Xanten Ernst Heiens Xantener Platt im Internet

Xanten · Der promovierte Pädagoge hat seine Geschichten-Sammlung vervollständigt und ihr ein zeitgemäßes Outfit verpasst.

 Ernst Heien ist ein Freund und Kenner des Niederrheins und Xantens. Er hat zahlreiche Texte in "Santes Platt" verfasst. Die sind im Internet zu finden. In der Xantener Stadtbücherei gibt es die Sammlung auch auf Papier.

Ernst Heien ist ein Freund und Kenner des Niederrheins und Xantens. Er hat zahlreiche Texte in "Santes Platt" verfasst. Die sind im Internet zu finden. In der Xantener Stadtbücherei gibt es die Sammlung auch auf Papier.

Foto: armin fischer

Poddoome! Süt den üt!

Pfui! Den Struwwelpitt!

Die Nägels van sin Fenger -

Poddoome! - sin dat Denger!

Op sinne Kopp die Höör

geht kenne Kaam merr döör.

On doröm et dor hit:

"Gej fiese Struwwelpitt!"

Nur drei kurze Klicks am Computer und der Knabe mit den ungepflegten Haaren und ellenlangen Fingernägeln erscheint auf dem Bildschirm: Den Struwwelpitt, also, Der Stuwwelpeter — auf Xantener Platt. Übertragen von Ernst Heien. Ein winziger Teil aus einer riesigen Sammlung, die der inzwischen 83-Jährige in seinem Leben zusammengetragen hat. Nun sind sie alle im Internet zu finden. In den vergangenen Monaten hat Heien all diese Texte überarbeitet, ergänzt, neu gestaltet und der Menüstruktur ein zeitgemäßes Aussehen verpasst.

Ein "Guje Märge been" empfängt die Gäste wohlgelaunt an der Haustür, guten Morgen beieinander also. Und gut beieinander, das ist der promovierte Pädagoge auch im Alter im übertragenen Sinn noch, selbst wenn Gehör und Beweglichkeit ein wenig an Schwung verloren haben. "Dafür habe ich halt mehr Zeit, mich am Computer zu vergnügen", sagt Heien und lächelt. "Die meisten Senioren wissen gar nicht, was einem da entgeht."

Wobei Heien, dessen "Santes-Platt"-Sammlung samt zig neuer Bilder- und Texte über Xantens Geschichte Hunderte von Seiten stark ist, mit dem Computer Zeit seines Arbeitslebens eng verbunden ist. Heien, Sprößling einer Landwirtfamilie aus Wardt, gehörte nach dem Abitur in Geldern zu denen, die erstmals den Stoff-Fluss im Hüttenwerk Rheinhausen per Lochkarte regelten. Als später der damalige NRW-Kultusminister Paul Mikat händeringend nach Lehrern suchte, gelangte Heien als Seiteneinsteiger in den Schuldienst und mit Rektor Willi Fährmann an die damals neu gegründete Xantener Hauptschule.

Und da die Katze das Mausen nicht lässt, versuchte Heien sofort, den Computer auch im Unterricht einzusetzen. Das Wissen ums damals reine Frage- und Antwortspiel vermittelte er auch Kollegen, was die Pädagogische Hochschule Essen wiederum veranlasste, ihn an sich zu binden. In einer Diplomarbeit stellte Heien dar, wie ein Computer auch in der Schule funktionierte, was aber den Lehrer, so die Kurzformel der Doktorarbeit, nie ersetzen könne. Das brachte Heien ans Lehrerfortbildungsinstitut des Kultusministeriums in Soest.

Über 21 Jahre ist es inzwischen her, dass sich Heien aus diesem Pilotprojekt verabschiedete. Ruhestand ist für den Vater von fünf Töchtern, einem Sohn und Großvater von 15 Enkeln ein Fremdwort. Lange war er Vorsitzender des Niederrheinischen Altertumsvereins. Und weil zur Geschichte auch die Sprache untrennbar gehört, verschafft Heien ihr einen Erinnerungssockel. Seine Übertragung von Max und Moritz und des Struwwelpeter ließ Wissenschaftler an den Universitäten in Köln und Heidelberg aufhorchen. Marij und Jann verlieh er in seinen Geschichten eine eigenständische bäuerliche Mentalität, die zum Beispiel auch Georg Cornelissen, Sprachforscher des Landschaftsverbandes Rheinland, interessierte. Selbst wenn jemand eine Kondolenzkarte in Platt wünscht, kann Heien diesen Wunsch ebenfalls erfüllen:

"Wenn gej dat krüss nit drage könnt, dann moj' et merr schleppe" lautet einer diese Sprüche (Wenn Du das Kreuz nicht tragen kannst, musst du es schleifen).

Nicht jeder Text allerdings eignet sich für die Darstellung in dieser Art der Umgangssprache. An Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" beispielsweise, den Heien mal übersetzen sollte, biss er sich die Zähne aus: "Das passt nicht!"

In seiner Familie steht Platt überhaupt nicht auf dem Stundenplan, auch wenn Opa zu abendlicher Stunde die Jüngsten mit entsprechenden Quizrunden unterhält. Poddoome, wie es beim Struwwelpeter heißt, lernen die dann, ist ein Ausruf des Erstaunens und entstanden aus dem Fluch Gott verdamm mich. So steht es auch in Heiens Internet-Glossar.

Der wendet sich derweil als guter Xantener einem neuen Betätigungsfeld zu — dem Nibelungenlied, "zumindest die ersten Seiten":

Ons is in aalten Tieten . . .

www.xanten-santes-platt.de

(RP)
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