Wuppertal Was der Fußball für das Leben lehrt

Wuppertal · Das Leben nach der Profi-Karriere: Die früheren Kicker Andreas Gensler und Christian Maly arbeiten jetzt als Erzieher in Kinder- und Jugendwohngruppen. Ihre sportlichen Erfahrungen halten sie bei der Konfliktbewältigung für hilfreich.

Im Trikot des WSV zählten Andreas Gensler und Christian Maly zu den Spielern, mit denen sich die Wuppertaler Fans hundertprozentig identifizieren konnten. Auch nach ihrer aktiven Zeit sind beide Vorbilder geblieben: Doch nicht mehr auf dem grünen Rasen vor vielen tausend Zuschauern, sondern im familiären Kreis der städtischen Kinder- und Jugendwohngruppen, wo sie in ihrem zweiten Berufsleben als Erzieher tätig sind.

Andreas Gensler steht in der Küche einer der Kinderwohngruppen Am Jagdhaus und schaut zufrieden und verschmitzt in die Welt. So wie einst, als er seine Gegenspieler mit schnellen Haken auf dem Fußballplatz vernaschte. An diesem Morgen hat Gensler "seine" neun Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren geweckt, ihnen das Frühstück zubereitet und dann darauf geachtet, dass sich alle rechtzeitig auf den Weg zur Schule machen. Die Nacht hat der Vater einer kleinen Tochter mit im Haus verbracht, denn die Betreuung der Kinder, die von einem fünfköpfigen Team geleistet wird, geht an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr.

Andreas Gensler, der 1998 im Trikot von Bayer Leverkusen das Tor des Monats schoss und Juniorennationalspieler war, ist neben vier Erzieherinnen der einzige Erzieher in seiner Wohngruppe. "Ich denke, Erzieher erfüllen eine wichtige Aufgabe, denn viele Kinder, die aus den unterschiedlichsten Grünen zu uns kommen, haben den männlichen Einfluss in ihrer Familie zuvor entweder gar nicht oder nur negativ kennengelernt." Im Anschluss an seine Profikarriere wollte er ursprünglich Sportlehrer werden, entschied sich dann aber für eine dreijährige Ausbildung zum Erzieher.

Christian Maly, langjähriger Stammtorhüter des WSV, wollte zunächst zurück in seinen Beruf als Industriekaufmann. Als sich ihm die Möglichkeit zur Umschulung bot, schlug er eine neue Richtung ein. "Es ist uns wichtig, dass wir ein Gegenpol zu dem Männerbild sind, das viele Kinder und Jugendliche sonst nur kennen", sagt er. Maly betreut eine Jugendgruppe auf den Südhöhen. Seine Aufgabe ist es, die Jugendlichen auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten.

In Andreas Genslers Gruppe steht altersbedingt die reine Betreuung stärker im Vordergrund. Ihre Erfahrungen als Profikicker halten beide bei der Bewältigung von Konflikten für hilfreich. "Im Prinzip sind wir ein bisschen wie die Trainer gefordert. Wenn es gut läuft, muss man weniger eingreifen", sagt Gensler. Wie sensibel Gruppen auf Veränderungen in der Zusammensetzung reagieren, ist beiden ebenfalls aus dem Profisport bekannt. Gensler: "Mit jedem neuen Mitglied ändert sich die Hierarchie in der Gruppe."

Es ist absehbar, dass zunehmend Flüchtlingskinder aufgenommen werden. "Das wird klappen", glaubt Gensler. Christian Maly strahlt wie einst im WSV-Tor Ruhe aus: "Bei allen Problemen, die oft durch die Pubertät bedingt sind - es passiert nix, was man von RTL Extra kennen würde. Und wenn einer Mist baut, gehe ich nicht gleich an die Decke."

Fußball spielt nicht mehr die Hauptrolle. "Der Abschied war bei mir schleichend und weniger schmerzhaft, als ich dachte", sagt Gensler. Er will nun seine Fußball-AG mit "Bob" Maly ausbauen.

(RP)
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