Xanten Nach BGH-Bescheid wird der Bahnhof versteigert

Xanten · Im Mai 2006 brannte der alte Marienbaumer Bahnhof nieder. Jahrelang kämpfte der Eigentümer Marcel Baier darum, dass Versicherungen ihn dafür entschädigen - ohne Erfolg. Nun wird das denkmalgeschützte Gebäude zwangsversteigert.

Xanten: Nach BGH-Bescheid wird der Bahnhof versteigert
Foto: Fischer, Armin

Es ist eine Mischung von Ohnmacht, Wut und Verzweiflung, mit der Marcel Baier und seine Familie nach jahrelangem Kampf umgehen müssen. Gemeinsam hatten sie mit viel Geld und Arbeit Anfang der 2000er den alten Bahnhof auf Vordermann gebracht, dessen belebte Geschichte nach der Stilllegung der Bahnstrecke Xanten-Kleve abrupt beendet worden war. Der Elektrotechnikmeister richtete sich dort eine Werkstatt neu ein, er träumte davon, die alte Pracht des Hauses mit Kaminen und originalgetreuen Gauben wiederherzustellen. Ein Schmuckstück sollte es werden mit drei, vier barrierefreien Ferienwohnungen. In das Projekt flossen Geld, Zeit, Liebe. Doch am Ende arbeitete Baier nur drei Jahre in dem Gebäude.

Dann kam der 13. Mai 2006. Baier nicht zu Hause. Als er zurückkam, waren seine Werkstatt, seine Wohnung, Bilder, Bücher, Dokumente, Fotos, Kleidung verbrannt. Aber obwohl festgestellt wurde, dass Einbrecher in dem Haus gezündelt hatten, zahlten die Versicherungen keinen Cent. Erst die Gebäudeversicherung nicht, dann die Hausratsversicherung und letztendlich auch noch die Rechtsschutzversicherung. Ihr, so sagte Marcel Baier einmal, sei das Prozessieren wohl zu teuer geworden. Derweil liefen die Kosten weiter. Baier musste sich eine Mietwohnung nehmen, seinen Kredit weiter abzahlen, das Gemäuer sichern ... Die Baiers verklagten die Versicherungen, zahlten dafür selbst drauf: "Und wir waren bei jeder Instanz dabei", erzählt Mutter Angelika Baier darüber, wie auch sie und ihr Mann Horst immer wieder mitgezittert haben. Letztendlich vergebens. Anfang des Jahres kam der Bescheid, dass der Bundesgerichtshof die Klage nicht zugelassen hat, "weil derartige Verfahren zu 80 Prozent negativ beschieden würden", wie Angelika Baier erzählt.

Die Folgen waren absehbar und sind richtig schmerzlich. Der Familie flatterte jetzt ein Brief des Amtsgerichts Rheinberg mit einem Anordnungsbeschluss ins Haus: Für das Haus ist im Grundbuch eine Bank eingetragen, innerhalb von gut sechs Monaten soll dann der Termin für eine Zwangsversteigerung stehen. In der Zwischenzeit können eventuell noch nötige Papiere wie Wertgutachten erstellt werden. Marcel Baier weilt derzeit vorübergehend auf einer Baustelle im Ausland. Angelika Baier, deren Sohn derzeit ein ganzes Stück von seiner Heimat entfernt arbeitet muss schon arg schlucken, als sie von dieser Nachricht berichtet.

Der Zeitrahmen ist damit noch nicht beschrieben. Nicht selten gibt es bei einem solchen Versteigerungstermin nicht sofort einen Zuschlag, so dass bisweilen mehrere Sitzungen anberaumt werden müssen. Dennoch: Ein Ende sei absehbar, sagt der Technische Beigeordnete im Rathaus, Niklas Franke. Für Stadtplaner sei das bei allem Mitgefühl ein Silberstreif am Horizont. "Denn, um ehrlich zu sein, die Bauruine ist jetzt lang genug ein Schandfleck mitten im Ort" sagt Franke.

Für das Gelände gebe es die Vorgabe, dass es im Innenbereich liegt und sich eine zukünftige Bebauung der Umgebung anpassen soll. "Das wären dann zwei Wohnbaugebiete", so der Beigeordnete; eine Gaststätte wäre allerdings auf diesem Gelände auch zulässig.

Und dann ist da noch der Denkmalschutz. Aus der Liste müsse die Stadt erst im Einvernehmen mit der Denkmalpflege das Gebäude entlassen. Das wiederum setzt voraus, dass der Bau- und Planungsausschuss erst einen entsprechenden politischen Beschluss über den alten Anziehungspunkt fasst.

Bis in den Krieg hinein war der Bahnhof nämlich Dreh- und Angelpunkt für Handel und Arbeit in der weiteren Umgebung. Die Bahn war das Verkehrsmittel schlechthin. Das Ende kam, als in den letzten Kriegsmonaten von Marienbaum aus Panzer und schweres Gerät zur Schlacht um den Hochwald aus von der breiten Rampe rollten, was schließlich die Bombardierung Marienbaums zur Folge hatte. Und nach dem Krieg war es dann ein örtlicher Viehzüchter, der seine Rinder eben diese Rampe hinauftrieb. Das Ziel der Fahrt: der Schlachthof in Duisburg-Meiderich.

(RP)
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