Jens Korfkamp "Es ist normal, dass es Konflikte gibt"

Xanten · Die Integrationskurse der Volkshochschule laufen nicht immer reibungslos. Es gibt unterschiedliche Erwartungshaltungen.

 Jens Korfkamp leitet die Verbandsvolkshochschule.

Jens Korfkamp leitet die Verbandsvolkshochschule.

Foto: Fischer (Archiv)

Rheinberg/Xanten Die Verbandsvolkshochschule Rheinberg-Alpen-Sonsbeck-Xanten bietet Sprachkurse zur Integration für Migranten, Asylbewerber und Flüchtlinge an. Nicht immer laufen diese Angebote reibungslos ab. Die RP sprach darüber mit VHS-Leiter Jens Korfkamp.

Herr Korfkamp, wie viele Integrationskurse bietet die VHS an und welchen Stellewert haben sie?

jens korfkamp Momentan haben wir neun Kurse mit 152 Teilnehmern, von denen 62 - also rund 40 Prozent - Analphabeten sind. Diese Menschen brauchen natürlich deutlich länger, bis sie die deutsche Sprache gelernt haben. Die Teilnehmer kommen aus unterschiedlichsten Nationen: Syrien, Irak Iran, Afghanistan, auch aus Eritrea oder Somalia. Die meisten aktuell aus dem arabischsprachigen Raum. Der normale Integrationskurs mit Aufbaumodul umfasst 700 Stunden, der für Analphabeten sogar 1000 Stunden. Das bedeutet, dass die Menschen erst einmal eineinhalb oder zwei Jahre die Sprache lernen, bis sie in der Lage sind, eine Arbeitsstelle anzutreten. Dabei stellen wir fest, dass wir es mit einem sinkenden Bildungsniveau zu tun haben.

Im Sozialausschuss war die Rede davon, dass die Kurse nicht immer reibungslos laufen. Es ist ja offenbar sogar schon zu ernsthaften Auseinandersetzungen gekommen.

Korfkamp Soziologen sagen: Einwanderungsgesellschaften sind Konfliktgesellschaften. Es herrscht in den Kursen nicht nur eine harmonische Lernatmosphäre. Das halte ich aber für normal. Das hat mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen zu tun. Während wir erwarten, dass die Teilnehmer gut lernen und pünktlich und regelmäßig in die Kurse kommen, um sich schnell zu integrieren, haben die Asylbewerber eine Geschichte, sind mitunter durch Kriege und Flucht traumatisiert und müssen Arztbesuche wahrnehmen. Fakt ist, dass wir in den Kursen Fehlzeiten von etwa 22 Prozent haben. Die Teilnehmer stellen irgendwann fest, wie schwer es ist, die deutsche Sprache zu erlernen, sie befürchten, die Prüfung nicht zu schaffen. Das führt zu Ängsten, zu Frust und Aggressionen.

Wie äußert sich das?

Korfkamp Eine häufige Reaktion ist zu sagen, die Kursleiter seien nicht geeignet. Dann kommt es plötzlich zu Beschwerden. Es ist aber so, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) strenge Voraussetzungen für diese Lehrer fordert. Die müssen wir erfüllen. Unsere Kursleiter haben die Befähigungen, die verlangt werden.

Es soll schon Handgreiflichkeiten gegeben haben. Stimmt das?

Korfkamp Ja. In einem Fall in Rheinberg war die Kritik an einer Kursleiterin sehr massiv, in Xanten ist ein Kursleiter regelrecht bedroht worden. Aber diese Fälle sind mittlerweile bereinigt, es hat Gespräche gegeben. Es ist normal, dass es Konflikte gibt. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Wir als Volkshochschule müssen für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Kurse sorgen. Und da kann es schon mal sein, dass man einem Teilnehmer sagen muss: Es klappt nicht mit uns, suchen Sie sich bitte eine andere Volkshochschule. Denn einige haben auch überzogene Erwartungen. Aber selbst in diesen Fällen sind wir noch behilflich, beraten die Menschen und suchen nach Lösungen. Wir unterstützen jeden.

Es gab Kritik, dass es lange dauert, bis es Platz in den Kursen gibt.

Korfkamp Das ist teilweise berechtigt. Aber das hängt mit unserer Infrastruktur und unserer Personalstärke zusammen. Wir sind eine kleine Volkshochschule und haben begrenzte Möglichkeiten. Von der Stundenzahl her machen die Integrationskurse fast 40 Prozent unseres Gesamtangebots aus. Die ganze Verwaltung, die Abrechnung der Kosten mit dem Bamf ist ungeheuer aufwendig. Das bindet viel Arbeitszeit und Arbeitskraft.

Wie würden Sie die Gesamtsituation bewerten?

Korfkamp Der allergrößte Teil der Kursteilnehmer sind vernünftige Menschen und halten sich an die Regeln. Wir müssen realitätsnah sein, dürfen die Augen vor Problemen nicht verschließen. Denn es gibt auch ethnische, religiöse oder persönliche Konflikte.

UWE PLIEN FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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