Der Niederrheiner RB 31: Ein Lokführer erzählt

Xanten/Rheinberg · Peter Stemmler fährt seit fünf Jahren den „Niederrheiner“. Er berichtet vom Lokführermangel, einem neuen Personaleinsatzplan, der den Mitarbeitern das Leben schwer mache, und vom Alltag auf den veralteten Strecken.

 Die maroden Strecken sorgen für Verspätungen und die wiederum für verärgerte Fahrgäste.

Die maroden Strecken sorgen für Verspätungen und die wiederum für verärgerte Fahrgäste.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Vier neue Lokführer für den Niederrhein im Frühjahr, neun weitere im Herbst. Das hat Nordwestbahn-Geschäftsführer Rolf Erfurt in der vergangenen Woche den SPD-Politikern versprochen, mit denen er sich im Landtag getroffen hatte. Eine Abmahnung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) flog der Nordwestbahn (NWB) aber trotzdem am Dienstag ins Haus. Hauptgrund: Personalmangel. Die Ankündigung, weitere Mitarbeiter einzustellen, kam zu spät. „Die neuen Lokführer, die an den Niederrhein kommen sollen, werden nicht reichen“, sagt einer, der den Alltag auf den Schienen kennt: Peter Stemmler (56) aus Goch ist Lokführer und fährt seit fünf Jahren den „Niederrheiner“ (RB 31) auf der Strecke zwischen Duisburg und Xanten und den Niers-Express (RE 10), der von Düsseldorf nach Kleve führt.

In Zeiten des Personalmangels habe der Fahrplan oft nur eingehalten werden können, weil die Lokführer Extra-Schichten übernommen hätten. „Viele Kollegen haben freiwillig an ihre fünf regulären Dienste in der Woche noch zwei oder drei weitere drangehängt“, sagt Stemmler. „Statt 39 Stunden in der Woche haben sie teilweise 45 bis 50 Stunden gearbeitet.“

Diese Bereitschaft sei in den vergangenen Wochen geschrumpft. Das liegt laut Stemmler unter anderem an der neuen Personaleinsatzplanung. Die Lokführer nehmen diese dem Unternehmen übel. „Die NWB hat seit Dezember 2018 das neue System“, so Stemmler, der auch Mitglied im Betriebsrat ist. „Früher konnten die Lokführer alle ihre Schichten für das gesamte Jahr überblicken. Zu 80 Prozent blieb es auch bei dieser Planung.“

Nun sähen sie nur noch ihre 25 freien Tage und wüssten erst einen Monat im Voraus, wann sie eine Früh- und eine Spätschicht haben, erklärt Stemmler. „Für Kollegen mit Kindern und Familie ist das Jahr so schwer planbar. Das macht es unnötig schwer und ärgert die Kollegen“, sagt der Arbeitnehmervertreter. „Diese Umstellung war ein großer Fehler der Firmenleitung. Viele Kollegen denken sich jetzt, wenn die Firma so mit uns umgeht, dann fahren wir auch nur noch die Schichten, die wir sowieso machen müssen.“ Der Betriebsrat habe bewirken können, dass die Personaleinsatzplanung doch noch ein paar mehr Informationen für die Mitarbeiter preisgibt. „Das Vertrauen hat die Firma aber erst einmal verspielt und das bekommt sie so schnell auch nicht wieder“, sagt Stemmler.

Für den „Niederrheiner“ benötige die NWB 15 Lokführer, momentan habe sie 12. Der Niers-Express brauche 33, aktuell seien es 28. Zwei davon sind seit längerer Zeit erkrankt – sie hätten Suizide auf ihren Fahrten erlebt. „Den Betrieb mit wenigen Leuten aufrecht zu erhalten, ist belastend. Viele Kollegen sind ja in der Vergangenheit eingesprungen. Oft war das körperlich aber so anstrengend für sie, dass sie krank wurden“, sagt Stemmler. „Kommt dann noch geringe Wertschätzung durch das Unternehmen hinzu, sind Mitarbeiter schneller anfällig für Krankheiten.“ Doch nicht nur das belastet die Lokführer. „Die Strecken sind veraltet“, sagt Stemmler. „In Trompet frieren beispielsweise immer die Weichen ein, beheizbare gibt es da nicht.“ Auf der Strecke zwischen Duisburg und Xanten müsse Stemmler mindestens viermal aus dem Zug aufs Gleisbett springen, um den Bahnübergang zu kontrollieren. Verspätungen seien programmiert. „Auf der Klever Strecke kommt der Zug in 80 Prozent der Fälle wegen der maroden Strecke zu spät“, sagt Stemmler. „Diesen Schuh muss sich die DB-Netz anziehen.“

Er könne verstehen, wenn die Fahrgäste wegen der Verspätungen und Ausfälle verärgert seien. „Schließlich haben sie für die Fahrt bezahlt.“ Einige ließen ihren Frust dann direkt bei den NWB-Mitarbeitern aus. „Meine Kollegen sind schon erheblich angegangen und auch angespuckt worden. Nicht jeder kann damit umgehen.“ Die Lage scheint schwierig. Ein paar Kollegen hätten auch schon gekündigt, was die Situation nicht unbedingt besser macht. „Schließlich gibt es in Deutschland einen Lokführermangel. Es gibt zu wenig auf dem Markt“, so Stemmler, der vor sechs Jahren seinen Marketing-Job verlor, dann bei der Niag eine Weiterbildung zum Lokführer absolvierte und sofort eine Stelle fand. „Die NWB hat jetzt verstanden, dass sie handeln muss, und die Ausbildungsstellen verdreifacht. Leider kommt das nur zu spät. Die Ausbildungszeit dauert ja auch noch mindestens zehn Monate.“

Ob die 13 neuen Lokführer, die NWB-Geschäftsführer Erfurt angekündigt hat, wirklich am Niederrhein landen, stehe in den Sternen, meint Stemmler. „Das setzt voraus, dass sie die Prüfung schaffen. Die Durchfallquote liegt bei 50 Prozent.“

Eine gute Nachricht: Der Krankenstand ist laut Stemmler momentan rückläufig. „Ich denke, bis zu den Osterferien ist die Lage entspannter. Dann könnte es in der Urlaubszeit wieder etwas knapper werden.“

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