Industriekletterer arbeiten am Dom Zwei, die immer hoch hinaus müssen
Xanten · Als Industriekletterer sind Falk Kirchner und Yvonne Zech stets in luftiger Höhe im Einsatz. Jetzt auch am Xantener Dom.
An einem wolkenverhangenen Freitagvormittag bei zwölf Grad Außentemperatur gibt es angenehmere Arbeitsplätze als den von Falk Kirchner und Yvonne Zech. Der befindet sich nämlich auf rund 75 Metern Höhe, oben am Xantener Dom. „Vom Wind her ist es beinahe schon grenzwertig”, sagt Kirchner.
Freilich sind die beiden Industriekletterer nicht dort oben, um die Aussicht auf die Römerstadt zu genießen. Die sei zwar auch ganz nett gewesen, bei sonnigem Wetter aber sicherlich noch schöner“, vermutet Kirchner. Gemeinsam mit seiner Kollegin soll er auf dem Dach des Nordturms das Kreuz wieder korrekt ausrichten. „Das Kreuz ist schon länger etwas schief“, sagt Johannes Schubert, Leiter der Dombauhütte. Bei einem kräftigen Sturm im Februar sei das allerdings weiter verdreht worden. „Da waren wir in Sorge, dass das Kreuz abstürzen könne oder das Dach undicht geworden sei“, sagt Schubert. Nach einem Drohnenflug und der Begutachtung der Bilder entspannte sich die Gemütslage bei den Verantwortlichen jedoch schnell.
Trotzdem sollen die Industriekletterer ausrücken und sich das Ganze einmal aus der Nähe angucken. Einen Großteil des Weges nach oben können sie im Turm bewältigen, nur für die letzten Meter müssen sie hinaus auf das Dach. Schritt für Schritt steigt Kirchner das steile Dach hinauf, seine Partnerin sichert ihn von innen. Bei jedem Steigeisen setzt er den Karabinerhaken und kann dann ein Stückchen weiter nach oben. Nach eineinhalb Stunden Aufstieg dann die Ernüchterung: Die Kugel unterhalb des Kreuzes, die sich auf dem sogenannten Kaiserstiel befindet, ist im Durchmesser zu groß, als dass der Industriekletterer daran vorbei käme oder das Kreuz zu fassen bekäme. So muss er unverrichteter Dinge wieder absteigen.
Mit einem Modell wollen die Experten deshalb nun testen, ob ein größerer Kollege mit längeren Armen dort etwas ausrichten könne. Generell nehme die Vorbereitung auf einen Einsatz durchaus einiges an Zeit in Anspruch, allein schon, weil es in dem Beruf keine Routine gibt. So muss auch jedes Mal ein Rettungskonzept erarbeitet werden. „Wenn man in so einer Höhe arbeitet und etwas passiert, dann kann mir die Feuerwehr auch nicht helfen. Nur meine Partnerin“, sagt Kirchner. Die 75 Meter in Xanten seien für ihn eine normale Höhe. In Niederaußem habe er in 187 Metern Höhe Schrauben an einem Kraftwerk festgezogen, erzählt er. „Angst habe ich bei meinen Einsätzen keine. Seit zwölf Jahren mache ich das schon, da kennt man seine Grenzen und weiß das richtig einzuordnen“, sagt Kirchner.
Den typischen Weg zum Beruf des Industriekletterers gibt es nicht. Kirchner hat Dachdecker gelernt und war danach im Gerüstbau tätig, Zech war vorher Malerin und Lackiererin. Körperliche Fitness ist für den Job unabdingbar. „Heute tragen wir 20 Kilogramm Ausrüstung mit uns herum, bei anderen Einsätzen haben wir auch manchmal 60 oder gar 70 Kilogramm Equipment hochzuschleppen“, sagen die beiden. Am wichtigsten sei allerdings die Teamfähigkeit und das gegenseitige Vertrauen. Nur wenn man sich blind auf den anderen verlassen kann, könne man erfolgreich arbeiten.
Auch wenn das eigentliche Ziel in Xanten nicht erreicht werden konnte, müssen Kirchner und Zech noch einmal nach Xanten kommen. Dann sollen sie auf dem Südturm Dachschiefern ausbessern. „18 Grad, kein Wind und Sonne, das sind die perfekten Bedingungen“, sagt Zech. Und genau die wünschen sich die beiden für ihren zweiten Aufstieg.