St.-Gerebernus-Kapelle in Sonsbeck Kirchenbänke im Ausverkauf

Sonsbeck · Gegen eine Spende können sich Bürger die Sitzbänke aus der Gerebernus-Kapelle in Sonsbeck nach Hause holen. Die Katholische Kirchengemeinde will mit der Aktion Platz schaffen – auch für neue Formen der Glaubensbekundung.

Pastor Günter Hoebertz sitzt auf einer von noch elf verbliebenen Kirchenbänken, die gegen eine Spende abgeholt werden können.

Pastor Günter Hoebertz sitzt auf einer von noch elf verbliebenen Kirchenbänken, die gegen eine Spende abgeholt werden können.

Foto: Wyglenda

Zu Mittag hat David Riedel heute auf einer Kirchenbank gegessen. Auch seine Frau und die beiden Kinder fanden auf dem gotteshäuslichen Gestühl Platz. Doch statt Brot und Wein gab es frische Küche vom heimischen Herd. Statt auf einen Altar zu schauen, blickte die Familie in den eigenen Garten. Das gut vier Meter lange Kirchen-Möbel steht neuerdings auf der Terrasse des Sonsbecker Einfamilienhauses. Erst am Vorabend holte David Riedel es zusammen mit dem befreundeten Tischler Michael Habbel aus der Gerebernus-Kapelle. Wer nun an „Bankräuber“ denkt, an Blasphemie, dem sei gesagt: Der Umzug geschah mit dem Segen von oben. Denn die Katholische Kirchengemeinde St. Maria Magdalena gibt die Bänke aus dem Gotteshaus derzeit an Privatleute ab. Gegen eine Spende kann sich jeder ein Stück Sonsbecker Kirchengeschichte in die heimischen vier Wände holen.

„Wir haben im Kirchenvorstand vier Jahre lang überlegt, wie man die Gerebernus-Kapelle erhalten und nutzen könnte“, sagt Pastor Günter Hoebertz. „Die massiven Sitzbänke, die sperrig sind und eng beieinander stehen, nehmen aber viele Möglichkeiten“, erklärt er weiter. Die Idee entstand, statt der nur schwer verrückbaren Kirchenbänke auf stapelbare Stühle zu setzen. „Die Stühle können klassisch in Reihe gesetzt werden, aber auch zu einem Kreis angeordnet oder ganz weggeräumt werden“, so Hoebertz.

 David Riedel hat das gerade Kirchen-Möbel zusammen mit dem befreundeten Tischler Michael Habbel zur Eckbank für die Terrasse umgebaut.

David Riedel hat das gerade Kirchen-Möbel zusammen mit dem befreundeten Tischler Michael Habbel zur Eckbank für die Terrasse umgebaut.

Foto: Riedel

Damit will die Kirchengemeinde auf die sich veränderten Bedürfnisse der Gläubigen eingehen. „Diese Flexibilität erlaubt uns, dass sich beispielsweise bei Kinder-Gottesdiensten die Teilnehmer gegenüber sitzen, dass Jugendbands Platz für ihre Auftritte haben“, erklärt der Pastor. Auch Taizé-Gebete sollen künftig in der Gerebernus-Kapelle stattfinden können. Und dabei sitzen die Gläubigen oftmals auf Kissen oder Decken. Die Kosten für die 80 neuen Stühle belaufen sich auf 12.000 Euro, die über Spenden generiert werden konnten.

Ein bisschen Wehmut schwingt bei dem Pastor allerdings mit, wenn er auf die größer werdenden Lücken in der Kirche blickt. „Natürlich hängt man an solchen Kirchenelementen, doch wir müssen uns als Kirchengemeinde einfach der Zukunft stellen“, sagt Hoebertz. „Wenn wir für die Leute noch eine Relevanz haben möchten, dann müssen wir stärker auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen.“ Demnach überwiege bei ihm die Spannung, wie sich die neue Bestuhlung auf das Glaubensleben auswirken wird. „Ich glaube, dass wir damit die Gerebenus-Kapelle nicht nur erhalten, sondern auch wieder richtig ins Leben holen können.“

 Christiane und Thomas Grütters haben sich die kleinste Kirchenbank aus der Gerebenus-Kapelle gesichert. Sie dient nun als Klönbank vor der Haustür.  Foto: Grütters

Christiane und Thomas Grütters haben sich die kleinste Kirchenbank aus der Gerebenus-Kapelle gesichert. Sie dient nun als Klönbank vor der Haustür. Foto: Grütters

Foto: Grütters

Diese Intention stieß bei den Sonsbeckern auf Zuspruch. Schließlich stellt das Kleinod am Balberg die Ur-Kirche der Gemeinde dar, die nach der Loslösung von der Mutterpfarre in Xanten im Jahr 1203 auch Sonsbecks erste Pfarrkirche wurde. Gleich nach der Ankündigung in der Gerebernus-Messe am Sonntag, dass die Kirchenbänke abzugeben seien, meldeten sich zahlreiche Interessenten. Von den insgesamt 16 Bänken stehen noch elf in St. Gerebernus. Einige sind jedoch bereits reserviert. „Wer Interesse hat, sollte sich schnell melden“, meint Hoebertz, der sich über die große Nachfrage freut. „Viele Menschen haben in der Kapelle ihre Hochzeit gefeiert oder Taufe erlebt, weshalb sie einen emotionalen Bezug zu dem Gotteshaus haben“, so Hoebertz.

Das trifft auch auf Christiane und Thomas Grütters zu, die sich dort am 7.7.2007 das Ja-Wort gegeben haben. „Wir hängen sehr an der Kapelle“, sagt Christiane Grütters. Das Paar sicherte sich deshalb eine „exklusive Kirchenbank“, wie die Sonsbeckerin sagt: das kleinste Exemplar, den einzigen Zweisitzer. „Dort haben mein Mann und ich häufig gesessen“, erzählt Grütters. Und das soll auch künftig so sein. Der kleine Zweisitzer steht bei der Familie nun vor der Haustür. „Als Klönbank, wenn die Nachbarn vorbeischauen“, so Grütters. „Oder wenn mein Mann und ich abends noch ein Glas Wein trinken wollen.“

Ein lebensveränderndes Ereignis hat David Riedel in der Kapelle nicht erlebt, dennoch liegt ihm am Herzen, das Stück Heimat zu bewahren. „Hinter der Kirchenbank steckt ein hoher ideeller Wert, es ist schön, so etwas Besonderes zu Hause zu haben“, sagt er. Und doch sägte er mit Tischlerfreund Habbel das Möbel entzwei. „Ganz vorsichtig, um möglichst viel original zu lassen“, sagt Riedel. In mehreren Stunden Handarbeit bauten die Sonsbecker die gerade Sitzfläche zur Eckbank um, die sich nun perfekt ins familiäre Umfeld fügt.

Manchmal sind eben ein Schnitt und kleine Änderungen notwendig, um starre kirchliche Strukturen an moderne Bedürfnisse anzupassen.

(beaw)
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