Xanten Restaurierter Steinway-Flügel glänzt bei Konzertlesung

Xanten · Die Veranstaltungsreihe "Musik am Xantener Dom" präsentierte jetzt einen ganz besonderen Abend in der Michaelskapelle, bei dem nicht nur die Musik im Vordergrund stand, sondern vor allem auch das Wort und die Literatur. "Denk ich an Deutschland in der Nacht . . ." hieß die Konzertlesung von Ute Büchter-Römer, die an der Universität Köln lehrt, und Pianistin Nadja Bulatovic. Sie gestalteten den Abend mit Gedichten und Musik aus der Zeit zwischen den napoleonischen Kriegen bis hin zur deutschen Revolution 1848/49.

Bulatovic eröffnete mit der "Revolutionsetüde" von Frédéric Chopin. Rauschend und aufwühlend ist dieses 1831 komponierte Werk, elegant und kraftvoll musiziert von der Pianistin. Als wahres Schmuckstück erwies sich dabei der alte Steinway-Flügel in der Michaelskapelle. Erst kürzlich wurde er restauriert, wie der Domkantor Matthias Zangerle zuvor erläutert hatte, so dass sich zu dem charmanten antiken Äußeren ein tadelloser und charakterstarker Klang gesellte. Die "Revolutionsetüde" stimmte die Zuhörer passend auf die ereignisreichen Jahrzehnte ein, um die es gehen sollte.

Eingehend schilderte Büchter-Römer die zeitlichen Umstände nach dem Wiener Kongress 1815. Die Abschaffung der Pressefreiheit durch die Karlsbader Beschlüsse 1819 und die jugendliche Bewegung beim Hambacher Fest 1832, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzte. Diese Strebungen des sogenannten "Vormärz" enthielten aber auch soziale Fragen. Sie kritisierten die Ungerechtigkeit in der Verteilung von Besitz und Reichtum sowie Hunger, Armut und Ausbeutung der Landbevölkerung. Der Dichter Georg Büchner verarbeitete viele dieser Stimmungen in seinen Gedichten. "Hungerlied" und "Die rheinischen Weinbauern", beides Gedichte von Georg Weerth, verdeutlichten dem Publikum das Leid der Bevölkerung zu der Zeit.

Während Bulatovic die Nocturne cis-Moll von Chopin interpretierte, blieb den Zuhörern Gelegenheit, sowohl die Gedichte wirken zu lassen als auch sich durch die Magie der Musik und das wahrhaft tiefgründige Spiel von Bulatovic in die nächtlichen Stimmungen der Nocturne hineinziehen zu lassen. Dass die betreffenden Jahrzehnte auch die erste Zeit der Frauenemanzipation waren, zeigte Büchter-Römer an einigen Werken der Dichterinnen Bettine von Arnim, Louise Aston und Anette von Droste-Hülshoff. Besonders Bettine von Arnim scheute sich nicht, ihre Kritik an den Verhältnissen zu äußern und richtete sich mit ihrem Buch "Dieses Buch gehört dem König" 1843 sogar ganz direkt an Friedrich Wilhelm IV.

Mit dem letzten Gedicht des Abends, "Nachtgedanken" von Heinrich Heine (1844), machte Büchter-Römer die vorrevolutionäre Stimmung für das Publikum greifbar. Die Klaviersonate mit dem Beinamen "Appassionata" von Ludwig von Beethoven entstand zwar schon 1804/05, kann aber dennoch als wesentlich für die gesellschaftlichen Umbrüche angesehen werden.

Beethovens Kompositionsstil ist stark eigenwillig und auf die Leidenschaft des Individuums ausgerichtet, was den Bestrebungen dieser Zeit entspricht. Bulatovic verdeutlichte diesen persönlichen Willen zum Einsatz für Menschenrechte und Demokratie in ihrer ausdrucksstarken Interpretation und sorgte damit für einen grandiosen Abschluss der Konzertlesung.

(liro)
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