Xanten 200 Schafe für ein Buch

Xanten · Mit einer Aktion soll im Siegfriedmuseum gezeigt werden, was im Mittelalter gebraucht wurde, um ein einzelnes Buch herzustellen.

 Josefina und Valentia mit den ersten Schafen. Die Papp-Tiere sollen verdeutlichen, wie viele Schafshäute im Mittelalter für ein Buch nötig waren.

Josefina und Valentia mit den ersten Schafen. Die Papp-Tiere sollen verdeutlichen, wie viele Schafshäute im Mittelalter für ein Buch nötig waren.

Foto: Arfi

46 Schafe stehen bereits fertig gebastelt im Wehrgang des Siegfriedmuseums. 200 Pappkartonschafe sollen es einmal werden. Um Kindern sowie Museumsbesuchern einen Eindruck davon zu vermitteln, was es im Mittelalter brauchte, um ein Buch wie das Nibelungenlied herzustellen, hat sich Museumsleiterin Anke Lyttwin eine besondere Aktion ausgedacht. "200 Schafe für ein Buch" heißt diese. Als Bastelaktion im Museum und der Offenen Ganztagsschule der Viktor-Grundschule Xanten sorgt sie für pädagogisch wertvolle Kurzweil bei den Kindern. Das Ergebnis dient im Siegfriedmuseum zudem als Anschauung zur Überlieferungsgeschichte des Nibelungenliedes.

Die Idee kam Lyttwin bei einem Besuch des LWL-Römermuseums in Haltern. Dort sind über 15 000 Mini-Römer aus Playmobil ausgestellt, die die drei Legionen des Varus auf ihrem Marsch ins Verderben darstellen. "Wenn man solch gewaltige Zahlen einfach nur hört, kann man sich die Dimensionen meist gar nicht vorstellen", bemerkte die Museumsleiterin.

Ähnlich sehe es bei den Mengen an Tierhäuten aus, die, zu Pergament verarbeitet, als Beschreibstoff für ein mittelalterliches Buch notwendig waren. "Für ein Buch wie das Nibelungenlied brauchte man eine ganze Herde. Bis zu 200 Schafe waren für die Produktion notwendig", so Lyttwin. "Nun kann ich keine 200 Schafe durchs Museum führen", ergänzte sie lachend. Auch mit Spielzeugfiguren wäre die Illustration ein teures Unterfangen geworden. "Bei der Bastelaktion aber können Kinder selbst am Anschauungsstück arbeiten. Sie haben Spaß und lernen bei einer Einführung zudem noch viel über das Nibelungenlied, die Handschrift und das Mittelalter", erklärte die Museumsleiterin.

So wie Marlene Korth (5) und ihr Bruder Alexander (7). Die Geschichte von Siegfried kannten die Geschwister vor der Aktion noch nicht. Beide finden sie sehr spannend. "Vor allem, dass Siegfried in Drachenblut gebadet hat und dadurch fast unbesiegbar wurde", betonte der Siebenjährige.

Auch dass es so aufwendig war, im Mittelalter ein Buch herzustellen, hätten die Kinder nicht gedacht. "Ich habe überhaupt noch nie eine so große Herde gesehen", bemerkte Marlene. Zu Hause haben die Geschwister fast 100 Bücher im Schrank stehen. Bei dem Gedanken, wie viele Schafe dafür nötig wären, wurde ihnen ganz schwindelig.

"Durch die Aktion bekommen die Kinder auch einen Eindruck davon, wie wertvoll ein Buch im Mittelalter war. Es geht nicht nur um das benötigte Pergament. Da alles rein handschriftlich aufgeschrieben wurde, dauerte es rund ein Jahr, um ein Buch fertigzustellen", erklärte Lyttwin.

Das Thema Handschrift erhält dank der neuen Themenführung "Buch und Feder" künftig noch mehr Beachtung. "Gerade da die Nibelungensage über die Jahrhunderte hinweg mündlich verbreitet wurde und es zahlreiche voneinander abweichende Fassungen gibt, spielt die schriftliche Fixierung eine zentrale Rolle für die Überlieferungsgeschichte", so Lyttwin. Ebenso neu sind die Themenführungen "Nadel und Faden", "Wappen und Schild" sowie "Kurzweil und Spiel".

(beaw)
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