Lesung mit Erwin Kohl in Sonsbeck Enthüllungen am Lesepult

Sonsbeck/Alpen · Krimiautor Erwin Kohl erzählte bei der Premierenlesung zu seinen neuen Niederrhein-Krimi „Der war schon tot“ im Sonsbecker Kastell zahlreiche Geschichten rund um die Geschichte. Für Mordsspaß sorgte auch die Band Glam Bam.

 Erwin Kohl stellte nicht nur Szenen aus seinem Krimi „Der war schon tot“ vor, sondern erzählte auch viele Geschichten zur Entstehung des Romans.

Erwin Kohl stellte nicht nur Szenen aus seinem Krimi „Der war schon tot“ vor, sondern erzählte auch viele Geschichten zur Entstehung des Romans.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Es waren die kleinen Geschichten um die Geschichte des Privatermittlers Lukas Born herum, die die Premierenlesung von Erwin Kohl im Sonsbecker Kastell zu einem besonderen Vergnügen gemacht haben. Und es war die Mischung aus Musik und Literatur: Dass die 70er-Jahre-Band Glam Bam in glitterhaftem Outfit zum dritten Mal eine Krimilesung des Alpener Autors mit Hits von T. Rex, Slade, Steppenwolf und Co begleitete, zeugte nicht nur von der freundschaftlichen Verbundenheit der schreibenden und musizierenden Zunft. Uwe Plien, Frontmann der Band und Redakteur der Rheinischen Post, kam auch im 14. Roman von Erwin Kohl vor. Als Uwe, der Pressefuzzi, der mit Vorliebe Polizeimeldungen bearbeitet.

„Der war schon tot“: Allein der Titel des neuen Krimis lässt schmunzeln. Und man braucht die vorherigen Bände nicht gelesen zu haben, um sich Lukas Born vorstellen zu können, der mit seinem Hund Manolo als Dauercamper auf dem Kerstgenshof in Labbeck wohnt und irgendwie einen verpeilten Eindruck macht, aber messerscharf ermittelt. Im aktuellen Fall wird er von Marlies Brehme beauftragt, den Mörder ihres Enkels Lennart zu finden. Der lag nämlich nachts splitterfasernackt und tot auf der Straße, die von Sonsbeck nach Wesel führt. Lisbeth Scholten, die ältere Dame, die ihn überfahren hatte, war mit einem Schock ins Krankenhaus gekommen. Und ihr fiel eine große Last vom Herzen, als sie von der Polizei das Ergebnis der Obduktion erfuhr: Der junge Mann, der zuvor ein Glam-Bam-Konzert in dem großen Schützen-Festzelt auf dem Sonsbecker Neutorplatz besucht hatte, dort urplötzlich vom Stuhl gefallen war und sich das Nasenbein gebrochen hatte, war schon tot, als sie ihn überfuhr.

Die Rocker der 70er-Jahre-Cover-Band Glam Bam begleiteten die Lesung mit ihren Songs.

Die Rocker der 70er-Jahre-Cover-Band Glam Bam begleiteten die Lesung mit ihren Songs.

Foto: Armin Fischer (arfi)

„Jetzt müsste so richtig dramatisch das Saal-Licht ausgehen, dann würden wir aussehen wie echte Rockstars“: Glam-Bam-Frontmann Bronco T. Slade (Uwe Plien) fand Gehör. Und die Band brachte das gut besuchte Kastell in Sekunden zum Wippen, als sie mit Steppenwolfs „Born to be wild“ die Lesung eröffnete und im Verlauf des Abends weitere 70er-Jahre-Ohrwürmer anstimmte. Herausragend das Solo der Geigerin Gesa Linne alias Ruby Tuesday beim Santa Esmeralda-Hit „Don’t let me be misunderstood“.

 Er freue sich „wie Bolle, hier zu stehen“, bekannte Autor Erwin Kohl, der wie alle Kunstschaffenden unter den Lockdowns gelitten hatte. Mitte April, „als das Robert-Koch-Institut gerade die vierte Welle angedroht hatte“, habe er Ludger van Bebber vom Verein Sonkult gefragt, ob er seinen 14. Kriminalroman vielleicht im Kastell vorstellen könnte. Er kläre das mit dem Vorstand, beschied van Bebber. Drei Tage später der Anruf mit der Nachricht: „Du kannst kommen.“ Kohl bedankte sich herzlich: „Ihr hattet den Mut, zu sagen: ,Wir machen das.’“ Um Glam Bam mit ins Boot zu holen und die Musiker auch bezahlen zu können, hatte Erwin Kohl Volksbank-Chef Guido Lohmann um finanzielle Unterstützung angerufen. „Haben die getan“, freute sich der Krimi-Autor, der drei, vier Monate am „Weißen-Blatt-Syndrom“ gelitten habe, „bis Birgit und Leo Ingenlath mich wieder einmal auf ihren Campingplatz eingeladen haben“. Da löste sich die Schreibblockade in der Wohnküche der Familie, die den Kerstgenshof betreibt und wo man sich an die 3-G-Regeln hält: „Hier wird gekocht, gequatscht und gesoffen“, scherzte Kohl. Beim Gedankenaustausch in der Ingenlath-Küche sei auch ein Problem gelöst worden, das Kohl vorher bei seinen Krimis noch nie gehabt hätte: Wohin mit der Leiche?

Diese und weitere Geschichten erfuhr das Publikum bei der Premierenlesung. Beispielsweise auch die, dass laut Erwin Kohl „die meisten großen Hits der 70er, die Glam Bam covert, in Wahrheit aus der Feder von Uwe Plien stammen“. Der sei übrigens als Kind Karl-May-Fan gewesen, habe mit zehn Jahren bei einer Ferienfreizeit der Landjugend in Bad Oeynhausen auf der Luftmatratze in seinem kleinen Ein-Mann-Zelt eine Geschichte über den „Winnnetou“-Erfinder getextet, die später von der Band The Sweet als Wig Wam Bam herausgebracht worden sei und Furore machte, so der Autor.

Auch in seinem 14. Krimi „Der war schon tot“ hat Erwin Kohl wieder Sätze formuliert, die einfach großartig sind: „Sie füllt die nächsten drei Minuten mit eisiger Stille“, heißt es beispielsweise an einer Stelle. Oder: „Ich gebe ihren Gedanken die Zeit zu reifen“, „auf dem Brot hat sich ein flauschiger Belag Schimmel gebildet“, „ich habe noch jede Menge Tag vor mir“. Den Mann im karierten Hemd, der vor einem Siedlungsblock in Xanten das aus den Gehsteig-Fugen gekratzte Unkraut zusammenkehrt, beschreibt er als „Siedlungskontrolletti, in dessen Gesicht die geballte Ladung jahrzehntelanger geistiger Unterforderung“ auszumachen sei. Astrein! Genau wie der gesamte Abend.

(jas)
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