Shanty-Chor Vynen wird 20 Die Sehnsucht klingt immer mit

Xanten-Vynen · Was aus einer Schnaps-Idee entstand, entwickelte sich bald zum erfolgreichen Verein: Heute feiert der Shanty-Chor Vynen sein 20-jähriges Bestehen und steht in den Startlöchern, wieder mit den Proben loszulegen.

 Der Shanty-Chor kurz nach seiner Gründung. Heute sind noch fünf der ehemals zwölf Gründungsmitglieder aktiv.

Der Shanty-Chor kurz nach seiner Gründung. Heute sind noch fünf der ehemals zwölf Gründungsmitglieder aktiv.

Foto: Shanty Chor

 Angefangen hat alles mit einer Goldhochzeit: Zwölf Mitglieder des Schiffervereins Vynen wollten dem damaligen Vorsitzenden Werner Kluge und seiner Frau Inge ein besonderes Geschenk zum 50. Hochzeitstag machen. Der Urlaubs-Gutschein an die Nordseeküste sollte bei passenden Shantys überreicht werden. Also holte sich das wagemutige Dutzend Hilfe von Edith Maas. „Sie hatte ja wenigstens etwas Ahnung von Musik, der Rest von uns war da völlig unwissend“, erzählt Wilfried Strahmann. Die Männer übten unter der weiblichen Leitung auch fleißig. Sechs Lieder gehörten zum Repertoire. Als die Feier in der Gaststätte Op den Huck in Appeldorn anstand, hatten sie dennoch die Buxen voll. Es nutzte nichts. Einmal zugesagt, wollte man sich nicht die Blöße geben. Zur Beruhigung gab’s daher erstmal ’nen Schnaps. „Und weil man auf einem Bein nicht stehen kann, gleich noch einen hinterher“, berichtet Strahmann. Dann ging’s rauf auf die Bühne – mit dem verblüffenden Ergebnis, dass die schon leicht angegrauten Sängerknaben das Publikum vollends begeisterten.

Wenige Tage später beschlossen die glorreichen Zwölf, einen Shanty-Chor zu gründen. „Als die Nachricht in der Nachbarschaft durchsickerte, lästerten viele, wir würden das keine zwei Monate mitmachen“, sagt der Mitbegründer. Aus den zwei Monaten sind inzwischen 20 Jahre geworden. Strahmann war viele Jahre der erste, heute der zweite Vorsitzende. „Und ich wundere mich noch immer, wie so ein kleiner Plemkes-Verein Veranstaltungen mit gut 450 Besuchern ausrichten kann.“

 Die Hafenkonzerte am Pier 5 locken Hunderte Besucher an. Der Shanty-Chor hofft, nach der Pandemie wieder ein großes Hafenfest gestalten zu können.

Die Hafenkonzerte am Pier 5 locken Hunderte Besucher an. Der Shanty-Chor hofft, nach der Pandemie wieder ein großes Hafenfest gestalten zu können.

Foto: Shanty Chor

So klein ist der Shanty-Chor aber gar nicht mehr. Die Truppe ist inzwischen auf 33 Sänger gewachsen. Alles Männer. „Aus Tradition“, sagt Strahmann. Schließlich stammen Shantys von der Seefahrt, waren Arbeitslieder der Matrosen, und da waren die Frauen eben außen vor. Und doch: Bis heute hat mit Chorleiterin Edith Maas eine Frau das Zepter – pardon den Dirigentenstock – in der Hand. Außerdem ist der Verein von einem einzelnen Akkordeonspieler zu einem Mini-Orchester mit sechs Akkordeonspielern, davon fünf Damen, gewachsen. Es gibt einen Gitarristen und eine Bassgitarristin.

 Die Adventskonzerte im Krankenhaus Xanten gehören zur Tradition. Sie machten den Shanty-Chor bekannt.

Die Adventskonzerte im Krankenhaus Xanten gehören zur Tradition. Sie machten den Shanty-Chor bekannt.

Foto: Shanty Chor

„Das mit den Akkordeonspielern ist auch so eine Geschichte“, sagt Strahmann, nur im nächsten Atemzug noch eine Anekdote voranzustellen. So kam bei einem Konzert 2008 ein kleiner Junge auf den Vorsitzenden zugelaufen und fragte, ob denn auch Matrosen im Chor wären. „Klar“, erwiderte Strahmann, der selbst Jahrzehnte Schiffer war. Der Achtjährige war begeistert, und kurze Zeit später selbst Mitglied. „Die Zuhörer fanden natürlich toll, dass wir so ein Stöpken in unseren Reihen hatten“, so Strahmann. Dessen Mutter Katja Quartier musste ihn immer zu den Konzerten fahren, dabei stellte sich eines Tages heraus: Sie kann Akkordeon spielen. Also wurde auch die junge Frau mit ins sprichwörtliche Boot geholt. Bald darauf auch ihre Tochter mit gleicher musikalischer Begabung. „So hat sich der Shanty-Chor langsam entwickelt“, sagt der 76-Jährige.

Bis heute ist es das familiäre Miteinander, das den Verein zusammenhält. Und das auch die Zuschauer mitreißt. „Wir wollen unterhalten, aber mit den Besuchern zusammen“, betont Strahmann. Bei den Konzerten werden stets Liedtexte zum Mitsingen verteilt. Ziert sich das Publikum, geht Strahmann eben durch die Reihen, packt den einen oder anderen am Arm, bis die ganze Menge mitschunkelt. „Man darf keine Berührungsängste haben“, sagt der Sänger und lacht.

Damit setzte die Corona-Pandemie die Gruppe jedoch auch auf Eis. Die traditionellen Adventskonzerte im Xantener Krankenhaus fielen ebenso aus wie die beliebten Hafenkonzerte in Kooperation mit dem Freizeitzentrum Xanten am Pier 5. Die Ständchen zu Geburtstagen, Hochzeitsfeiern und Schiffstaufen, die vielen Benefizaktionen und jährlichen Ausflüge mussten ausgesetzt werden. Fast eineinhalb Jahre lang konnten die Mitglieder nicht proben. Bei einem Altersdurchschnitt von 72 Jahren gingen sie kein Risiko ein. Auch das groß geplante Fest zum 20-jährigen Bestehen mit Zusagen von Musikfreunden aus Grieth bis Hannover war geplatzt.

Jetzt sind alle Mitglieder durchgeimpft und startklar, wieder zu proben. Die Elbsegler-Mütze ist aus dem Schrank geholt und der Türkische Bund ins rote Halstuch geknotet. „So ein Seemann will eben immer möglichst bald heimkommen, doch sobald er zu Hause ist, sehnt er sich wieder nach draußen.“

(beaw)
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