Sonsbeck Nach dem Tod verklärt sich so manches Leben

Sonsbeck · Christel Hawix schmunzelt über den Wahrheitsgehalt der Totenzettel, von denen sie 18 000 Stück gesammelt hat.

 Christel Hawix mit der Sammlung von Totenzetteln. Rechts einer in der Vergrößerung und links einige Originale von um 1900.

Christel Hawix mit der Sammlung von Totenzetteln. Rechts einer in der Vergrößerung und links einige Originale von um 1900.

Foto: Armin Fischer

Christel Hawix hat oft ein Lächeln um die Mundwinkel, wenn sie einen ihrer Totenzettel zeigt. "Er hat in vergnügter Ehe gelebt", liest die Hamberin einen Satz auf einem Exemplar ihrer Sammlung vor. "Ich weiß nicht, ob das ernst oder ironisch gemeint ist. Nirgendwo wird so viel gelogen wie auf Totenzetteln." 18 000 niederrheinische Totenzettel und Todesanzeigen hat sie in den zurückliegenden 25 Jahren gesammelt - entweder im Original oder als Kopie.

100 davon heftete das Mitglied des Vereins für Denkmalpflege auf Tafeln, um sie wie zuletzt in der Gommanschen Mühle zu präsentieren. Die anderen 17 900 konnten Besucher in Aktenordnern einsehen, in denen Christel Hawix die Totenzettel alphabetisch nach dem Familiennamen geordnet hat.

"Zum 80. Geburtstag meiner Mutter, Toni Terhoeven, habe ich eine Ahnentafel angefertigt", erzählt Christel Hawix, wie sie zur Genealogie, also zur Ahnenforschung, kam. "Das war 1990. Dabei konnte ich auf eine Ausarbeitung meines Vetters Johann Terhoeven zurückgreifen. Meine Mutter war eine geborene Aengenheister. Für diese Seite gab es Aufzeichnungen von Dr. Udo Oerding." Die Ahnenforscherin wurde Gast in Gemeinde- und Stadtarchiven, wo sie weitere Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden ihrer Vorfahren kopierte.

"Früher hat eine Kopie 50 Pfennig gekostet", erzählt sie mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht. "Heute gibt es nur noch beglaubigte Kopien, die sieben Euro kosten. Zum Glück habe ich die meisten Urkunden vor der Erhöhung kopiert."

Ihr Mann, Theo Hawix, hat das neue Hobby seiner Frau anfangs genervt, bis er es schließlich unterstützt hat. "Irgendwann habe ich seine Ahnen gesucht", erklärt Christel Hawix den Sinneswandel. "Als ich einen fand, der mit drei Kreuzen unterschrieben hatte, war er sauer. Daneben stand, der Vorfahre sei des Schreibens nicht kundig gewesen." Allerdings sei das vor 150 Jahren nicht ungewöhnlich gewesen sein.

Mit der Zeit kamen die ersten Totenzettel hinzu. "Irgendwann waren es so viele, dass ich gesagt habe, jetzt sammle ich", berichtet Hawix. "Ich meine, das war 2004."

Zwei Jahre später hat sie oft diese Totenzettel in die Hand genommen, nachdem ihr Sohn Ludger nach einer Krebsoperation gestorben war. "Ich habe gesehen, dass ich nicht allein bin mit so einem Schicksal", sagt sie. "Im Krieg ist es vielen Müttern so gegangen." Heute tauscht sie auch mit anderen Sammlern Totenzettel, beispielsweise mit dem Sonsbecker Theo Laakmann. Er besitzt das Original eines Totenzettels aus dem Jahr 1589, auf dem der Tod von Heinrich Engels aus Keppeln bei Uedem bekannt gegeben wird. Dieser gilt als ältester Totenzettel am Niederrhein und war in der Mühle in Kopie zu sehen.

"Totenzettel und Todesanzeigen sind ein Abbild der Kultur unserer Heimat", sagt Christel Hawix. "Früher standen immer Vornamen und Familiennamen sowie die Namen der Eltern darauf, selbst wenn sie verstorben waren. Geburtsdatum, Geburtsort, Hochzeitsdatum, Kinder, Todesort und Todesdatum waren vermerkt. Diese Fakten waren immer richtig - im Unterschied zum Text. Heute steht in manchen Todesanzeigen nur der Vorname und das Todesdatum." Familienbild und Sterbekultur hätten sich verändert.

(got)
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