Xanten Bei van Bebber wird Geschichte erlebbar

Xanten · Zum ersten Mal lud das Hotel am Sonntag zu einer offenen und kostenlosen Führung mit Chronist Tim Michalak ein.

 Chronist Tim Michalak gestaltete die Führung. Die fand auch vor dem Hotel statt. Die Besucher lernten: Das eigentliche Hotel stand früher weiter rechts - wo heute Rechtsanwalt Gatermann ist.

Chronist Tim Michalak gestaltete die Führung. Die fand auch vor dem Hotel statt. Die Besucher lernten: Das eigentliche Hotel stand früher weiter rechts - wo heute Rechtsanwalt Gatermann ist.

Foto: Armin Fischer

Es ist ein Haus mit Geschichte und voller Geschichten: Schon Kaiser Napoleon gastierte im "Hotel van Bebber" (damals "Niederrheinischer Hof"). Der Revolutionär Friedrich Engels schrieb gar von der "seltsam gemischten Ausstellung" im Gasthof, und auch der berühmte Komponist Engelbert Humperdinck sinnierte bei seinen abendlichen Besuchen in der Wirtsstube über die Spießbürgerlichkeit des Städtchens Xanten. Zum ersten Mal lud das "Hotel van Bebber" am Sonntag zu einer offenen und kostenlosen Führung unter dem Titel "Anekdoten von berühmten Gästen und verborgenen Räumen" ein. Bei einem Rundgang durch die historischen Räume stellte der Xantener Historiker und Autor der Chronik "230 Jahre Hotel van Bebber", Tim Michalak, die abwechslungsreiche Geschichte des Traditionshauses vor. Das Interesse war so groß, dass spontan eine weitere Führung angeboten werden musste.

Innerhalb kürzester Zeit war die auf 30 Personen begrenzte erste Führung durch das Hotel ausgebucht. "Die Leute haben uns geradezu überrannt", sagte der Historiker Tim Michalak erfreut. Besonders gefreut habe ihn dabei, dass vor allem Xantener sich für die Geschichte und Geschichten des Traditionshauses interessierten. "Man lebt in Xanten und weiß, wie geschichtsträchtig das Hotel ist, und doch weiß man so wenig darüber", erklärte eine Besucherin.

Zwei Fakten, die die wenigsten wissen: Der 1782 von Familie Ingenlath gegründete "Niederrheinischer Hof" befand sich ursprünglich nicht in dem heutigen Hotelgebäude, sondern im Nachbargebäude nördlich davon. "Das eigentliche Stammhaus wurde bei den verheerenden Luftangriffen Anfang 1945 allerdings vollständig zerstört", verdeutlichte Michalak. Jüngste Recherchen ergaben darüber hinaus, dass die Geschichte des Stammhauses sogar bis ins Spätmittelalter zurückreiche. "Inwieweit im Stammhaus bereits vor dem "Niederrheinischen Hof" ein Gasthaus bestand, muss aufgrund fehlender schriftlicher Quellen weitgehend offen bleiben. Es ist aber davon auszugehen, dass es an der Klever Straße schon im 15. Jahrhundert eine Herberge mit unbekanntem Namen gegeben haben muss", bemerkte der Historiker. Indizien dafür zeigte er den Gästen in dem im Rokoko-Stil gehaltenen "Fürstenzimmer" des heutigen Hotels. Dort sind mehrere, aus dem zerstörten Stammhaus geretteten, Fensterbilder mit Inschriften und Darstellungen ausgestellt. Das älteste stammt aus dem Jahre 1606, das "Vicarius Beseus" erwähnt - vermutlich den "Vikar des St. Petersaltars zu Xanten", wie Michalak erklärte. Ein weiteres Fensterbild zeigt Napoleon Bonaparte sowie Friedrich den Großen, der nachweislich 1763 in Xanten zu Gast war. "Daraus lässt sich schließen, dass der "Niederrheinische Hof" bereits vor der Gründung beziehungsweise Übernahme durch Familie Ingenlath als Gasthaus bestanden haben könnte. Einige der Fensterbilder sollten wohl an eine heute vergessene Gasthaustradition erinnern", resümierte Michalak.

Doch auch die jüngere Geschichte des Traditionshauses war bewegt. 1892 übernahm Familie van Bebber das Hotel für eine damals stattliche Summe von 20 000 Mark. "Es war das erste Haus in Xanten mit eigenem Telefonanschluss", so der Historiker. Erreichbar mit der Durchwahlnummer 1.

Der 1. Weltkrieg jedoch brachte die Familie fast an den Ruin, da die Räume als Massenquartier für Soldaten dienten. "Zeitweilig war das Hotel so überfüllt, dass die Soldaten in der Küche auf dem Boden schlafen mussten", erzählte Michalak. In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zum Skandal, als 1936 die regimekritische Hotelfamilie zur katholischen Jugendkundgebung zahlreiche Gäste von nah und fern einlud, nur nicht die führenden Vertreter der Stadt und Partei.

1940 wurde das erste Gästebuch eingeführt: Darin verewigt haben sich bis heute unter anderem Thomas Gottschalk, Angela Merkel, "die Ärzte" und die "Scorpions". Seit 25 Jahren leitet Familie Dreveldt das Viersterne-Hotel.

(beaw)
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