Xanten Die Landwirtschaft im Blick

Xanten · "Im Märzen der Bauer" - dieses berühmte Kinderlied steht Pate für eine neue Serie der Rheinischen Post und der Volksbank Niederrhein. Ein Jahr lang werden wir Bauern aus der Region begleiten. Zum Auftakt ein Gespräch zur Lage der Landwirtschaft mit Johannes Leuchtenberg, Sprecher der Kreisbauernschaft Wesel, und Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzenderder Volksbank.

"Im Märzen der Bauer" - dieses berühmte Kinderlied steht Pate für eine neue Serie der Rheinischen Post und der Volksbank Niederrhein. Ein Jahr lang werden wir Bauern aus der Region begleiten.

Johannes Leuchtenberg (49) ist Landwirt. Er liebt seinen Beruf. Schon während des Landbau-Studiums in Soest konnte er sich nichts Anderes, nichts Besseres, nichts Schöneres vorstellen, als selbstständig zu sein. Also übernahm er den Bauernhof seines Vaters, den schon sein Großvater betrieb. Ein Milchviehbetrieb mit Direktvermarktung und Ackerbau in Neukirchen-Vluyn. 75 Hektar und 70 Kühe. Hinzu kommt die Nachzucht. "Insgesamt leben rund 120 Tiere auf dem Hof", sagt Leuchtenberg, der erzählt, dass sein drei Jahre alter Sohn täglich bei den Kühen sein möchte. Ob er den Betrieb einmal übernehmen wird, ist ungewiss. "Raten kann ich es ihm momentan eigentlich nicht."

Denn Johannes Leuchtenberg ist nicht nur Landwirt, er ist auch stellvertretender Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel und in diesem Gremium für die Agrarpolitik und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Letzteres, speziell das Ansehen der Landwirte in der Bevölkerung, macht ihm Sorgen: "Es kommt mir so vor, als wären wir Bauern mittlerweile an allem Schuld. Am Bienensterben. Am belasteten Trinkwasser. Ja, selbst bei der Flüchtlingskrise wurden wir ins Spiel gebracht." Für Leuchtenberg ein unzumutbarer Zustand. Wenn er einen Wunsch frei hätte, er würde sich mehr Unterstützung, mehr Förderung und Rückhalt von der Politik wünschen. Denn eins ist klar: Ohne Landwirtschaft gibt es keine Lebensmittel.

Zu den Fakten: In Deutschland gibt es 270.000 landwirtschaftliche Betriebe. Jeder achte Arbeitsplatz hängt mit der Ernährungsmittelindustrie zusammen. Im Kreis Wesel werden Kartoffeln, verschiedene Getreidearten wie Weizen, Gerste und Roggen angebaut. Auch Mais und Möhren, Spargel und Erdbeeren sind auf den Feldern zu finden. Hinzu kommen die Obstbauern. Den Schwerpunkt der Landwirtschaft am linken Niederrhein bildet aber die Tierproduktion, also die Produktion von Fleisch und Milcherzeugnissen. Hühner, Puten, Schweine, Schafe, Ziegen, Kühe und Bullen, die mit den Erzeugnissen des Ackerbaus gefüttert werden. Veredelung nennt sich das. Nach Angaben der Kreisbauernschaft Wesel haben sich bedingt durch den rasanten Strukturwandel die Pferdezucht und der Reitsport zu einem weiteren wichtigen Betriebszweig der Landwirtschaft entwickelt.

Die Kreisbauernschaft hat 2000 Mitglieder, darunter 1200 landwirtschaftliche Betriebe. Sie ist damit die größte im Rheinischen Landwirtschafts-Verband, der von Kleve im Norden bis Euskirchen im Süden reicht. "Wir haben rund 50.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche im Kreis Wesel - Tendenz sinkend", sagt Leuchtenberg. Sinkend, weil die Flächen heiß begehrt sind. Er nennt drei Stichwörter zu diesem Thema: Gewerbe, Kies und Ausgleichmaßnahmen. Zudem sei Land nun einmal das einzige Gut, das sich nicht vermehren lässt. Das treibt die Preise in die Höhe. Laut Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Wesel sind die Preise für zusammenhängende landwirtschaftliche Flächen zum 1. Januar 2018 stark angezogen, sie liegen in Alpen, Rheinberg, Sonsbeck und Xanten zwischen 4,40 und 5,20 Euro pro Quadratmeter. Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein, weiß aber, das weit mehr gezahlt wird. "Unter acht Euro geht da eigentlich nichts."

Die Volksbank Niederrhein mit Sitz in Alpen sieht sich als Hausbank der Landwirte in der Region. Das kommt nicht von ungefähr. Kümmerte sich schon einer der Gründungsvater der Genossenschaftsbanken, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, um unbemittelte Landwirte im 19. Jahrhundert. Sein Modell, der Zusammenschluss von Handwerkern oder Bauern mit dem Ziel, ihre wirtschaftlichen Interessen durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern, machte Schule.

Was damals die kleinen Leute waren, sind heute wichtige Kunden. So machen die Landwirte, was die Gesamtanzahl der 72.000 Kunden (Stand: 2017) der Volksbank Niederrhein betrifft, zwar nur einen sehr kleinen Prozentsatz aus. Beim Kreditvolumen sieht das jedoch ganz anders aus. 2017 überschritt die Volksbank Niederrhein die für sie historische Marke von einer Milliarde um 42 Millionen Euro. Sieben Prozent, also fast 73 Millionen Euro, entfallen davon auf die Bauern.

Warum? Weil Landwirte investieren, um ihren Betrieb zu modernisieren. Oder weil sie Geld brauchen, um Gesetze einzuhalten. Leuchtenberg nennt zum Beispiel die Düngemittelverordnung ("Für mich gehört die Ausbringung von Gülle zum natürlichen Kreislauf, sie ist zudem ressourcenschonend") oder die jüngste Verordnung für Siloanlagen. Demnach müssen Landwirte dafür Sorge tragen, dass kein Silage-Sickersaft mehr in den Boden gelangt. "Die meisten müssen dafür einen sechsstelligen Betrag aufnehmen, ohne auch nur einen Cent mehr zu verdienen", sagt Leuchtenberg. Er prognostiziert einen Strukturbruch in der Milchviehwirtschaft, wie ihn die Sauenhalter schon in den letzten Jahren erlebt haben. "Aufgrund der vielen vorgeschriebenen Maßnahmen fürs Tierwohl haben wir 50 Prozent der Sauenhalter im Kreis Wesel verloren." Laut Statistik werden deutschlandweit von den 270.000 Betrieben im Jahr 2030 auch nur noch 80.000 übrigbleiben. Und auch hier kommt wieder das Image ins Spiel. "Die Landwirte hören auf, weil die Erlöse nicht mehr stimmen. Und was ist eigentlich so verwerflich daran, etwas verdienen zu wollen?", fragt Leuchtenberg.

Das Gegenteil ist übrigens derzeit der Fall. So liegt der Getreidepreis aktuell bei 15,70 Euro. "Das ist viel zu wenig", sagt Leuchtenberg. Auch der Milchpreis befinde sich wieder einmal auf Talfahrt. Je nach Molkerei werden zwischen 30 und 35 Cent pro Kilogramm an den Landwirt gezahlt. Um verdienen zu können, bräuchten sie mindestens 40 Cent. Und nach zwei schlechten Jahren für die Schweinebauern steht nun die afrikanische Schweinepest vor der Tür. "Das ist nur eine Frage der Zeit. Wenn sie dieses Jahr nicht kommt, dann im nächsten Jahr", so Leuchtenberg, der die Folgen schon vorhersagen kann. Der Konsum von Schweinefleisch wird einbrechen.

(RP)
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