Xanten Sommer: Feldtieren droht der Mähtod

Xanten · Wenn Wiesen und Felder im Sommer gemäht werden, bedeutet das auch Gefahr für die dort lebenden Tiere. Jäger und Landwirte können den Mähtod gemeinsam einschränken – wenn sie denn frühzeitig zusammenarbeiten.

 Die Art und Weise, in der die Wiesen gemäht werden, kann für die Tiere entscheidend sein.

Die Art und Weise, in der die Wiesen gemäht werden, kann für die Tiere entscheidend sein.

Foto: Privat

Wenn Wiesen und Felder im Sommer gemäht werden, bedeutet das auch Gefahr für die dort lebenden Tiere. Jäger und Landwirte können den Mähtod gemeinsam einschränken — wenn sie denn frühzeitig zusammenarbeiten.

 Dieses Rehkitz wurde gefunden und konnte gerettet werden.

Dieses Rehkitz wurde gefunden und konnte gerettet werden.

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Die zwei Rehkitze können es nicht wissen — sie sind gerade aber wohl dem sicheren Tod entronnen. Dem Tod durch rotierende Messer der Mähmaschinen, dem viele ihrer Artgenossen zum Opfer fallen. Aktuellen Schätzungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zufolge, werden bundesweit jährlich mehr als 100 000 Rehkitze, aber auch Vögel, Hasen und Bodenbrüter, von Landmaschinen getötet. So sind nach Angaben der Grünen in Xanten im Naturschutzgebiet Bislicher Insel ungezählte Gelege und Jungvögel der Wiesenschafstelze, Wiesenpieper, Feldlerche, Rohrammer, Sumpfrohrsänger, Feldschwirl und anderer Arten getötet worden, als Mitte Juni fast alle in Landesbesitz befindlichen Wiesen gemäht wurden. Die Grünen haben sich an den Landesumweltminister gewandt (siehe "offener Brief").

In Reichswalde im Nachbarkreis Kleve aber konnten Jäger Gerhard Thomas und Milchbauer Elmar Hannen wieder zwei Rehkitze retten. Denn dort haben Landwirt und Jäger frühzeitig zusammengearbeitet. Ein Zusammenspiel, das nicht überall funktioniert. "Eigentlich haben die Landwirte ein Interesse daran, dass die Tiere vorher aufgescheucht werden", sagt Gerhard Thomas, Vorsitzender der Kreisjägerschaft. Schließlich könnten sie Leichenteile in der Mahd alles andere als gebrauchen. Darum sollen sich die Landwirte im Optimalfall vorher mit Jägern verabreden. Die laufen dann mit ihren Hunden die Felder ab und scheuchen die Tiere auf. "Ich bezweifle aber, dass das überall funktioniert", sagt Thomas. Und das, obwohl die Jäger kostenfrei über die Felder laufen.

Wegen der zunehmend heißen Temperaturen wurde jetzt der zweite Schnitt der Gräser durchgeführt. Ein Problem stellt beim Mähen zuweilen auch die Art und Weise dar, in der die Wiesen und Felder abgefahren werden. "Am besten sollen sie in Bahnen oder von innen nach außen gemäht werden. Leider beobachten wir aber auch Fälle, bei denen von außen nach innen gemäht wird", sagt Thomas. "So werden die Tiere eingekesselt." Viele Landwirte hielten sich an die schonenden Mäh-Methoden. "Aber manche wollen sich nicht ändern, weil sie sagen, dass sie es immer schon gemacht haben. Das auszutreiben ist schwierig, da reden wir uns den Mund fusselig", sagt Thomas. Das Problem seien zuweilen auch viel weniger die Landwirte, als mehr Lohnunternehmer, bei denen Zeit im Wortsinne Geld bedeutet.

Josef Peters, Vorsitzender der Kreisbauernschaft, beschwichtigt. "Bei 95 Prozent ist es schon gang und gäbe, nicht mehr von außen nach innen zu mähen. Auch bei den Lohnunternehmern", sagt er. Falls es doch einmal dazu kommen sollte, sei es eine große Ausnahme. "Vielleicht sitzt dann jemand auf der Maschine, der das noch nicht weiß, oder das schon immer so gemacht hat", sagt Peters. Natürliche Feinde würden die Tiere aber mehr bedrohen als die Mahd, sagt Peters.

"Neben Säugetieren sind auch Amphibien und Vögel gefährdet", betont hingegen Dr. Andreas Barkow vom Nabu. Die Organisation setzt sich vor allem für eine Verzögerung der Mähzeiten ein. "Wenn Mai und Anfang Juni auf das Mähen der Wiesen verzichtet werden könnte, würde ein deutlich größerer Teil der Tiere überleben", sagt Barkow. Denn zu der Zeit kommen etwa bei Rehen die Jungtiere zur Welt. Und die sind besonders gefährdet, weil sie dem "Drückinstinkt" folgen: Anstatt zu fliehen, verharren die Kitze reglos auf dem Boden, sobald ihnen Gefahr droht. Sie verlassen sich auf die natürliche Tarnung ihres Fells — fatal, wenn sich ihnen eine Mähmaschine nähert. Wenn ein Tier gefunden wird, sollte es nach Möglichkeit nicht direkt angefasst werden. Denn trägt ein Rehkitz menschlichen Geruch an sich, nimmt es die Ricke nicht mehr an. Das kann man verhindern, in dem man die Hände mit Gras abreibt oder das Kitz mit Grasbüscheln aufhebt. An einen sicheren Ort gesetzt, wird das Jungtier von der Ricke abgeholt. Auch andere Schutzmaßnahmen gibt es — etwa akustische Signale, die vorne an den Maschinen angebracht werden, um die Tiere aufzuscheuchen.

"Am besten wäre, wenn langsam über die Felder gefahren wird, damit die Tiere eine Möglichkeit bekommen, zu fliehen. Allerdings sind das auch alles Zeit- und Kostenfaktoren", sagt Andreas Barkow vom Nabu. Auch ihm ist klar: Komplett verhindern kann man den Mähtod nicht, einschränken aber sehr wohl.

(RP)
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