Sonsbeck Sonsbecks Bäume auf dem Prüfstand

Sonsbeck · Der Krefelder Landschaftsökologe Jürgen Kutscheidt untersucht die Standfestigkeit der Holzgewächse.

 Hightech im Wald: Jürgen Kutscheid misst mit einem hochsensiblen Messfühler an der Spitze eines Bohrers die Holzstärke der Bäume.

Hightech im Wald: Jürgen Kutscheid misst mit einem hochsensiblen Messfühler an der Spitze eines Bohrers die Holzstärke der Bäume.

Foto: RP-Foto; Armin Fischer

Jürgen Kutscheidt lehnt sich weit zurück, betrachtet den Baum von der Krone bis zum Boden, umrundet das Holzgewächs - immer wieder den Blick hinauf- und hinabgerichtet. Dann geht es mit einem Hubsteiger hinauf. Gibt es Faulstellen, gibt es Verdickungen, mit denen ein Schaden kompensiert wurde, haben sich Pilze angesiedelt? Meter für Meter nimmt der Landschaftsökologe den Baum in Augenschein: "Wer den Gesundheitszustand eines Baums untersuchen will, der muss erst mit den Augen ran", sagt der 56-Jährige und klopft zusätzlich mit einem Hammer Verdachtsstellen ab. Klingt auch nur eine hohl und kann Kutscheidt das auch nicht auf abgelöste Borke zurückführen, sieht es für das Gewächs nicht gut aus.

30 Bäume hat der promovierte Geograph, der sich für seine Doktorarbeit an der früheren Versuchsanstalt für Pilzanbau in Krefeld unter anderem mit der zerstörenden Wirkung bestimmter Hallimasch-Pilze für Bäume beschäftigt hat, in den vergangenen Tagen in Sonsbeck und Labbeck untersucht. Dem überwiegenden Teil hat er gestern eine gute Gesundheit attestiert, einige Pflanzen, so empfiehlt der Krefelder, sollten aber schleunigst gefällt werden. Möglichst vor einem starken Sturm.

Die Gemeinde hat den Sachverständigen, der beruflich mit seinen acht studierten Arboristen (Stadt- und Straßenbaumexperten) und Förstern seine Zelte in Tönisvorst aufgeschlagen hat, mit der Analyse betraut. "Im Rahmen der Verlängerung des Alleenradweges Boxteler Bahn müssen wir sichergehen, dass keiner dieser großen Bäume am Wegesrand zu einer Gefahr werden kann", sagt der in der Verwaltung zuständige Sachbearbeiter Martin Grunenberg. Das sei auch im Sinne der Anlieger der Straße Am Löwenberg, auf deren Häuser die großen alten Eichen und die Esskastanie stürzen würden. Das aber war nur der Ausgangspunkt. "Wenn wir den anerkannten Fachmann schon im Lande haben, sollte er sich auch andere Gehölze ansehen, die eventuell gefährlich werden könnten", so Grunenberg. Das gilt für alle Ortsteile. Nach dem Aufgalopp in dieser Woche wird sich Kutscheidt, der auch für die Aufstellung des Baumkatasters in Xanten verantwortlich zeichnet, in gut 14 Tagen weitere Exemplare unter anderem auch in Hamb anschauen.

Das heißt: Bei der Beschau allein bleibt es oft nicht. Um ganz sicherzugehen, setzt der gebürtige Münsterländer eine Art übergroße Akku-Bohrmaschine an. Millimeter für Millimeter frisst sich dann die Bohrspitze mit einem hochsensiblen Messfühler ins Holz, über den der Widerstand beim Vordringen bis zu einer Tiefe von 46 Zentimetern gemessen wird. Ist der hoch, geht es durchs Holz, ist er gering, deutet das auf Zersetzung insbesondere durch Fäulnispilze hin. Das Gerät sei derart sensibel, dass sogar Jahresringe exakt erfasst werden können, sagt Kutscheidt. Die genauen Daten werden sofort ausgedruckt, ähneln dabei in etwa den Streifen, die ein Arzt bei einem Elektrokardiogramm erhält und geben dem Fachmann präzisen Einblick ins Innenleben des untersuchten Gehölzes. In einem Fall in den vergangenen Tagen hörte der Widerstand in dem drei Millimeter dicken Bohrloch gar nach drei Zentimetern auf. Der Rest des Stammes ist schlicht hohl. "Der Baum sollte in den nächsten acht Tagen gefällt werden", rät der Sachverständige dringend.

Von den zwölf Eichen am Löwenberg jedenfalls erwiesen sich elf als stabil, teilweise, so Kutscheidt, sollten sie aber wegen statisch ungünstiger Vergabelungen eingekürzt werden. Die Esskastanie - auch Marone genannt - weist gewisse Fäulnisstellen auf, die aber nicht weiter dramatisch seien, wenn man den Baum um etwa acht Meter einkürze, erklärt der Fachmann. Dann ist der Baum immer noch gut 20 Meter hoch (groß).

Auch die zehn großen Bäume am Labbecker St.-Georg-Kindergarten sind standfest. Nur das Totholz sollte rausgenommen werden, und ein bereits vor längerer Zeit eingekürzter Silber-Ahorn benötigt einen neuen Rückschnitt. Die drei Linden am Kreisverkehr Xantener Straße sollten eingekürzt werden, an den drei benachbarten Buchen muss ebenfalls nur Totholz entnommen werden. Vier von zehn Robinien am Wildpassweg müssen allerdings weg. An den Stammfüßen hat der Fachmann "seinen" Pilz entdeckt. Hallimasch. Und der lebt dort vom toten Holz.

(RP)
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