Siegfried Der Drachentöter "Das Gesetz - das bin ich"

Xanten · Von heute an bis Sonntag, 13. Mai, findet in Xanten das 16. Siegfried-Spektakel statt. Doch wer ist der Mann überhaupt, der nach der Nibelungensage einen Drachen getötet haben soll? Ein Gespräch mit dem berühmtesten Sohn der Stadt.

 Siegfried der Drachentöter - Holzstich nach einer Zeichnung um 1880 von Hermann Vogel (1854-1921).

Siegfried der Drachentöter - Holzstich nach einer Zeichnung um 1880 von Hermann Vogel (1854-1921).

Foto: dpa

xanten Der berühmteste Sohn Xantens: ein Königssohn und tragischer Held, ein Drachenbezwinger, in den Schlachten stets siegreicher Ritter, nur durch einen Speer in den Rücken bezwungen und getötet. Siegfried, vielbesungener und -beweinter Recke aus der Nibelungensage, hat der Stadt ihren Beinamen gegeben, der sie in ganz Deutschland bekannt machte.

Von heute an bis einschließlich Sonntag, 13. Mai, zieht es Ritter, Fahrensleute und Tausende von Touristen wieder zu dem nach ihm benannten Spektakel nach Xanten. Nach unseren heutigen Gesetzen ist jedoch nicht alles Gold, was glänzt. Viele "Helden" aus der Sage würden lebenslang hinter Gittern wandern. Was Siegfried nicht darin hindert, auch 2018 in den Wallanlagen wieder seine Kräfte mit Gleichgesinnten zu messen.

Hallo, Jung-Siegfried. Ihr traut Euch noch hierher in die Öffentlichkeit? Keine Angst vor der Polizei?

Siegfried Warum sollte ich sie fürchten. Wir sind eine friedliebende Schar von edlen Rittern, einfaches Volk und Gaukler, die die Menschen mit allerlei Schauspiel ergötzen möchten. Alles andere ist doch bloß Sagengeschwätz, um uns anzuschwärzen.

Na ja. Friedliebend? Eure Nibelungengeschichten strotzen nur vor Straftaten. Ein Richter hätte viel zu tun, alle eure Missetaten zu ahnden und abzuurteilen.

Siegfried Ich kann nur noch einmal betonen: Wir Recken lebten und leben nach den alten Idealen wie Tugendhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit. Ritter sind nur ihrem Lehensherrn verantwortlich. Ich selbst bin ein Königssohn: Das Gesetz - das bin ich.

Sagen haben aber meistens einen wahren Kern. Wie war das denn mit Alberich?

Siegfried Och, dieser Zwerg. Er hat verwaltet und gehortet, was er so alles zusammengerafft hatte. Ohne es zu versteuern. Bei Euch heißt das heute Schwarzgeld. Allerdings wollte er das Gold dann nicht mehr herausrücken. Da musste ich ihm meine Macht spüren lassen.

Eigentümer des Schatzes war der Rhein. Und jetzt kommt Ihr ins Spiel. Du hast Alberich gezwungen, das Gold herzugeben und gleich auch seine Kappe, die unsichtbar macht. Juristen sprechen da eher von Raub.

Siegfried Und was hatte ich vom Gold? Nichts. Es ist irgendwo in den Fluten des Rheins versunken und liegt dort auf Grund. Jeden Sommer warte ich darauf, dass der Rhein endlich austrocknet und ich wieder an den Schatz komme.

Wie war das denn mit der Tötung des Drachen?

Siegfried Also ich bitte euch: Zunächst einmal war es reine Notwehr. Mein Ziehvater gab meine Ermordung bei seinem Bruder, einem zum Drachen mutierten Menschen, in Auftrag, weil er meine jugendliche Kraft fürchtete. Doch ich war schneller und tötete diesen Bruder. Außerdem: Was war das überhaupt für ein Wesen? Ursprünglich ein Zwerg, der sich mit der Zeit in einen Lindwurm verwandelt hat.

In Wagners Oper spricht er hochdeutsch.

Siegfried Das ist doch alles Fiktion. Die Fantasie ist mit dem Komponisten durchgegangen. Nur weil der Drache sprechen kann, macht ihn das noch nicht zum Menschen. Dann wären es der Gestiefelte Kater und die Bremer Stadtmusikanten auch. Das sah übrigens schon ein früherer Amtsrichter so. Die Laute des Drachen in Wagners Oper, so argumentierte dieser Ernst von Piddee, seien eindeutig tierischen Ursprungs. Somit war es kein Totschlag, sondern allenfalls ein Vergehen gegen das Tierschutzgesetz.

Den Auftraggeber für den Mordversuch hast du gleich mit abserviert.

Siegfried Da sind mir in der Tat die Pferde durchgegangen. Es war eine Tat im Affekt. So ist eben mein niederrheinisches Temperament.

Dann ist da noch die Vergewaltigung von Brunhild. In der Hochzeitsnacht hängte sie König Gunther gefesselt an einen Nagel und legte sich dann selbst schlafen. Darum solltest du ihren Widerstand brechen und sie ihrer magischen Kräfte berauben.

Siegfried Es war tiefstes Mittelalter, und ich war als Lehensmann dem König verpflichtet.

Die Nibelungen sind also deiner Meinung nach allesamt Unschuldslämmer?

Siegfried Nicht alle. Ich wüsste da schon jemanden, den sich die Polizei vorknöpfen könnte. Hagen von Tronje, diesen feigen Verräter. Mir einfach mit dem Speer in der Hand in den Rücken zu fallen. Das war noch nicht einmal Totschlag, das war heimtückischer Mord.

Was ihn in deiner Heimatstadt Xanten zu einer persona non grata macht.

Siegfried Das weiß ich sehr zu schätzen. Mein Volk hier liebt mich und die Nibelungen. Eine Straße und sogar ein Museum sind nach mir benannt, es gibt eine Kriemhildmühle, eine Guntherstraße, den Nibelungenexpress nicht zu vergessen. Aber nichts erinnert auch nur im Entferntesten an diesen Feigling Hagen. Außerdem - lass mich das noch hinzufügen - sind die uns zur Last gelegten Straftaten längst verjährt beziehungsweise als wir sie - angeblich - begangen hatten, standen sie noch nicht unter Strafe.

Der von dir selbst zitierte Amtsrichter sieht das etwas anders. Er sagt zwar, die Delikte seien lange vor unserer Zeit geschehen. Aber durch jede Aufführung zum Beispiel von Wagners "Ring des Nibelungen" würden sie erneut begangen.

Siegfried Eine solche Auffassung ist eine Frage der Interpretation. Aber jetzt genug der Rede, wir müssen zu unserem Ritterturnier in Xanten aufbrechen.

PETER KUMMER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(pek)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort