Digitaler Adventskalender in Sonsbeck Täglich ein Stückchen Heimat

Sonsbeck · Der digitale Adventskalender des Vereins für Denkmalpflege ist im Internet ein Riesenerfolg. Mit 24 Videos hat ein vierköpfiges Team Sonsbecker Geschichte erlebbar gemacht. Wir stellen drei Beiträge vor.

  Worstpennen Thei (l.) mit Lambert Schmithausen auf dem Johanneshof in Ursel.

 Worstpennen Thei (l.) mit Lambert Schmithausen auf dem Johanneshof in Ursel.

Foto: Verein für Denkmalpflege

Am Donnerstag wird es geöffnet: das 24. Türchen. Am Donnerstag erwartet die Sonsbecker eine letzte Anekdote, Erinnerung oder ein Gedankenspiel aus ihrer Gemeinde im digitalen Adventskalender. Doch nicht nur die zahlreichen Nutzer, auch die Initiatoren selbst fiebern dem Finale entgegen. Denn dann entscheidet sich auch, ob das Projekt des Vereins für Denkmalpflege die Marke von 50.000 Klicks erreicht. Die Chancen stehen gut, entwickelte sich der digitale Adventskalender doch zu einem Riesenerfolg im Internet. Die Videos wurden in Summe mehr als 1100 Stunden angeschaut, das sind fast 46 Tage.

„Wir wussten zwar, dass wir da etwas Spannendes anbieten, aber mit dieser Resonanz hat niemand gerechnet“, sagt David Riedel, der den Kalender zusammen mit Christiane und Thomas Grütters sowie Veit Scheuermann erarbeitet hat. „Jedes Video hat mindestens 1000 Klicks bekommen, auf der Straße, an der Supermarktkasse hört man immer wieder die Leute fragen: ,Hast du heute schon das Türchen geöffnet?’ und wir haben zig Nachrichten erhalten, weil jemand auf den Fotos seine Oma oder sich selbst als Kind wiedererkannt hat.“

So groß der Erfolg, so umfangreich war jedoch auch die Arbeit. Mehr als 1000 Stunden hat das Viererteam in das Projekt investiert, über Wochen recherchiert, das Gemeindearchiv sowie Grütters Postkarten- und Artikelsammlung durchforstet, darüber hinaus Bürger dazu aufgerufen, alte Fotos und Informationen zuzuschicken. Im Tonstudio der VTS Medienproduktion von Scheuermann sind daraus dann 24 Filme entstanden. Am Mikrofon standen neben den Initiatoren auch Bürgermeister Heiko Schmidt, Pfarrer Günter Hoebertz, Feuerwehrmann Lars Rübekeil, Ur-Sonsbecker Theo Gesthuysen und viele mehr. Neben Historien und Legenden kamen Lieder, Rezepte und plattdeutsche Gedichte zusammen. „Dieser ehrenamtliche Einsatz kann gar nicht genug gewürdigt werden“, betont Heinz-Peter Kamps, Vorsitzender des Denkmalvereins. „Die Vier haben es geschafft, Sonsbecker Geschichte wirklich erlebbar zu machen.“

Mit den folgenden drei Beiträgen (gekürzt) stellen wir einen kleinen Auszug aus dem Fundus des Adventskalenders vor. Alle weiteren Videos können kostenlos und über Weihnachten hinaus auf der Homepage des Vereins für Denkmalpflege abgerufen werden unter

Vom Landstreicher Worstpennen Thei

60 Jahre lang streifte Worstpennen Thei durch den Niederrhein.

60 Jahre lang streifte Worstpennen Thei durch den Niederrhein.

Foto: Frisörsalon Walter Winkelmann

Den Namen Worstpennen Thei hat in Sonsbeck wohl schon jeder mal gehört. Vom Leben und Schicksal des legendären Landstreichers erzählte Theo Gesthuysen am dritten Tag im Adventskalender – zum Teil auf Platt und in Gedichtform:

Worstpennen Thei wird 1870 als Theodor Rosental geboren. Die Dienstzeit beim Militär sorgt dafür, dass ihm völlig die Lust auf die Arbeit auf den Bauernhof des Vaters abhanden kommt. Dies und seine Treue zu einer jungen Frau der anderen Konfession bringen ihn in Opposition zu seinem Vater. Als sich letztlich der Pastor daran versucht, dem jungen Mann ins Gewissen zu reden, lässt dieser alles stehen und liegen und streift fortan fast 60 Jahre lang durch den Niederrhein. Aus Theodor Rosental wird Worstpennen Thei.

Ein Mann vom alten Schlag: Er trank vom Korn und andrem Zeug drei Liter – jeden Tag. In Hose und Mantel, in jeder Tasche, trug er wohl Jahr für Jahr nichts andres als eine Fuselflasche – die war ihm nie zu schwer. Enorm war sein Durst, kein Glas war ihm zu groß. Und Pennen für gebratne Wurst brachte er zu jedem Hof. Auf Klumpen lief er durch die Stadt, durch niederrhein’sches Land. Er sprach immer richtig Platt – mit Sinn und mit Verstand. Und immer hatte er gute Laune und Freud an der Natur. Er lief immer – gut zu Fuß – durch Wald und Feld zum Bauern. Da lief er dann durch Stall und Scheune, fing kleine Ferkel ein. Und im Winter saß er an dem Feuer der Küchenmagd Kathrin. Geburtstag hatte er oft im Jahr. Das brachte ihm gut was ein. Dann trank er so viel klaren Korn, bis er hatte einen Heiligenschein. Vom Wetter verstand er allerhand. Auch von der alten Zeit. Er fehlt uns nun in unserem Land, aber wir vergessen ihn nicht (plattdeutsche Version im Video).

Unvergessen bleibt eine Anekdote um die Boxteler Bahn. Ein Zeitzeuge berichtet damals, dass der Worstpennen Thei einmal beim Besteigen des Ersatzbusses vom neuen Fahrer zum Bezahlen aufgefordert worden sei. Das habe ihn aber gar nicht berührt und er habe sich einfach einen Sitzplatz gesucht. Auf die erneute Aufforderung zu zahlen, habe er den Fahrer gefragt, ob dieser sich denn nicht bewusst sei, wen er da fahren dürfe. Der Fahrer soll sich völlig verstört hinter das Lenkrad verzogen haben.

Das Leben von Worstpennen Thei endet – wie das der meisten Landstreicher – tragisch. Von Gicht geplagt, an Stöcken gehend und innen vom Alkohol ausgebrannt, wird er in ein Heim eingeliefert. Das Eingesperrtsein und Verweilen an einem Ort sind nichts für Thei. Mit etwa 90 Jahren verstirbt er – man sagt: in Bedburg.

Die Klagen des Schulleiters Anton Körting

 Anton Körting, von 1887 bis 1925 Leiter der katholischen Volksschule Sonsbeck, mit seiner Frau. 

Anton Körting, von 1887 bis 1925 Leiter der katholischen Volksschule Sonsbeck, mit seiner Frau. 

Foto: Verein für Denkmalpflege

Über die „Probleme im Schulalltag“ vor fast 120 Jahren erfahren wir in einem mit Augenzwinkern vorgetragenen Beitrag am achten Tag des Adventskalenders. Zitiert wird ein Eintrag von Anton Körting (Foto mit Ehefrau), der die katholische Volksschule Sonsbeck von 1887 bis 1925 geleitet hat:

Heute besuchte der Herr Landrat von Moers in Begleitung des Herrn Bürgermeisters die katholischen Schulen und verweilte eine Zeitlang beim Unterricht der Knaben-Oberklasse. In den übrigen Klassen war der Unterricht bereits beendet und die Kinder entlassen. Der Herr Landrat wunderte sich über das bleiche, schwächliche Aussehen der Knaben, was er in einer Landgemeinde nicht für möglich hielt, und fragte nach den Ursachen desselben.

Für die mit den hiesigen Verhältnissen Vertrauten liegen die mannigfaltigen Ursachen klar zutage. Abgesehen von den wenigen Kindern aus der Ploheide bei Veen und Bönnighardt haben wir hier rein städtische Verhältnisse mit allen dunklen Seiten derselben – da sind: sehr mangelhafte Schlafräume, Naschhaftigkeit, Hausindustrie – früher Weberei, jetzt Stuhlsitzflächen – ferner als größtes Übel der Schnapsgenuss der Eltern. Letzteres Übel soll früher noch schrecklicher gewesen, aber durch die Tätigkeit des letzten verstorbenen Pfarrers wesentlich eingeschränkt sein. Aber auch jetzt grassiert es noch, wenn auch nicht mehr so öffentlich wie früher, so doch heimlich. Am aller traurigsten ist es aber, dass auch die Frauen hier Schnaps trinken. Die Folgen sind leider an den Kindern zu sehen, da man beinahe die Hälfte der Schüler als schwachsinnige Kinder bezeichnen kann.

De Sonsbeckse Wortel

Sonsbecks Bürgermeister Heiko Schmidt im Studio der VTS Medienproduktion.

Sonsbecks Bürgermeister Heiko Schmidt im Studio der VTS Medienproduktion.

Foto: Verein für Denkmalpflege

Warum der Begriff „Sonsbeckse Wortel“ für die Sonsbecker lange eine Beleidigung war, erklärte Bürgermeister Heiko Schmidt am neunten Tag des Kalenders (nach einem Text von Georg Weber):

Es war einmal vor sehr langer Zeit, ich meine so, es war ihm frühen Sommer 1623 oder war es etwa 1632, da war kriegerische Zeit und die Bürger mussten auf der Hut sein vor streunenden Söldnerhorden und allerlei Gesindel. So auch die Sonsbecker, die inzwischen ihre gar treffliche Stadt mit großer Mauer und stattlichen Toren schützten. Eines Tages, der Nachtwächter machte wie immer seine späte Runde, bemerkte er mit großem Schrecken, dass der Riegel am Stadttor fehlt. In seiner Not schließt er das Tor mit einer Mohrrübe, sein Weib hatte sie ihm zum Knabbern mitgegeben.

Etwas war ihm allerdings entgangen. Ein Ganter war ausgebüxt aus seinem maroden Stall und schnatterte gelangweilt durch die Gassen, hier und da noch etwas Fressbares zu ergattern. Man kann die Freude des Federviehs verstehen, als es plötzlich die prächtige Möhre im Riegel des Stadttores erkannte. Gleich machte es sich über diese her und verputzte sie mit Stumpf und Stiel, nicht ahnend, die ganze Stadt jedwedem Gesindel ausgeliefert zu haben.

So schimpften viele Bürger als sie in der Früh das Fehlen ihrer Esel, Hühner oder sonstiger Habe bemerkten. Die Geschichte machte schnell die Runde und wie fast immer brauchten die, welche den Schaden hatten, für den Spott nicht zu sorgen. „De Sonsbeckse Wortel“ (Wurzel) war zum geflügelten Wort für Einfalt und Unvorsicht geworden und findet auch heute noch hin und wieder den Weg über die Lippen eines Kervenheimers, Winnekendonkers, Veeners oder gar Xanteners. Die Sonsbecker hören das gar nicht gerne und manche Keilerei in Verteidigung der Ehre unserer Stadt hat so den Anfang gefunden.

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