Flüchtlingshilfe in Sonsbeck Dyakuju heißt danke

Sonsbeck · Die Flüchtlingshilfe Sonsbeck bietet mit ehrenamtlicher Unterstützung Sprachkurse für Menschen aus der Ukraine an. Die Nachfrage nach dem Unterricht ist riesig. Weitere Sprachpaten werden gesucht.

 Sprachpate Horst Vermöhlen (l.) bringt seinen Schülern die Grundlagen der deutschen Sprache bei. Die Freundinnen Maria Andrijenko (mit Jeansjacke) und Katharina Jabrikova (rechts daneben) pauken auch abends zusammen.

Sprachpate Horst Vermöhlen (l.) bringt seinen Schülern die Grundlagen der deutschen Sprache bei. Die Freundinnen Maria Andrijenko (mit Jeansjacke) und Katharina Jabrikova (rechts daneben) pauken auch abends zusammen.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Der bunte Mix aus Englisch, Deutsch und Ukrainisch ist schon auf der Hochstraße vorm i-Punkt zu hören. Die Tür steht offen. Es ist ein warmer Tag. Und im Inneren des schmalen Flüchtlingscafés sitzen 21 Menschen zusammen, um gemeinsam zu büffeln. Seit Ostern bietet die Flüchtlingshilfe in Sonsbeck mit Unterstützung von Ehrenamtlern Sprachkurse für Menschen aus der Ukraine an, die in der Gemeinde Schutz vor dem Krieg in ihrer Heimat suchen. Aktuell sind 55 Geflüchtete in Sonsbeck untergebracht. Knapp die Hälfte sind Kinder. „Der Personenkreis ist sehr gebildet, die Nachfrage nach den Kursen ist groß und die Lernbereitschaft beachtlich“, sagt Ehrenamtskoordinatorin Anja Heidenreich. Ziel sei es, größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag zu erreichen. „Die Menschen sollen selbstständig zum Arzt gehen oder im Geschäft nach einem Produkt fragen können“, erklärt Sina Büchner-Fockenberg vom Integrationsbüro.

Aufgeteilt in drei Gruppen, werden die Köpfe über die speziell für Asylbewerber erstellten Bücher gesteckt. „Look“ (schaut her), fordert Sprachpate Horst Vermöhlen seine Schüler auf Englisch auf. Sieben Köpfe heben sich. Die Blicke sind auf den Sonsbecker gerichtet. „Das Hemd passt“, sagt er, während er an seinem Oberteil anzeigt, dass es locker sitzt. „Das Hemd ist eng“, ergänzt er gleich hinterher und presst den karierten Stoff an seinen Körper, bis die Knopfleiste spannt. Auch Zeichensprache gehört zum Sprachenmix im i-Punkt dazu. „Ah, tichno“, übersetzt Maria Andrijenko das Wort „eng“ in ihre Muttersprache, um Sitznachbarin Katharina Jabrikova bei der Vokabel zu helfen.

Ehrenamtskoordinatorin Anja Heidenreich (l.) und Sina Büchner-Fockenberg vom Integrationsbüro organisieren Angebote für Flüchtlinge. Sie sind auch für private Unterstützer Ansprechpartnerinnen.

Ehrenamtskoordinatorin Anja Heidenreich (l.) und Sina Büchner-Fockenberg vom Integrationsbüro organisieren Angebote für Flüchtlinge. Sie sind auch für private Unterstützer Ansprechpartnerinnen.

Foto: Armin Fischer (arfi)

Die beiden jungen Frauen sind schon in der Ukraine zusammen zur Schule gegangen. In ihrer Heimatstadt Charkiw leben sie im selben Haus. Ihre jeweils fünfjährigen Söhne spielen zusammen. Und auch in Sonsbeck halten die Freundinnen zusammen. Die 31-jährige Maria Andrijenko konnte sich in den vergangenen zwei Monaten mit ihren Englischkenntnissen behelfen. „Und ich habe Maria immer dabei“, lässt Katharina Jabrikova (30) über Dolmetscherin Lesya Haisch-Bukachevska wissen.

Doch beide Frauen sind bereits an die Grenzen dieser Form der Kommunikation gestoßen. Kürzlich saßen sie in Kevelaer fest, nachdem es ein Missverständnis bei den Busfahrzeiten gab. Also pauken sie auch abends in ihrer Gemeindeunterkunft Vokabeln und fragen sich gegenseitig ab. Herausforderung: das grammatische Geschlecht. Viele Wörter, die im Deutschen weiblich sind, seien im Ukrainischen männlich und umgekehrt. Umlaute seien bei der Aussprache auch nicht ganz einfach. Dennoch: „Sprache ist das wichtigste Mittel, um soziale Kontakte zu knüpfen und den Alltag zu meistern“, betont Maria Andrijenko. „Natürlich wollen wir in unsere Heimat zurück. Aber niemand weiß, wie lange der Krieg noch dauern wird. Also müssen wir schauen, wie wir bis dahin zurechtkommen.“

Dolmetscherin Lesya Haisch-Bukachevska nickt. Die gebürtige Ukrainerin lebt schon seit 2010 in Deutschland, spricht fließend Deutsch und Englisch. „In Sonsbeck bin ich aber genauso frisch wie unsere Flüchtlinge“, sagt die im Februar aus Baden-Württemberg zugezogene Wahl-Sonsbeckerin. „Als ich meine Mutter nach ihrer Flucht aus der Ukraine am Bahnhof abgeholt habe, wurde mir bewusst, wie viele Menschen jetzt Hilfe bei der Fremdsprache brauchen“, sagt sie. Diese Hilfe bot sie gleich nach ihrem Umzug bei der Anmeldung im Sonsbecker Rathaus an. Noch am selben Tag hatte sie ein Gespräch mit Bürgermeister Heiko Schmidt. Zwei Tage später unterschrieb sie den Arbeitsvertrag als Dolmetscherin der Gemeinde. „Eine enorme Bereicherung“, betont Sina Büchner-Fockenberg vom Integrationsbüro.

Und doch: Ohne ehrenamtliches Engagement geht nichts. Die vier Sprachpaten im i-Punkt sind alle ehrenamtlich tätig. Es sind „alte Hasen“ dabei wie Horst Vermöhlen, Gerd Vahnenbruck oder Birgit Henle, die schon seit 2015 die Flüchtlingshilfe unterstützen. Es gibt aber auch Neulinge wie Karl-Helmut Bey, der heute zum zweiten Mal Unterricht gibt. „Der Krieg ist schockierend. Ich wollte irgendwas tun, um zu helfen“, sagt der Postbeamte. Im Integrationsbüro erfuhr er, dass noch Sprachpaten gesucht werden. „So etwas habe ich noch nie gemacht“, so Bey. „Aber die erfahrenen Ehrenamtler unterstützen einen, und ich muss sagen: Es macht Spaß.“ Der Lernwille begeistere ihn, die Schüler seien sehr dankbar. „Das Miteinander ist sehr schön“, sagt Bey, der ebenfalls etwas gelernt hat: Dyakuju heißt danke.

(beaw)
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