Xanten Die Geschichte der Turmuhren am Dom

Xanten · Als das Uhrwerk 1554 im Südturm des Xantener Doms eingebaut wurde, herrschte Kaiser Karl V. als römisch-deutscher Kaiser über ein Reich, in dem die Sonne nicht unterging.

 Dieter Goldschmidtböing (mit Hammer) und Hans-Wilhelm Barking (Dombauverein) in der Uhrenstube. Die beiden Glocken wurden zu Demonstrationszwecken am Uhrwerk postiert, um die Funktion des Stundenschlagwerks zu zeigen.

Dieter Goldschmidtböing (mit Hammer) und Hans-Wilhelm Barking (Dombauverein) in der Uhrenstube. Die beiden Glocken wurden zu Demonstrationszwecken am Uhrwerk postiert, um die Funktion des Stundenschlagwerks zu zeigen.

Foto: Armin fischer

Die Uhr überdauerte das Heilige Römische Reich, Napoleon, Bismarck, einen Weltkrieg. Als sie 1927 ausgemustert wurde, hatte die Weimarer Republik unter Regierungschef Wilhelm Marx ihre Hochzeit. 373 Jahre lang war die Uhr in Betrieb gewesen.

Nun tickt sie erneut, die Einzeigeruhr im Dom, wenn auch nur gelegentlich, bei Führungen. Der Dombauverein hat die Instandsetzung bei dem Bocholter Fachmann Dieter Goldschmidtböing in Auftrag gegeben und das reparierte Uhrwerk der Propsteigemeinde im Jubiläumsjahr des Doms zum Geschenk gemacht (wir berichteten). Zur Übergabe ist ein aufschlussreiches 80-seitiges Buch erschienen: "Die Turmuhrwerke und Zifferblätter im und am Dom zu Xanten", von Josef H. Schröer.

Schröer, ehemaliger Konditor, betreibt in Bocholt auf 200 Quadratmetern ein privates Turmuhrenmuseum. "Ich habe die größte Zeigersammlung weltweit", sagt der 68-Jährige stolz. Auch Glocken, Wetterhähne oder Turmkreuze hat der Kirchturm-Enthusiast gesammelt. In Xanten assistierte er Dieter Goldschmidtböing nicht nur bei der Sanierung des alten Uhrwerks, er dokumentierte die Arbeiten und widmete sich der Geschichte der Xantener Turmuhren. Beim Stöbern in Urkunden und im Dom stießen die beiden auf manche Überraschung. So entdeckten sie in einem Raum einen Zeiger und Teile eines "Sonnenstrahlkranzes", die zu einem barocken Turmzifferblatt gehört hatten. Der große Walter Bader hatte es für gänzlich verloren gehalten.

Bereits im Jahr 1376 war die erste Turmuhr im Dom installiert worden, also besaß Xanten bereits vor den Metropolen Wien (1380) und Köln (1385) eine Turmuhr. Sie scheint Anfang des 15. Jahrhunderts durch eine andere ersetzt worden zu sein, wie Dokumente nahelegen. Die jetzt reparierte Uhr war demnach die dritte am Dom. Da das Zifferblatt in der Westchorhalle die Jahreszahl 1756 aufweist, war früher angenommen worden, dass das Uhrwerk ebenfalls aus diesem Jahr stammt. Schröer und Goldschmidtböing stellten fest, dass es älter ist, nämlich von 1554, und vom Weseler Meister Wilhelm Münster geschmiedet wurde. Zudem schlossen sie, dass das Werk nicht nur die Einzeigeruhr angetrieben hatte (die den Glöcknern die Zeit zum Läuten angezeigte), sondern auch ein Außenzifferblatt am Turm und das Stundenschlagwerk.

Die Turmuhr musste im Laufe der Jahrhunderte mehrfach repariert werden. Für die Stadt war sie von großer Bedeutung, wie ein Brief des damaligen Xantener Bürgermeisters Schless von 1870 zeigt. Das Stadtoberhaupt beschwert sich darin beim Kirchenvorstand über die Ungenauigkeit der Zeitangabe: "Es ist in der Tat ein nicht zu verkennender großer Übelstand, wenn die einzige in hiesiger Stadt befindliche öffentliche Uhr einen so unregelmäßigen Gang hat und so die Einheimischen sowohl als namentlich auch die reisenden Fremden täuscht."

1927 schlug die letzte Stunde für das alte Schätzchen. Die Firma Korfhage und Söhne in Osnabrück lieferte am 5. Juli des Jahres eine neue Uhr. Der Xantener Juwelier Aloys Hammans trat bei dem Geschäft als Zwischenhändler auf. Stolze 4490 Reichsmark musste die Gemeinde bezahlen. Anlass für die Neuanschaffung war das goldene Priesterjubiläum von Pfarrer Eurmers am Viktor-Dom. Das ist dem "Boten für Stadt und Land" vom 19. Juli 1927 zu entnehmen, in dem ausführlich über das Jubiläum und die Domuhren berichtet wird.

(RP)
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