Xanten Die Odyssee auf dem Milchsee

Xanten · Für die Milchviehhalter wird es immer enger. Der Preisverfall lässt die Landwirtschaft nach unmittelbaren Hilfen und Stellschrauben zur Regulierung rufen. Kreislandwirt Wilhelm Neu befürchtet "Strukturbruch und Verarmung."

 Milchbauer Heinz-Gerd Buchmann (links) und sein Sohn Bernd klagen über die niedrigen Milchpreise. Vor fünf Jahren haben sie auf ihrem Hof in den neuen Boxenlaufstall investiert, jetzt geht der Ertrag gegen null.

Milchbauer Heinz-Gerd Buchmann (links) und sein Sohn Bernd klagen über die niedrigen Milchpreise. Vor fünf Jahren haben sie auf ihrem Hof in den neuen Boxenlaufstall investiert, jetzt geht der Ertrag gegen null.

Foto: Ekkehart Malz

Landauf, landab machen die Milchviehhalter in diesen Tagen auf den Preisverfall aufmerksam. Seit dem Ende der Quotenregelung ist der Markt unter Druck. Die großen Discounter diktieren die Preise. Politische Einflüsse wie das Russlandembargo und andere Faktoren wie schwache Nachfrage aus China oder Krisenherden in Nordafrika und dem Nahen Osten lassen den Milchsee anschwellen. Er reicht sozusagen schon über den Horizont hinaus, so dass die Erzeuger nicht sehen können, wohin die Irrfahrt sie führt.

Was sie aktuell sehr wohl sehen, das ist die Diskrepanz zwischen einer Flut von Milch und Ebbe in der Kasse. Vor dem Milchgipfel, zu dem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt für heute eingeladen hat, mahnt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Wesel, Wilhelm Neu: "Es muss etwas passieren! Die Milchpreise sind jenseits der Schmerzgrenze." Auch bei den Schweinepreisen sehe es nicht besser aus. Diese seien bereits seit Jahren im Keller. Zur Verdeutlichung der dramatischen Lage lud er, zudem auch Vizepräsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), auf den Hof von Heinz-Gerd und Bernd Buchmann ein.

Vor fünf Jahren hat der Familienbetrieb sich auf Milchvieh konzentriert und in einen neuen Boxenlaufstall investiert. Trotz und auch wegen nahenden Quotenendes, denn die Prognosen für guten Absatz auf dem Weltmarkt stimmten optimistisch. Die neue Anlage mit viel Bewegungsraum für die Tiere gilt als artgerecht und zukunftsweisend. Billig war sie nicht. Das ist nur die Milch. Jetzt geht der Ertrag gegen null. 22 bis 25,67 Cent bekommt der Bauer in NRW für einen Liter. Das heißt: kein Auskommen mit dem Einkommen. Neu warnt vor einer Verarmung der ländlichen Regionen und fordert deshalb einen ganzen Strauß unmittelbarer Hilfen und Stellschrauben zur Regulierung. Aber keine neue Quote.

Statt staatlicher Pauschallösungen sieht er Möglichkeiten in der Anpassung an Gepflogenheiten in andern europäischen Ländern. So sei in Belgien auch Aldi bereit, mehr für die Ware Milch zu zahlen als in Deutschland. "Die Verhandlungsmacht des Milchsektors gegenüber dem Handel muss endlich gestärkt werden", sagt Neu und appelliert an Molkereien, sich für den Kraftzuwachs zusammenzuschließen. Differenzierte Auszahlungspreise durch freiwillige Zusatzvereinbarungen, Bonuszahlungen zur Mengenanpassung oder eine verwertungsbezogene Preisstaffelung seien weitere Themen, die zu diskutieren seien.

Ebenso könne die Politik mit Entlastungen bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und der Steuer auf Agrardiesel helfen oder auf kostenträchtige Anforderungen im Bau- und Umweltrecht verzichten. Auch die Buchmanns bauen auf gestärkte Molkereien und einen Grundpreis. "30 Cent würden uns retten", sagt Bernd Buchmann (30). Mit 70 Kühen - 24 waren es vor der Umorganisation - und 40 Hektar Land fürs Futter (Getreide und Mais) ist der Betrieb alles andere als übertrieben groß. Unter normalen Umständen reicht es aber für eine Familie. Doch deren Odyssee auf dem Milchsee geht erstmal weiter.

(RP)
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