Aufarbeitung des Missbrauchsskandals Weihbischof Lohmann dringt auf Reformen

Xanten/Niederrhein · Rolf Lohmann erachtet als wichtigstes Ziel der am Donnerstag startenden Synodalversammlung die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Professor Klaus Große Kracht, Mitautor der MHG-Studie, sieht strukturelle Ursachen.

 Weihbischof Rolf Lohmann

Weihbischof Rolf Lohmann

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Vor Beginn der vierten Synodalversammlung hat sich Weihbischof Rolf Lohmann, Regionalbischof für den Niederrhein und den Kreis Recklinghausen im Bistum Münster, zu seinen Erwartungen geäußert und die Wichtigkeit von Reformen in der Kirche betont. Die Versammlung trifft sich von Donnerstag, 8., bis Samstag, 10. September, in Frankfurt am Main.

„Ich hoffe auf ein offenes, intensives Ringen um die Themen und schließlich auf eine gute und starke Mehrheit für die Texte, die zur Verabschiedung stehen“, sagt Lohmann. Nur so könne es gelingen, einen „glaubwürdigen und authentischen Weg zu gehen“ und am Ende auch wieder Vertrauen zurückzugewinnen. Wichtigstes Ziel sei nach wie vor die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals: „Die Themen, die wir besprechen, stehen alle in Zusammenhang mit dem Missbrauch, das hat die MHG-Studie klar gezeigt und da müssen wir handeln“, sagt Lohmann. Daher sei die Aufarbeitung des Skandals untrennbar mit Reformen verbunden. „Wir müssen ernst machen mit den Reformen“, unterstreicht der Weihbischof, „das ist das, was uns die Menschen sagen.“

Die nicht abnehmende Zahl der Kirchenaustritte, auch von Mitgliedern aus der Mitte der Gemeinde, zeige die große Unzufriedenheit. „Es kann sich nur etwas ändern, wenn wir zuhören und das Volk Gottes zum Zug kommen lassen“, ist er sich sicher. Die Warnungen vor Veränderungen könne er nicht verstehen, sagt Lohmann. „Wir sollten als Kirche dankbar sein, dass in einer offenen Art und Weise miteinander gesprochen und gerungen wird um richtige Antworten aus der Botschaft des Evangeliums, und ich bin dankbar, dass sich so viele Menschen mit einbringen.“ Es gehe darum, einen „guten Weg zu finden, am Reich Gottes weiterzubauen, denn das ist unser Auftrag. Daher ist es wichtig, dass diese Synodalversammlung zeigt, dass wir zu Veränderungen bereit sind.“

Aus Rom erwarte er in der aktuellen Situation „Hilfe und Unterstützung“, denn beim Synodalen Weg gehe es um die Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit der Kirche. „Es geht nicht darum, uns zu trennen. Wir sind absolut verbunden und verwoben mit der Universalkirche, das soll auch auf Dauer so bleiben“, stellt Weihbischof Lohmann klar. Dennoch erwarte er eine Stärkung der Ortskirche, wie sie der Papst bereits versprochen habe.

Um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zu vermeiden, könnten im Kirchenrecht verbriefte Grundrechte der Gläubigen hilfreich sein. Das hat Professor Klaus Große Kracht am 2. September in Münster betont. Auf der gemeinsamen Sitzung des Kirchensteuerrates und des Diözesanrates des Bistums Münster informierte der Historiker über die strukturellen Ursachen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, die sich aus der im Juni veröffentlichten Studie für das Bistum Münster ableiten lassen.

Große Kracht ist einer der Autoren der Studie. Für den Historiker liegt eine zentrale strukturelle Ursache des sexuellen Missbrauchs in der Kirche in einem System der „organisierten Unverantwortlichkeit“. In der Vergangenheit sei in der Kirche – wenn überhaupt – nur verdeckt über sexuellen Missbrauch gesprochen worden, „und es war unklar, wer die Verantwortung der Intervention hatte“, sagte Große Kracht. Er warb für klare Verantwortlichkeiten und für eine externe, unabhängige Kontrolle: „Auch braucht es mehr Bürokratie im Sinne einer professionellen Aktenführung, Unterschriften-Regelungen und Übergabeprotokollen. Bürokratie verhindert Korruption.“

Große Kracht machte zudem deutlich, dass es in der Vergangenheit das Hauptziel kirchlicher Verantwortungsträger gewesen sei, Tätern die Fortführung ihrer priesterlichen Existenz zu ermöglichen. „Der Schutz des Sakramentes stand vor dem Schutz der Gläubigen“, sagte er.

Als weitere Ursachen sexuellen Missbrauchs benannte er einen Klerikalismus, der dem Priester stets unkritisch als Respektsperson begegnete, das Autoritätsgefälle zwischen Priestern und Laien, die katholische Sexualmoral und kirchliche Kindheitsvorstellungen. Der Historiker sprach sich dafür aus, in der Präventionsarbeit nicht nur auf pädophil veranlagte Täter zu schauen, also auf Täter, deren primäres sexuelles Interesse Kindern vor der Pubertät gilt. Stattdessen müsse auch der regressive Tätertyp beachtet werden.

Dieser Tätertyp befriedigt seine sexuellen Bedürfnisse mit Kindern, weil diese ihm unterlegen sind und keine Bedrohung für sein Selbstwertgefühl darstellen. Ebenso müsse der „pastorale“ Tätertyp in den Blick genommen werden. Diesen beschrieb der Historiker dahingehend, dass Priester Jugendliche in pastoralen Bezügen von sich abhängig machen, weil es in Kirche und Seelsorge „asymmetrische Machtkonstellationen“ gibt. Schließlich unterstrich Große Kracht die Notwendigkeit, Kinder zu selbstbewussten Personen zu erziehen, sie stark zu machen und ihnen zu vermitteln, dass sie auch „Nein“ sagen dürfen.

(RP)
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