet", berichtet Bükers. Darauf sei man in Anbetracht der Vorgeschichten der Spieler "super stolz".

Überwältigt waren auch die Spieler. Und das nicht nur von den Eindrücken in Chile. "Überlegt mal, was wir für eine Vergangenheit haben. Und trotzdem glaubt da jemand an uns", hätten sie im Rahmen der Vorbereitungen gesagt, berichtet Bükers. Der Rückenwind, den das für die Resozialisierung gebe, sei förmlich spürbar.

(rih)
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