Interview Eckard Bollmann „Die Jugend ist viel besser vorbereitet, als wir es ihr zutrauen“

Sonsbeck · Der Sonsbecker Grünen-Politiker wirbt dafür, beim Thema Klimawandel auf die Anliegen der Jugendlichen zu hören. Dazu müssten Parteigrenzen verschwinden.

Grünen-Politiker Eckard Bollmann aus Sonsbeck will Jugend in Klimafragen einbinden
Foto: Fischer, Armin (arfi)

Bei der Europawahl Ende Mai haben die Grünen deutschlandweit Rekordergebnisse eingefahren. Besonders junge Wähler gaben der Partei ihre Stimme – sie konnte vor allem mit dem Thema Klimaschutz punkten und verdoppelte ihr Ergebnis im Vergleich zu 2014. Auch in Sonsbeck erlebten die Grünen einen ordentlichen Aufschwung. Für den Fraktionsvorsitzenden Eckard Bollmann ist das gute Wahlergebnis allerdings kein Grund, sich nun zufrieden zurück zu lehnen. Er fordert im Interview mit unserer Redaktion eine einheitliche Linie in Sachen Klimaschutz – über alle Parteigrenzen hinweg.

Bei der Europawahl wurde Ihre Partei bundesweit zweitstärkste Kraft, in Sonsbeck ebenso. Wie geht es Ihnen damit?

Eckard Bollmann Das macht Mut für die Arbeit an der Basis, aber die Freude über unser Wahlergebnis ist eher eine verhaltene. Denn wir wissen, dass dadurch ja die Probleme nicht gelöst sind. Nur weil ich mir eine Zahnbürste kaufe, bleibt mir der Zahnarzt-Besuch ja nicht erspart. Und genau so ist es auch im Umweltschutz: Nur weil wir Grünen nun so gut abschnitten haben, sind die Umweltprobleme ja nicht vom einen auf den anderen Tag gelöst. Das Wichtigste ist aber, dass wir uns nun nicht an unterschiedlichen politischen Ansätzen zerreiben, sondern sich jetzt Allianzen bilden, um den Herausforderungen der kommenden Jahre gemeinsam entgegentreten zu können.

Was heißt das konkret?

Bollmann Wir brauchen die Hilfe der gesamten Gesellschaft, um einerseits die bereits vorhandenen Schäden in den Griff zu bekommen, andererseits auch um eine präventive Umweltpolitik machen zu können, die uns in den kommenden Jahren dahin führt, dass wir für die ökologischen Herausforderungen Antworten parat haben.

Bei den jungen Wählern unter 30 Jahren holten die Grünen sogar die meisten Stimmen. Ist das Problembewusstsein dieser Generation Ihrer Meinung nach stärker ausgeprägt?

Bollmann Mir war das schon immer klar, dass die Jugend sich Sorgen und Gedanken über die Umweltherausforderungen gemacht hat. Und sie ist viel besser vorbereitet, als wir als ältere Generation es ihr immer zugetraut haben. Wir sollten nun schnellstmöglich auf ihren Sachverstand und ihre Hilfestellung insbesondere zurückgreifen. Die jungen Menschen haben eine ganz wichtige Diskussion angeregt. Aber generell gilt, dass das Bewusstsein für diese Probleme geschärfter ist als noch vor ein paar Jahren.

Viele junge Menschen kritisierten im Vorfeld der Wahl, dass immer nur geredet werde, anstatt zu machen. Können Sie das nachvollziehen?

Bollmann Das wurde uns zu Recht angekreidet: Ihr redet immer, ihr setzt euch Ziele, aber tut absolut nichts dafür. Es wird auch derzeit immer nur über Personal und Prozente gesprochen. Ob wir Grünen jetzt ein Prozent mehr oder weniger haben, ändert alles nichts an den Problemen. Wir müssen alle zusammen versuchen, einen Weg zu finden, der gangbar ist, auf dem wir uns in den kommenden Jahren zum Wohle der nachfolgenden Generationen bewegen können. Und da muss dann an manchen Stellen auch Parteipolitik ausgeblendet werden. Daher ist es wichtig, dass wir uns jetzt nicht im Klein-Klein verlieren, sondern jetzt mutig die Weichen für einen wirksamen Umweltschutz stellen, damit wir in den kommenden Jahren wieder harmonischer mit unserer Erde umgehen können.

Kann Lokalpolitik da überhaupt ausreichend Einfluss nehmen?

Bollmann Gerade wir als Kommunalpolitiker müssen in allererster Reihe den Umweltschutz im Blick haben und dafür sorgen, die Dinge in den Griff zu kriegen. Wir in Sonsbeck sind ja jetzt auch seit Jahren massiv von den Umweltauswirkungen betroffen: Sturm, Hochwasser, Erderosionen. Das sind Themen, die uns auf Dauer beschäftigen werden. Wir müssen uns in den kommenden Jahren noch stärker auf diese Wetterextreme einstellen.

Wieso noch stärker?

Bollmann Unserer Meinung nach sind wir in Sonsbeck in vielen Bereichen noch nicht optimal aufgestellt. Es geht nicht um Panikmache, sondern darum, dass man sich aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre besser darauf vorbereitet und der Bevölkerung ein breites Angebot unterbreitet, sich frühzeitige Hilfestellung zu holen. Und nicht erst, wenn die Keller vollgelaufen und die Dächer abgedeckt sind. Wir sind da noch nicht in dem Bereich, dass man sagen könnte, dass wir in den nächsten Jahren uns in Sicherheit wiegen können.

Wie könnte so ein Angebot an die Bevölkerung aussehen?

Bollmann Beratungsangebote kreieren, wie man sich selbst und sein Heim besser vor Elementarschäden schützen kann. Wir können auf den Sachverstand von Institutionen wie Bund oder Nabu zurückgreifen.

Und welche Maßnahmen sind notwendig?

Bollmann Keine weiteren Versiegelungen, die nicht absolut notwendig sind, vorzunehmen. Einfahrten oder Vorgärten so zu gestalten, dass das Wasser auch wieder in den Boden kann und sich nicht alles in der Dorfmitte trifft. Da sollte man auch jungen Unternehmern Beratungen vermitteln, wie weit sie ihr Unternehmen ökologisch ausrichten können. Guter Umweltschutz ist auch eine gute Wirtschaftsförderung.

Wollen Sie so auch bei den Kommunalwahlen in 2020 punkten?

Bollmann Natürlich wollen wir den jetzigen Rückenwind mitnehmen und ausnutzen. Aber viel wichtiger ist noch, dass die Gesellschaft sich vor Augen führt, worum es geht. Der jetzige Sinneswandel sollte der Antrieb sein, die Dinge jetzt anzupacken. Aber wir brauchen die Hilfe der Jugendlichen dafür. Sie müssen weiter darauf pochen, dass Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Ich möchte, dass wir den Jüngeren jetzt sagen: Wir haben verstanden und gehen diesen Weg jetzt mit.

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