Buchautorin in Wesel Am Rhein mit Heidenreich

Niederrhein · „Alles fließt“ heißt das aktuelle Erfolgs-Sachbuch von Elke Heidenreich. Darin erzählt sie auch vom Zauber dieses Landstrichs namens Niederrhein. Bald liest sie in Wesel.

 Autorin Elke Heidenreich

Autorin Elke Heidenreich

Foto: Stadt Krefeld/Leonie von Kleist

Wenn der Niederrheiner fortan nach Selbstvergewisserung sucht, wenn er eine Referenz dafür haben will, dass er an einem schönen Landstrich wohnt, dann sollte er das neue Buch von Elke Heidenreich lesen. „Alles fließt“ heißt das Werk, und auf Seite 235 kommt die Frau endlich zum Punkt. Sie landet endlich dort, wo sie es am Rhein am schönsten findet. Elke Heidenreich erzählt vom Niederrhein. Sie schreibt: „Und dann wird alles so weit, so breit, so ruhig, so riesig, als wären wir mitten auf dem Meer.“ Der Niederrhein, so schreibt sie, sei ihr „mit weitem Abstand die liebste Strecke“ am Rhein. Hier sei er freundlich und weit, hier sei er Fluss und Meer zugleich,

Zur Erklärung: Elke Heidenreich wurde in Essen geboren, sie wuchs in Bonn auf. Mit diesem Abstand kann man den Niederrhein schon mal für das Meer halten; diesen Landstrich, an dem sich der liebe Gott nicht einmal besondere Mühe geben musste, weil er den Niederrhein hinlegte und platt bleiben ließ. Diese weite Ebene ist gut fürs Karma, weil man in diesem flachen Land so gut runterkommt. Heidenreichs Leistung: Sie setzt auf ihrer Reise all die Städte und Regionen rechts und links des Rheins miteinander in Verbindung. Sie hat diesen mächtigen Fluss, 1200 Kilometer lang, durch sechs Länder führend, gemeinsam mit ihrem fotografierenden Partner Tom Krausz von seinen Quellen bis ans Ende an die Nordsee begleitet, hat verschiedene Verkehrsmittel genutzt, ist manchmal ins Staunen geraten, und manchmal ließ sie der Fluss auch schaudern. Nicht immer ist der Ton romantisierend. Manchmal sagt Heidenreich auch unverblümt, wo es ihr nicht gefällt. Immer wieder schiebt sie in diesem Buch das ein, was andere – noch berühmtere – Autoren über den Niederrhein verfasst haben. So ist es ihr gelungen, ein Sachbuch zu schreiben, das einen besonders als Rhein-Anrainer fesselt, weil man so viel Unbekanntes über den eigentlich so bekannten Fluss erfährt – und weil Krausz Bilder gemacht hat, die die Geschichte des Rheins noch einmal neu erzählen.

Die Ausgangsfrage für Heidenreich ist die, die auch die Schlagerwelt in den Zwanzigern schon bewegte: „Warum ist es am Rhein so schön?“ Heidenreich musste dieses Lied ihrem Opa Albert immer auf dem Schifferklavier vorspielen. So etwas prägt.

Im Kanton Graubünden entspringt der Rhein in zwei Quellen. Heidenreich und Krausz haben diesen Landstrich besucht, sind weiter zum Bodensee und nach Basel gefahren, haben den Rheinfall von Schaffhausen gesehen – und man überinterpretiert nicht, wenn Heidenreich diesen Besuch als kleinen Reinfall bezeichnet.

Sie erzählt die Geschichte vom Rhein als Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich. Und immer wieder landet sie beim Liedgut, etwa da, als sie den Schlager von Kurt Adolf Thelen zitiert: „Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett gesehen/ ja der hat’s wunderschön/ der braucht nie aufzustehen/ Und rechts und links vom Bette/ da steht der beste Wein/ ach wäre ich doch nur der alte Vater Rhein!“ Wein, Rhein und Gesang – das waren zu allen Zeiten schon gute Zutaten für ein erquickliches Leben.

Natürlich streift Heidenreich auch das Ruhrgebiet, ihre Heimat, die ja nur in Duisburg so richtig den Rhein tangiert. Der Fluss ist hier Logistikdrehscheibe, Arbeitsstätte, keine Zierde.

Und dann beginnt es, das Kapitel über die Schifffahrt am Niederrhein. Jener Landstrich, der auch Elke Heidenreich verzückt. Natürlich kommt sie auf Hanns Dieter Hüsch und seine Niederrheintypen zu sprechen, auf die Schlottmanns, auf Ditz Atrops und Hein Lindemann. Hüschs Niederrheiner: „Er steht zutiefst traurig in der Gegend unter den tiefen Wolken herum und philosophiert sich zugrunde.“ Heidenreich weiß solche Geschichten zu zitieren, weil sie eben eine besondere Verbindung zum Niederrhein hat. Als Kind, so berichtet sie, sei sie in Emmerich zu Besuch gewesen, „und glücklich“. Bei Wesel wiederum, so berichtet sie im Buch, sei sie verzückt worden vom „römischen Aquädukt“. Begleiter Tom habe sie da mitleidig angeschaut und darauf verwiesen, dass dies nur die alte Eisenbahnbrücke von Wesel sei. „Sieht doch irgendwie römisch aus“, kontert Heidenreich. Vielleicht sollten die Menschen im Weseler Stadtmarketing hier genauer lesen. Vielleicht findet sich ja noch irgendein Beleg für eine römische Traditionslinie der Eisenbahnbrücke – und zack: gäbe es einen neuen Tourismusmagneten.

Bei Kalkar liegt wieder eine dieser unschönen Kulissen dieses Niederrheins. Der ehemalige Schnelle Brüter, obwohl mittlerweile Freizeitpark, bleibt ein architektonisches Monster. Er steht am Rhein wie ein versehentlich umgekippter Eimer. Wer weiß: Vielleicht hätte die Atomkraft ein paar Jahre länger Bestand, wenn man sich vor dem Bau wenigstens ein paar ästhetische Gedanken gemacht hätte. Heidenreich kommentiert süffisant: „Das waren nicht die Römer.“

Als sie den Niederrhein schließlich wieder verlässt – nachts, im Schiff, als sie in Holland ankommt – da zerteilt sich der Rhein in Waal und Lek. Hier verschwimmen die Grenzen, hier verschwimmt der Rhein. Pappeln, Kühe – und irgendwann Amsterdam.

Mit einem schönen Vergleich lässt Heidenreich ihr Buch enden. „Das Knäblein, das wir im Gebirge haben entspringen sehen, wurde zum Jungen, der von zuhause abhaut und mal kurz im Bodensee verschwindet, zum Jüngling, der beim Rheinfall noch mal alle Wildheit rauslässt, zum Vater Rhein mit vielen Töchtern und Söhnen in Form von Nebenflüssen, einem Vater, der mehr als tausend Kilometer demütig und zuverlässig im Transportwesen arbeitet, alles trägt und erträgt, was man ihm aufbürdet, und jetzt ist er fast am Ziel. Er ist fast am Meer.“ Dort, wo der Rhein nicht mehr richtig Rhein ist, meint sie einen alten Menschen zu erkennen, der seinen Namen vergisst. Rhein? Bovenrijn? Nederrijn? Lek? Waal? In einem großen Delta ergießt sich der Rhein in die Nordsee. Und Heidenreich? Sie erkennt am Ende ihrer Reise, dass dieser Fluss ihre Identität prägt: Vom stoischen Rhein werde sie „sanfter Güte ruhig dahin getragen.“

Wer vom Niederrhein kommt, der kennt das Gefühl. Man kann noch so oft über Brücken fahren. Immer wieder schaut man staunend nach unten auf den mächtigen Fluss. Der Rhein, ein treuer Begleiter.

  Elke Heidenreich (l.) liest in Wesel. Oben: Die längste Hängeseilbrücke Deutschlands in Emmerich. Unten: alte Eisenbahnbrücke bei Wesel.

Elke Heidenreich (l.) liest in Wesel. Oben: Die längste Hängeseilbrücke Deutschlands in Emmerich. Unten: alte Eisenbahnbrücke bei Wesel.

Foto: Jana Bauch (jaba)
 Rheinbrücke Emmerich  Motiv Kalender 2018  Unser Niederrhein von oben Foto Drohne / Fotodrohne  Foto: Andreas Krebs

Rheinbrücke Emmerich Motiv Kalender 2018 Unser Niederrhein von oben Foto Drohne / Fotodrohne Foto: Andreas Krebs

Foto: Krebs, Andreas (kan)

Info: Die Weseler Buchhandlung Korn wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. In diesem Kontext liest Elke Heidenreich am Mittwoch, 19. September, 19.30 Uhr, im Weseler Lutherhaus, Korbmacherstr. 12 - 14 aus ihrem neuen Buch „Alles fließt“ vor. Am Klavier begleitet sie Marc Aurel Floros. Eintritt: 18 Euro, erhältlich in den Buchhandlungen von Korn in Wesel und Dinslaken.

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