Xanten Gegen Spracharmut spielen

Xanten · Spracharmut ist für unsere „Testpiloten“ Dana, Alina, Lutz und Dennis nicht das Thema. Für die RP spielten die Xantener Viktor-Grundschüler das Sprachspiel lässig aus der Hüfte. In den Kindergärten sieht’s anders aus.

„Aufregend und spannend“ urteilten unsere Tester nach der Runde am Brettspiel, bei der sie alle von der Heilpädagogin Julia Hermsen (Kindertagesstätte Waldblick) gestellten Aufgaben mit Bravour gelöst hatten. Die Viktor-Grundschüler aus dem zweiten und dritten Schuljahr haben zu Demonstrationszwecken außer Konkurrenz gespielt. Den Ernstfall hatten vor ihnen im Kindergarten die Vierjährigen lösen müssen. Denn um die Feststellung deren Sprachvermögens geht es bei dem Spiel, mit dem ein „Besuch im Zoo“ simuliert wird. In NRW gehört die spielerische Erfassung der kindlichen Sprachkompetenz seit März zum Pflichtprogramm der Kindergärten – in Zusammenarbeit mit den Grundschulen.

„Keine Überraschungen“

Die erste Spielrunde haben Grundschulrektor Heinz Roters und die Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen der Stadt absolviert. „Keine Überraschung“ bewertete das Team die Ergebnisse. Was nichts anderes bedeuten soll, dass vorher bekannte sprachliche Defizite auch beim Spiel festgestellt worden sind. Heinz Roters: „Kinder sind in einigen Bereichen richtige Sachexperten. Aber sie können nicht richtig beschreiben, weil das Verständnis für Sprache fehlt.“

Das Verständnis für Sprache lässt auch den Sinn für Sprachwitz erkennen. Unsere Tester hatten ihre Freude, wenn sie schräge Kunstwörter und so genannte Quatschsätze nachsprechen sollten. Eine Kostprobe: Heute trinkt das schlaue Telefon einen Tisch.

Seit der zweiten Märzwoche haben die Pädagoginnen und Erzieherinnen in den Kindergärten im Stadtgebiet gespielt. Heinz Roters hat dabei zu jedem Kind beim Spiel ein Protokollheft geführt. Bis jetzt wurden zehn Kinder ermittelt, die in eine weitere sprachliche Betreuungsstufe wechseln sollen. Wie diese zusätzliche Förderung aussieht, wissen zurzeit jedoch weder Heinz Roters noch die Erzieherinnen. Nach den Osterferien wollen sich Lehrer und Erzieherinnen treffen, um über weitere Schritte zu beraten.

Und die sind überfällig. Denn wenn sich die kindlichen Sachexperten nur durch eine Aneinanderreihung von Wörtern artikulieren können, „sollte das ein Ansporn für die Eltern sein, wieder mehr mit ihren Kindern zu erzählen“. Wie bei fast allen Entwicklungen werden auch hier die Weichen in den Familien gestellt. „Wir sind in vielen Fällen eigentlich nur noch Reparaturbetrieb. Die Erstverantwortung haben die Eltern“, stellte Beate Heckmann-Mölders (Kinderhaus St. Helena) mit Zustimmung ihrer Kolleginnen und der Lehrer im RP-Gespräch fest. Heinz Roters: „Die Kinder kennen nicht mehr alle Wörter, um Dinge zu bezeichnen.“

Eltern Tipps geben

Spracharmut ist das Thema, und es betrifft nicht mehr nur Kinder mit dem so genannten Migrationshintergrund. Das Rezept dagegen: „Eltern müssen zu Hause ihren Kindern regelmäßig vorlesen, mit ihnen sprechen und spielen.“ Bei Informationsabenden sollen Eltern jetzt Tipps bekommen, wie sie mit ihren Kindern das Sprechen in ganzen Sätzen trainieren können.

Heinz Roters hat aus der ersten Spielrunde auch für sich gelernt: „Wir müssen das Sprachspiel rüber ins erste Schuljahr retten.“ Dass die Viktor-Schule die Förderung der Lese- und Sprachkompetenz als eigenen pädagogischen Schwerpunkt gesetzt hat, sieht er wieder bestätigt.

(RP)
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