41 Jahre Schuldienst in Sonsbeck, Xanten und Alpen Mister Inklusion nimmt Abschied

Sonsbeck · Nach 41 Jahren im Schuldienst geht Martin Nenno in den Ruhestand. Er prägte nicht nur die Sonsbecker Grundschule, sondern auch das Förderzentrum in Xanten und die Bönninghardt-Schule. Vor allem eine starke Gemeinschaft war ihm immer wichtig.

 Martin Nenno hat zum Abschied ein Foto von allen Grundschülern erhalten, die gemeinsam die Initialen des Sozialpädagogen und Schulnamensgebers Johann Hinrich Wichern bildeten.

Martin Nenno hat zum Abschied ein Foto von allen Grundschülern erhalten, die gemeinsam die Initialen des Sozialpädagogen und Schulnamensgebers Johann Hinrich Wichern bildeten.

Foto: ja/Arnulf Stoffel (ast)

Er braucht einige Sekunden, um sich zu fassen. „Puh, das war überwältigend“, sagt Martin Nenno mit heiserer Stimme, nachdem 253 Jungen und Mädchen für den Mann im Mittelpunkt der Manege ein selbst geschriebenes Abschiedslied gesungen hatten. „Wir stehen nun hier und singen für Dich, bald hast Du Deinen letzten Schultag erreicht. Wir sagen Dir tschüss und winken dabei, und hoffen, dass Du mal an uns denkst“, heißt es darin. Er wird an die Kinder denken, so viel ist gewiss. Der Platz alleine im Zentrum passt eigentlich nicht zu Nenno. Bevor der scheidende Schulleiter ins Rampenlicht zitiert wurde, wählte er ein Eckchen in den Zuschauerreihen. Zwischen Kindern und Lehrern; als einer von ihnen; als Teil einer Gemeinschaft.

41 Jahre lang hat sich der Pädagoge für eine lebendige Gemeinschaft eingesetzt. Und die schließt seiner Ansicht nach niemanden aus, sondern lebt von der Vielfalt. An der Ebertschule in Kostenpflichtiger Inhalt Kamp-Lintfort wirkte der gebürtige Saarländer acht Jahre lang an dem Schulversuch „Integrationsklassenmodell“ mit. Danach war er als Sonderschullehrer an der Bönninghardt-Schule in Alpen tätig, ehe Nenno 2001 die Leitung des Engelbert-Humperdinck-Förderzentrums in Xanten übernahm. Die 1966 gegründete Xantener Schule hatte eine Vorreiterrolle der Lernstätten: Sie war das erste Förderzentrum in NRW. 2016 wurde sie nach 55 Jahren sonderpädagogischer Arbeit geschlossen. Eine Gesetzesänderung in NRW sah vor, Förderschulen zu reduzieren und das gemeinsame Lernen auszuweiten.

„Inklusion geht einen Schritt weiter als die Integrationspädagogik zur Zeit des Xantener Förderzentrums“, bekräftigt Nenno. „Inklusion ist eine Chance, die in der Gemeinschaft von Schülern und Schülerinnen sowie Lehrern und Lehrerinnen vorhandenen Formen von Vielfalt zu erkennen, wertzuschätzen und zu nutzen. Eine inklusive Schule, eine Schule des gemeinsamen Lernens, steht für alle Kinder offen.“

Die Verabschiedung fand im Zelt des Zirkus Rondel statt, der derzeit mit den Grundschülern trainiert. 

Die Verabschiedung fand im Zelt des Zirkus Rondel statt, der derzeit mit den Grundschülern trainiert. 

Foto: ja/Arnulf Stoffel (ast)

Diesen Anspruch wollte Nenno an der Johann-Hinrich-Wichern-Schule fortsetzen. Im August 2015 übernahm er die Leitung der Sonsbecker Grundschule, leitete aber fast noch ein ganzes Jahr das Förderzentrum bis zur Schließung kommissarisch weiter. Mehrarbeit scheute Nenno nie. Ebenso wenig, klar Stellung zu beziehen. Erst kürzlich gab er in der Debatte um drei mögliche Gebäude-Varianten für den OGS-Ausbau seinen Favoriten bekannt. In Sachen Inklusion betonte er immer wieder die Notwendigkeit ausreichenden Personals. Mit Erfolg. „Ich bin froh, dass wir in diesem Jahr für die Sonsbecker Grundschule eine Sozialpädagogin einstellen konnten, die für die Kinder der Schuleingangsphase zuständig ist“, sagt Nenno und dankt für eine „immer konstruktive Unterstützung der Schulträger und für eine immer angenehme Zusammenarbeit mit seinen Lehrerkollegien“.

Zugleich verweist er aber auf künftige Herausforderungen: „Das gemeinsame Lernen von allen Kindern, das heißt von Kindern mit Migrationshintergrund, von Flüchtlingskindern, aktuell von ukrainischen Kindern, von Kindern mit besonderen Begabungen und welchen, denen das Lernen nicht so leicht fällt, die sich nur schwer an Regeln halten können, erfordert eine Schul- und Unterrichtskultur, bei der das Kind auch in den Mittelpunkt aller Bildungsprozesse rücken muss.“

Er selbst hat immer versucht, nicht von oben herab zu leiten, sondern die Schülerinnen und Schüler einzubeziehen. Gleich nach seinem Start in Sonsbeck gründete Nenno das Schülerparlament. Dabei kommen regelmäßig die Klassensprecher der zweiten bis zur vierten Jahrgangsstufe zusammen, um Anliegen vorzutragen und gemeinsam über die Entwicklungen des Schullebens zu beraten. Die Entscheidung für ein Kletterrondell beispielsweise haben die Kinder selbst getroffen. Mit dem neuen Projekt „Streitschlichter“ sorgen sie selbst für ein friedliches Miteinander in den Pausen.

In einer inklusiven Gesellschaft, wie Nenno sie vorlebte, wird niemand ausgeschlossen, auch die Kinder in den Entscheidungsprozessen der Erwachsenen nicht.

(beaw)
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