Xanten Die Wasserleitung der alten Römer

Xanten · Stress, der ist für Jens Hock an der Tagesordnung. Zumindest dann, wenn in Xanten gebaut wird. Dann nämlich muss der 42-Jährige raus. Hock ist Archäologe, arbeitet freiberuflich als wissenschaftlicher Grabungsleiter für die Firma K.W. Scholten.

Und wenn an der dünnen Xantener Oberfläche gekratzt wird, dann muss es meist ganz schnell gehen, sollen die Arbeiten doch möglichst nicht oder höchstens kurz unterbrochen werden. Überall schließlich ist immer mit mittelalterlichen oder römischen Überresten zu rechnen.

"Mittelalterliches Klosterformat"

Oder mit beiden. Die Bagger, die sich derzeit wegen des Kanalbaus durch Mars- und Kurfürstenstraße fressen, haben gerade — wie erwartet — gleich mehrere "Horizonte" angeschnitten. Deutlich erkennbar, selbst für den Laien, ist in dem Loch der Kurfürstenstraße eine Mauer.

"Ein Teil der alten Kirchhofbegrenzung", weiß Hock. Die Straße sei, wie der Fund zeige, früher ein Stück enger gewesen. Die Trockenmauer sei im 17. Jahrhundert erbaut worden, weiß der Archäologe. Das Wort "trocken" ist wichtig, tragen die Steine doch Mörtelreste. Außerdem entsprechen sie in ihren Maßen dem "mittelalterlichen Klosterformat", wurden also vermutlich bereits im 15. oder 16. Jahrhundert irgendwo verbaut.

Das Aquädukt

Sagt Hock und macht auf einen tiefergelegenen hellen "Klotz" aufmerksam. Wahrscheinlich, so der Archäologe, gehöre der zu der römischen Wasserleitung. Der Rest einen Pfeilers — genau in der richtigen Flucht gelegen, wie frühere vergleichbare Funde zum Beispiel an der Marsstraße deutlich machten. Die Römer hatten das Wasser von den Sonsbecker Höhen über eben diese Trasse in die Colonia Ulpia Traiana geleitet. Zwar habe das Aquädukt nicht die aus dem Mittelmeerraum bekannten Ausmaße gehabt, übermannshoch dürfte es aber gewesen sein.

Schicht für Schicht können die Archäologen auf diese Weise beurteilen. Wie an der Marsstraße findet sich auch an der Kurfürstenstraße weiter oben ein Straßenpflaster aus Flussgeröll — grober und mittlerer Kies — möglicherweise aus dem späten Mittelalter.

Während — deutlich sichtbar — immer eine Bauschicht auf die andere gesetzt wurde, fehlt genau dieser Ansatz in der letzten oberen "Lage" der Kurfürstenstraße. "Nach dem Zweiten Weltkrieg", so erklärt Jens Hock, "waren die Xantener gezwungenermaßen sehr fleißig." Da wurde alles weggeräumt, was an altem Schutt greifbar war.

"Tja", sagt Hock, "das ist erlebte Geschichte." Und Stress hin oder her: Stadtarchäologie sei immer richtig superspannend.

(RP)
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