Integration mit Volleyball Der Libero aus Afghanistan

Budberg · Bei den Landesliga-Volleyballern des SV Budberg spielt auch Qurban Ali Bahadari. Vor drei Jahren kam er mit seinem Onkel als Flüchtling nach Deutschland. Beim Training werden auch Vokabeln gepaukt.

 Qurban Ali Bahadari, Flüchtling aus Afghanistan, ist voll in die Volleyball-Mannschaft des Landesliga-Aufsteigers SV Budberg integriert.

Qurban Ali Bahadari, Flüchtling aus Afghanistan, ist voll in die Volleyball-Mannschaft des Landesliga-Aufsteigers SV Budberg integriert.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Seit dieser Saison stellt die Volleyball-Abteilung des SV Budberg eine Mannschaft in der Landesliga. Nachdem es in den ersten Spielen zum Teil bittere Niederlagen gab, kommt der Aufsteiger langsam in der höheren Spielklasse an. Einen Anteil daran hat auch Qurban Ali Bahadari, der vor drei Jahren mit seinem Onkel aus Afghanistan nach Deutschland kam.

Ali, wie ihn seine Mitspieler nennen, bekleidet eine eminent wichtige Position im Team. Als Libero ist er Organisator der Annahme und Feldabwehr, muss Strategien koordinieren und umsetzen, dazu Aufmerksamkeit und Konzentration konstant auf einem hohen Level halten, um im Spielfluss zu bleiben. Das Wichtigste dabei: Der Libero muss gut mit seinen Mitspielern kommunizieren können.

Deshalb steht bei den Budbergern seit dieser Saison auch Vokabeln pauken auf dem Trainigssplan. „Bevor wir beginnen, bringt Ali uns ein Wort auf Afghanisch bei und wir ihm anschließend eins auf Deutsch. Das macht der Mannschaft sehr viel Spaß, auch wenn die Kommandos im Spiel dann auf Deutsch erfolgen“, erklärt Daniel Stuers.

Der Mannschaftskapitän schätzt vor allem die Ruhe und Übersicht seines Liberos: „Ali hat immer einen Blick dafür, wo er stehen muss. Er liest die Körperbewegungen der Gegenspieler, weiß genau, wo der Ball hinkommt und stellt uns darauf ein.“ Kein Wunder, denn in Afghanistan, einem Land, in dem Volleyball Volkssport ist, hat Ali Bahadari in der 1. Liga gespielt. Dennoch musste er sich umstellen.

„In meiner Heimat gibt es keine Wechselpositionen. Hier wird während eines Spiels sehr viel verschoben. Das war für mich erstmal schwierig, bis ich es verstanden habe“, erklärt der 24-jährige. Aufgrund seiner für Volleyballer eher geringen Körpergröße von 1,74 Meter bekam er die Libero-Position fast zwangsläufig übertragen. Die dafür erforderlichen taktischen und spieltechnischen Fähigkeiten hat er sich in seinem Heimatland angeeignet.

Bahadari: „Ich habe einen zweijährigen Trainerlehrgang mitgemacht, danach Schüler-Mannschaften trainiert.“ Die mangelnde Körpergröße macht Ali Bahadari mit seiner enormen Sprungkraft wett, erklärt sein Kapitän: „Wenn er hochspringt, ist er genauso groß wie ich, obwohl er eigentlich einen Kopf kleiner ist.“ Fähigkeiten, mit denen der Neuankömmling Daniel Stuers bei seinen ersten Spielen in einer Budberger Hobby-Mannschaft beeindruckt hat: „Ali hat sich dort gelangweilt, ich habe ihn daraufhin zum Training eingeladen, und da ist er richtig aufgeblüht trotz der Sprachprobleme zu Beginn.“

Mit seinem Humor, dem Optimismus und dem Lachen steckt er das gesamte Team an. All das verstummt jedoch schlagartig, wenn seine Gedanken zurück wandern, die Erinnerungen an seinen Verein in Afghanistan hochkommen. „Die Taliban haben zwei meiner Mitspieler getötet. Danach konnten wir einfach nicht mehr weiterspielen.“

Im Budberger Volleyball-Team findet er Trost und Ablenkung gleichermaßen. Für Ali Bahadari, der inzwischen einen festen Arbeitsplatz bei einem Moerser Logistik-Unternehmen hat, ist Sport der beste Weg zur Integration: „Ich habe hier meine Freunde kennengelernt, das erste Jahr hat mir sehr gut getan.“ Zum Naturell Bahadaris gehört auch dieser bedingungslose Ehrgeiz, kein Spiel verlieren zu wollen und möglichst jede Minute auf dem Platz zu stehen.

Einmal musste sein Kapitän ihn sogar nach Hause schicken. „Eine Woche nach einer Blinddarm-Operation stand er mit einem Riesenpflaster auf dem Platz, da musste ich ihn bremsen“, so Stuers. Seine Mitspieler brauchen die Folgen dieses Ehrgeizes allerdings nicht fürchten, auch wenn es zu den Aufgaben eines Liberos gehört, die Fehler seiner Vorderleute auszubügeln. „Das ist schon in Ordnung, niemand macht absichtlich einen Fehler, jeder gibt sein Bestes. Meistens lache ich dann und alles ist okay.“

Konzentration wird den Teamkameraden vom SV Budberg bei der gegnerischen Angabe abverlangt. Bahadari beobachtet die Schlaghand des Gegners, erkennt auf diese Weise, wo der Ball landen wird. Schreit er dann im Eifer des Spiels „Joinl“, muss sofort jemand ans Netz.

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