Xanten Blick in die goldene Zeit der Archäologie

Xanten · Eine Sonderausstellung im Römermuseum thematisiert Ausgrabungen auf dem Xantener Fürstenberg vor dem Ersten Weltkrieg.

 Im Ausstellungsraum (von links): Museumsleiterin Charlotte Schreiter, Maike Sieler (Kuratorin), Marion Brüggler (LVR-Amt für Bodendenkmalpflege), Dirk Schmitz (Kurator), Stephanie Buchholz (LVR-Projektkoordinatorin), Kathrin Jaschke (Kuratorin).

Im Ausstellungsraum (von links): Museumsleiterin Charlotte Schreiter, Maike Sieler (Kuratorin), Marion Brüggler (LVR-Amt für Bodendenkmalpflege), Dirk Schmitz (Kurator), Stephanie Buchholz (LVR-Projektkoordinatorin), Kathrin Jaschke (Kuratorin).

Foto: armin fischer

Der 2. August 1914 markiert das vorläufige Ende der Ausgrabungen auf dem Fürstenberg. Es war der Tag nach der Mobilmachung. Kurz später wechselten die Männer, die das römische Militärlager Castra Vetera erforscht hatten, vom Ausgrabungsfeld auf das Feld der Ehre. Insgesamt ein Drittel der Castra Vetera hatten die in Diensten des damaligen Provinzialmuseums Bonn stehenden Mitarbeiter zwischen 1905 und 1914 freigelegt, dokumentiert und wieder verbuddelt, bevor sie in den Krieg zogen. Diese Ausgrabungen bieten die Vorlage für eine Sonderausstellung im Römermuseum Xanten: "An den Grenzen des Reichs". Sie ist Teil eines Projekts des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), bei dem sich in diesem Jahr alle LVR-Museen dem Thema "Erster Weltkrieg" widmen.

Kaiser Wilhelm II., ein Archäologie-Enthusiast, ließ sich über die Xantener Ausgrabungen auf dem Laufenden halten. Der Konflikt zwischen den Römern und den Germanen bot dem Deutschen Reich einen Halt bei der mühsamen Suche nach einer Identität und historischen Legitimation. Aus dem Xantener Militärlager, dem größten im Römischen Reich, war im Jahr 9 Varus mit seinen Legionen losgezogen, um von "Hermann" (Arminius) vernichtend geschlagen zu werden. Der Konflikt zwischen Germanen und Römern diente als Blaupause für die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Wobei die Sonderausstellung zeigt, dass sich das Deutsche Reich gerne auch bei den Römern bediente: Der deutsche Adler, zu sehen auf preußischen Gardehelmen, ist (ebenso wie der französische Kaiseradler) dem römischen Legionsadler nachempfunden.

Die Ausstellung dokumentiert anhand von Fotos, Berichten, Werkzeugen und Fundstücken die einstigen Ausgrabungen auf dem Fürstenberg. Und sie unterstreicht die Rolle des Niederrheinische Altertumsvereins Xanten (NAVX) in dieser - so Museumsleiterin Charlotte Schreiter - "goldenen Zeit der Archäologie". Bis 1908 stellte der NAVX römische Fundstücke im alten Rathaus aus, ab 1908 dann in einem Museum im Klever Tor. Das ausgestellte Gästebuch belegt, dass Archäologen von fern her zur Eröffnung des Museums anreisten. Paul Steiner, Leiter des NAVX, korrespondierte mit Fachleuten im In- und Ausland.

Zu sehen ist auch, wie Forschungsergebnisse in Schulen oder Museen didaktisch vermittelt und im Alltag patriotisch ausgeschlachtet wurden. Da ist zum Beispiel die mannshohe Figur eines idealisierten Legionärs, die um 1900 in einem Museum in Speyer stand. Aus heutiger Sicht eine Darstellung mit vielen Fehlern. "Aber die Forscher in 100 Jahren werden auch darüber lachen, wie wir uns heute die Römer vorstellen", vermutete Schreiter.

Noch mehr ins Reich der Fantasie gehören die klischeehaften Figuren und Zeichnungen markiger Germanen mit ihren beflügelten Helmen. Das Museum hat zwei Germanen-Exemplare aufgetrieben, die einst ein Karussell auf einem Jahrmarkt zierten. Wie weit der Germanen-Hype reichte, zeigt nicht zuletzt die Aufführung des Melodrams "Castra Vetera" bei den Niederrheinischen Festspielen 1900 in Wesel. Die Dichterin Johanna Baltz lieferte nationalistische Texte, Max Reger komponierte die Musik. In "lebenden Bildern" wurde auf der Bühne der Sieg der Germanen über die Römer gefeiert. Die Xantener Schau lässt in Bild und Ton nachempfinden, wie pathetisch es dabei zuging.

(RP)
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