Von Frau Zu Frau Jeden Tag von Essen nach Xanten und zurück

Xanten · RP-Redakteurin Katharina Mehles spricht mit Stadtplanerin Christina Kutschaty übers Pendeln, Familienleben und prägende Erlebnisse.

 RP-Redakteurin Katharina Mehles (li.) und Christina Kutschaty pendeln beide von Essen an den Niederrhein.

RP-Redakteurin Katharina Mehles (li.) und Christina Kutschaty pendeln beide von Essen an den Niederrhein.

Foto: Christoph Reichwein

Von Frau zu Frau, das sind Gespräche mit Frauen, die etwas zu erzählen haben. Junge Frauen, alte Frauen. Frauen, mit denen wir, die Frauen der RP-Redaktion Xanten/Rheinberg in irgendeiner Weise Parallelen haben.

Eine davon ist Christina Kutschaty. Die 48-Jährige ist Xantens Stadtplanerin, Mutter von drei Kindern und Ehefrau des NRW-Landtagsabgeordneten und ehemaligen Justizministers der Regierung Kraft, Thomas Kutschaty (SPD).

Frau Kutschaty, im Vorfeld unseres Gespräches habe ich überlegt, was wir beide auf den ersten Blick gemeinsam haben. Ich bin Essenerin, muss auf dem Weg zur Arbeit immer über die A 40. Sie kommen doch auch aus Essen, oder?

Kutschaty Ja, wir wohnen in Essen-Schönebeck. Das bedeutet natürlich, dass ich zur Arbeit pendeln muss. Und nach Xanten geht das ja nur mit dem Auto, in meinem Fall jeden Tag über die A 42.

Wie lange brauchen Sie?

Kutschaty So 50 Minuten ...

Was mir hilft, ist, dass ich nicht immer auf die Minute genau morgens da sein muss. Wenn es zu Hause also mal nicht so schnell geht oder die Abgabe meines Sohnes in der Kita mal etwas länger dauert, ist das nicht so schlimm. Sie haben sogar drei Kinder. Wie schaffen Sie das?

Kutschaty Meine Söhne sind schon groß. Der Älteste studiert in Halle, der Mittlere hat gerade Abitur gemacht. Unsere Jüngste ist zehn Jahre alt. Mein Mann und ich waren jetzt sogar zum ersten Mal wieder allein im Urlaub, die Großen sind mit der Uni und dem Führerschein beschäftigt, die Kleine war mit den Pfadfindern weg. Im Alltag habe ich viel Hilfe von meiner Mutter und meiner Schwiegermutter. Ohne sie wäre das nicht möglich.

Ja, das kenne ich. Ohne meine Schwiegereltern würden wir es auch oft nicht hinbekommen.

Kutschaty Als ich 2001 in Xanten voll angefangen habe, waren die Kinder noch klein, da war das noch nicht so einfach wie heute. Da war es auch noch nicht so normal, dass Kinder ganztags betreut wurden. Ich hab' damals versucht, einen Teil in Heimarbeit hinzubekommen. Dann habe ich auf 30 Wochenstunden reduziert, das geht richtig gut.

Die Fahrtzeit kommt natürlich immer noch drauf.

Kutschaty Das stimmt, aber das ist alles eine Frage der Organisation. Auch mein Mann beteiligt sich bei uns natürlich am Haushalt. Ich finde, jede Frau sollte für sich selbst sorgen können. Man weiß nie, ob man mit dem Partner wirklich für immer zusammenbleibt und selbst wenn, können einen Schicksalsschläge treffen, die dann im schlimmsten Fall in der Altersarmut enden. Ich habe immer gearbeitet. Das erste Kind habe ich während meines Studiums bekommen. Mein Mann hat damals in seiner Zeit als Rechtsreferendar beim Land Elternzeit genommen, damit ich meine Diplom-Arbeit schreiben konnte. Damals war das wirklich außergewöhnlich. Ich weiß noch, wie er mit dem Antrag nach Hause kam: Der war ausschließlich in der weiblichen Form gehalten.

Das ist heute anders. Ich habe auch männliche Kollegen, die Elternzeit genommen haben, das wäre vor einigen Jahren noch ziemlich unvorstellbar gewesen.

Kutschaty Wissen Sie, was lustig ist? Bei unseren älteren Kindern haben mich manche anderen Mütter für eine "Rabenmutter" gehalten, weil ich schnell wieder arbeiten gegangen bin. Bei unserer jetzt zehnjährigen Tochter habe ich die vollen drei Jahre Elternzeit genommen, und da haben mich andere Mütter dann gefragt, warum ich denn so lange zu Hause bleibe (lacht). Das war damals eine schöne Zeit, aber ich habe auch festgestellt, dass ich zur Hausfrau nicht geboren bin. Aber als arbeitende Mutter gehört das schlechte Gewissen auch irgendwie dazu.

Ja, das bekommt man doch quasi mit der Geburt des Kindes gratis mitgeliefert.

Kutschaty Ich habe unseren Ältesten mal gefragt, ob es ihn mal gestört hat, dass ich gearbeitet habe. Manchmal schon, hat er gesagt, aber eigentlich seien wir Eltern, die sich immer für ihre Kinder interessiert haben und das sei nicht selbstverständlich.

Das ist doch ein großes Kompliment. Um Stadtplanerin zu werden, was haben Sie dafür eigentlich studiert?

Kutschaty Ich habe Raumplanung in Dortmund studiert und wollte eigentlich immer in den Bereich Grünplanung. Vor dem Studium hatte ich nämlich eine Ausbildung als Gärtnerin gemacht. Ich habe mich dann aber doch für den Bereich Stadtplanung entschieden. Das Referendariat fand für mich in Gelsenkirchen statt. In Xanten habe ich mich danach beworben, weil ich es toll finde, dass man in einer kleineren Gemeinde Generalist ist, man lernt nicht nur einzelne Bereiche kennen wie in der Großstadt. Meine erste Aufgabe damals war die Planung einer Umgehungsstraße. Ich weiß noch, wie es war, als ich als Großstadtmensch das erste Mal in Xanten auf dem Marktplatz gestanden habe. Hier ist aber immer viel Spannendes passiert, die Arbeit macht mir großen Spaß.

Das kann ich gut verstehen, deshalb arbeite ich auch gern in einer Lokalredaktion, da ist man nicht beschränkt auf ein Ressort. Braucht man eigentlich ein Parteibuch, um Stadtplanerin zu werden?

Kutschaty Ich engagiere mich schon seit Jahren in der SPD, bei den Jusos habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Aber das Parteibuch hat bei der Arbeit nie eine Rolle gespielt, ich trenne das komplett. Wie war das für Sie als Ruhrgebietskind zur RP und an den Niederrhein zu kommen?

Ich bin als Praktikantin in der Redaktion Duisburg zur Rheinischen Post gekommen. Meine erste Redakteursstelle hatte ich in Kleve und ich muss schon sagen, das war erstmal eine ganz neue, aber auch spannende Welt für mich. Jetzt arbeite ich für die Xantener Ausgabe am Newsdesk in Moers, da bin ich ja schon wieder näher an das Ruhrgebiet gerückt. Was hat Sie eigentlich geprägt, außer, dass Sie ein Kind des Ruhrgebiets sind?

Kutschaty Ich bin halbe Griechin, mein Vater war als Tiefbauer mit der Aktion Sühnezeichen auf Kreta. Er hat dort im Bergdorf Kandanos im Haus des Bürgermeisters gewohnt. Dort war auch meine Mutter zu Gast, so haben sich die beiden kennengelernt. 1968 ist meine Mutter nach Deutschland gekommen. Als ich in die Grundschule kam, habe ich mir immer gewünscht, blonde Haare zu haben. Ich war nämlich das einzige Mädchen mit dunklen Haaren.

War das damals noch so außergewöhnlich?

Kutschaty Ja und die Grundschulzeit war auch echt schwierig. Meine Lehrerin hat damals gemeint, ich solle auf eine Hauptschule gehen. Von dort bin ich nach zwei Jahren mit guten Noten zum Aufbaugymnasium gewechselt. Das war eine tolle Schule und eine große Chance für viele Migranten. Wenn es die Möglichkeit nicht gegeben hätte, wäre ich sicher heute nicht da, wo ich jetzt bin. Das hat mich stark geprägt.

Sprechen Sie auch griechisch?

Kutschaty Ja, bis heute spreche ich mit meiner Mutter griechisch, aber ich kann es nicht so gut lesen und schreiben.

Was ist denn griechisch an Ihnen?

Kutschaty Ich denke, auf jeden Fall mein Temperament. Meine Pünktlichkeit ist dagegen ziemlich deutsch.

Wie ist es als Halbgriechin, kann man sich da aus beiden Welten einfach das Beste aussuchen?

Kutschaty So einfach ist es leider nicht. Ich fühle mich hier schon als Deutsche. Wenn ich dann im Urlaub auf Kreta bin, fühlt sich das an wie das Zuhause für die Seele, aber nicht für den Kopf. Ich erinnere mich an eine Situation in meiner Kindheit: Der Bruder meiner Mutter war mit der Tochter des Bürgermeisters von Kandanos verheiratet, wir gehörten also zur Familie und waren dort zu Besuch. Der Bürgermeister hat regelmäßig ehemalige Wehrmachtssoldaten in sein Haus eingeladen. Und das, obwohl auch er im Krieg sehr unter der Nazi-Besetzung gelitten hatte. Ich weiß noch, dass ich hinter der Tür stand, und obwohl ich ja selbst eine Deutsche bin, dachte: Wie kann er die nur in sein Haus lassen?

KATHARINA MEHLES FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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