Landwirte am Niederrhein Schweinehandel drückt das Ergebnis der Agriv
Sonsbeck/Niederrhein · Bei der Generalversammlung der Agriv blickten die Landwirte auf ein vor allem für Schweinezüchter herausforderndes Jahr. Dennoch konnte ein respektabler Gewinn erzielt werden.
Bei der Generalversammlung der Genossenschaft Agriv ist einmal mehr deutlich geworden, wie sehr sich die Landwirtschaft im Wandel befindet und allen Betrieben eine Veränderung abverlangt. „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Hans-Josef Gräven gleich zu Beginn des erstmals als hybride Veranstaltung durchgeführten Jahrestreffens, dem 150 Mitglieder in der Stadthalle Vennehof in Borken beiwohnten und weitere 520 Teilnehmer per Livestream zugeschaltet waren.
„Die gesellschaftliche Akzeptanz unserer bestehenden Produktionssysteme sinkt. Klima-, Umwelt- und Tierschutzfragen werden drängender, und junge Menschen setzen neue Ernährungstrends“, veranschaulichte Gräven. Gleichzeitig werde der Wettlauf um die Kostendeckung für Landwirte schwieriger.
Auch Vorstandsprecher Stefan Nießing gab an, dass die neue Düngeverordnung, die Verabschiedung eines neuen Insektenschutzgesetzes, neuerliche Vorgaben zum Schlachtviehtransport, aber auch sich ausbreitende Krankheiten wie die Afrikanische Schweinepest und Geflügelgrippe sowie ein deutlich verschlechtertes Gemüt aller Marktteilnehmer viele Landwirte über die Aufgabe ihres Geschäftsfeldes oder gleich des ganzen Betriebs nicht nur nachdenken ließen.
Und doch: Trotz fordernder Zeiten und Umsatzverlusten im Viehgeschäft erzielte die Agriv im Geschäftsjahr Juli 2020 bis Juni 2021 ein respektables Ergebnis. Der Gesamtumsatz kam auf 280 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss beläuft sich auf mehr als 1,2 Millionen Euro. Wir geben einen Überblick über die einzelnen Geschäftsbereiche.
Viehgeschäft Noch vor einem Jahr hegten die Viehzüchter die Hoffnung, dass sich die Situation ab dem Frühjahr 2021 zum Positiven entwickeln würde. „Doch wir wurden alle eines Besseren belehrt“, sagte Nießing. „Schlechter kann es aktuell gerade für die Schweinebauern kaum werden.“ Als Grund nannte er fehlende Absatzmärkte durch leere Fußballstadien, abgesagte Volksfeste, durchwachsenes Wetter, das Grillabende vermiese, und den wachsenden Trend zu veganer Ernährung. Schweine seien kaum noch zu vermarkten. Zudem gäbe es in den Schlachthöfen Personalengpässe. Im vergangenen Geschäftsjahr wurden 274.000 Ferkel, 345.000 Schweine und 36.000 Kälber und Großvieh mit einem Gesamtumsatz von 104 Millionen Euro gehandelt, wobei der Verkauf von Kälbern und Großvieh fast ein Viertel des Umsatzes ausmachte. Dennoch warb Nießing dafür, die Schweinezucht nicht einbrechen zu lassen und ausreichend Stückzahlen zu produzieren. „Auch wenn ich weiß, dass in einigen Betrieben die Schmerzgrenze erreicht ist“, sagte der Sonsbecker. „Aber ich glaube fest daran, dass wir diese Situation in gegenseitiger Unterstützung durchstehen können.“
Futtermittel Die Situation im Viehgeschäft hat auch Auswirkungen auf den Futtermittel-Bereich. Zwar konnte in der Sparte der Gesamtumsatz im Geschäftsjahr mit 80 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr leicht gesteigert werden. Die Verkäufe seien trotz geringerer Tierzahlen stabil gewesen, wie Vorstandsmitglied Berthold Brake ausführte. Doch in den kommenden Monaten erwarte er gerade beim Schweinefutter Umsatzeinbrüche. „Die Ferkelerzeugung ist bei den aktuellen Marktpreisen bei weitem nicht kostendeckend“, erklärte er. „Und auch die Mast ist bei Fleischpreisen von 1,20 pro Kilogramm und sehr hohen Futterkosten nicht rentabel.“ Hinzu komme die Ausweitung der Schweinepest in Mecklenburg-Vorpommern, „hoffentlich nicht in NRW“, so Brake. Im Geflügelbereich sei die Marktlage ähnlich. Auch der sei von der Vogelgrippe bedroht. Brake: „All diese Gegebenheiten werden in der Mischfutterbranche zu Umsatzrückgängen führen, die wir nur durch eine intensive Kundenbetreuung und eine Ausweitung des Verkaufsgebietes relativieren können.“
Raiffeisen-Märkte Der Einzelhandel der Agriv hat von der Corona-Pandemie profitiert. Dank ihres themenrelevanten Sortiments hätten die Raiffeisen-Märkte auch während der Lockdowns durchgängig und vollständig geöffnet bleiben können, berichtete Prokurist Eckhard Sy, während Baumärkte nur teilgeöffnet waren. Positiv ausgewirkt habe sich zudem der ausgeprägte Wintereinbruch im Frühjahr, der den Streusatzverkauf beflügelte. „Und so manchen in den Regalen fast schon eingestaubten Schneeschieber doch noch an den Kunden brachte“, scherzte Sy. Damit konnte im Einzelhandel ein Umsatzplus von 1,8 Millionen Euro oder 11,4 Prozent generiert werden. „In schrumpfenden landwirtschaftlichen Märkten sind diese Erlöse nicht zu vernachlässigen“, betonte Sy, der zugleich aber hervorhob, dass Ansprüche der Kunden an den stationären Handel in Hinblick auf Attraktivität und den Wohlfühlfaktor steigen würden, ansonsten der Online-Handel bevorzugt werde. Der Um- und Ausbau von Märkten sei daher wichtiges Anliegen. Ein Vorzeigeprojekt der Agriv ist dabei der Raiffeisen-Markt Kirchhellen, für den nach 13 Jahren Bearbeitungszeit endlich die Baugenehmigung vorliege. Die Neueröffnung des Standortes mit Schnellladesäulen für E-Autos, Spirituosen- und Weinabteilung sowie Hundewaschanlage ist im Frühjahr geplant.
Landwirtschaftliches Geschäft Nach drei extrem trockenen Jahren gab es seit dem Frühjahr bis zur Ernte ausreichend Niederschläge. „In Erwartung einer Spitzenernte war die Bereitschaft, aber auch die Notwendigkeit einer intensiven Bestandsführung angesagt“, sagte Sy. So konnte sowohl der Umsatz von Düngemitteln um knapp 50.000 Euro als auch von Pflanzenschutzmitteln um 700.000 Euro auf je rund acht Millionen Euro gesteigert werden. In beiden Bereichen werden aufgrund neuer Verordnungen sinkende Umsätze erwartet.