Xanten Nach Bürgerprotest: Aus für Krematorium

Xanten · Weit über 200 Bürger kamen zur Bürgerversammlung in Birten. Ein Sturm der Entrüstung zog über die Vertreter der Stadt und des Investors hinweg. Die CDU regierte noch in der Nacht. Sie will den Verkauf des Grundstücks verhindern.

 Übervoll war es im Versammlungsraum der Gaststätte "Zum Amphitheater". Thomas Janßen von der gastgebenden Bürgerbewegung Birten moderierte die Versammlung.

Übervoll war es im Versammlungsraum der Gaststätte "Zum Amphitheater". Thomas Janßen von der gastgebenden Bürgerbewegung Birten moderierte die Versammlung.

Foto: Armin Fischer

Selten hat in den letzten Jahrzehnten ein Thema die Menschen in Xanten elektrisiert wie der im Gewerbegebiet Birten geplante Bau eines Krematoriums. Der Versammlungsraum in der Gaststätte "Zum Amphitheater" vermochte die weit über 200 Zuhörern kaum aufzunehmen, die zur Bürgerversammlung gekommen waren. Was folgte, war ein Sturm sehr emotionaler Entrüstung, der über die Vertreter der Stadt und des Investors hinwegfegte. Enttäuschung über die schlechte Vorab-Kommunikation, Existenzängste, Sorgen um die Gesundheit durch Schadstoffe und Zweifel an christdemokratischer Politik bestimmten die mehr als dreistündige Diskussion. Das Projekt Krematorium in Birten scheint damit gestorben: Noch in der Nacht formulierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Pankraz Gasseling seine Pressemitteilung. Seine Fraktion fordert Bürgermeister Thomas Görtz auf, den Grundstücksverkauf nicht zu vollziehen.

Der Verwaltungschef stellte sich der Kritik der aufgebrachten Bürger. Zwar ist die Baugenehmigung erteilt, doch gegen Ende der Diskussion signalisierte er, dass er bereit sei, von dem Projekt Abstand zu nehmen und das Grundstück in dem Gewerbegebiet nicht zu verkaufen. Aber: "Diese Entscheidung werde ich nicht alleine treffen." Er will die Ratsfraktionen mit in die Pflicht nehmen. Am kommenden Woche soll der Haupt- und Finanzausschuss in einer außerordentlichen Sitzung über einen Verkauf des Grundstücks entscheiden. Für die, wie Görtz es nannte, "völlig verkorkste Kommunikation" entschuldigte er sich direkt am Anfang seiner Ausführungen.

Anwohner des Neubaus hatten nur eine emotionslose Information über das Vorhaben mit dem technischen Hinweis erhalten, dass sie gegen die Baugenehmigung eine Einspruchsfrist von vier Wochen hätten. Schnell zog das Schreiben immer weitere Kreise, viele Birtener waren wie vor den Kopf gestoßen.

Dr. Heike Pahl-Wurster führte in einem Leserbrief an die Rheinische Post gesundheitliche Gründe gegen den Bau an. Auch an diesem Abend berichtete sie von gesundheitlichen Gefahren, die nach ihrer Ansicht vom Krematorium nahe der Wohnbebauung ausgingen. "Das wäre unverantwortlich. Ich bin entsetzt", sagte sie zu den Plänen.

Die Gewerbetreibenden aus der Nachbarschaft machten in der Versammlung gemeinsam Front und wollen rechtlich gegen das Projekt vorgehen. Sie sehen ihre Existenzgrundlage gefährdet. "Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Mit uns hat keiner gesprochen", beklagt zum Beispiel Joachim Tenhaef, der einen Obst- und Gemüsegroßhandel betreibt. Nadia Leenen von der benachbarten Schreinerei nannte es "eine Unverschämtheit, so vom Bürgermeister übergangen zu werden". Jörn Tondera befürchtet für sein Hotel ebenso finanzielle Einbußen wie Kai Grabowski. Der war erst vor anderthalb Jahren mit seinem Geschäft für Lampen und Leuchten von Alpen nach Birten gezogen. Er sieht erhebliche Umsatzeinbußen. Schon jetzt hätten sich Kunden durch das Krematorium abgeschreckt geäußert.

Der Rechtsanwalt der Gewerbetreibenden, Wolfram Tacke, führte diverse Urteile aus anderen Bundesländern an. Für ihn ist der Leitsatz aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück eindeutig: "Das derzeit bestehende sittliche, religiöse und weltanschauliche Empfinden der Allgemeinheit verbietet es, die Einäscherung Verstorbener als reinen technischen Vorgang, losgelöst von der mit dem Sterbefall verbundenen Trauerarbeit der Hinterbliebenen zu betrachten. Deshalb ist auch ein Krematorium ohne Andachtsraum in einem Gewerbegebiet nicht zulässig." (AZ 2A21/09)

Die Politik hatte schon frühzeitig Kenntnis von der geplanten Ansiedlung. Bürgermeister Thomas Görtz hatte Vertreter der Fraktionen in einem informellen Gespräch darüber informiert. Niemand habe damals Bedenken gehabt. Doch offenbar, so der Tenor der Ratsmitglieder in der Versammlung, hatte niemand von ihnen die Tragweite des Projekts erfasst. Das räumten Vertreter von CDU, FBI und BBX ein. Svene-Jörk Sobolweski von der Cremtec GmbH, die das Krematorium bauen möchte, versuchte vergeblich, einigen Kritikpunkten die Spitze zu nehmen. Ein Störfall im Krematorium, das dann über einen Bypass weiterlaufe, komme nur selten vor, etwa einmal im Jahr für eine halbe Stunde. Die entstehenden Emissionsfrachten seien zu vernachlässigen.

(pek)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort