Modellprojekt des Landes Dritte Stadt in NRW geht gegen Kindergeldbetrug vor

Wuppertal · Mit dem Projekt „Missimo“ will das Land den Kommunen dabei helfen, den Missbrauch von Sozialleistungen aufzudecken. In Wuppertal wird nun in mehr als 90 Verdachtsfällen ermittelt. Das Vorgehen der Täter ist immer ähnlich.

 Bestimmte Tätergruppen haben sich auf Kindergeldbetrug spezialisiert.

Bestimmte Tätergruppen haben sich auf Kindergeldbetrug spezialisiert.

Foto: dpa/Jens Büttner

Als dritte Stadt in NRW hat Wuppertal das Modellprojekt „Missimo“ umgesetzt, um den Missbrauch von Sozialleistungen aufzudecken. Vorrangig geht es dabei um den unrechtmäßigen Bezug von Kindergeld. Das Besondere: Verschiedene kommunale Behörden wie Einwohnermeldeamt, Gesundheitsamt, Schulen, Jobcenter und Polizei arbeiten eng mit der Task Force NRW des Landeskriminalamts (LKA) und der Familienkasse NRW West zusammen. In Wuppertal suchte die Polizei laut Stadtdirektor Johannes Slawig 171 Objekte auf, dabei wurden 90 Verdachtsfälle ermittelt sowie 29 Familien, bei denen das Jobcenter prüfen muss, ob Leistungen rechtmäßig gezahlt werden. „Ob das am Ende zu strafrechtlichen Konsequenzen führt, müssen die weiteren Untersuchungen zeigen“, sagt Slawig.

Erstmalig erprobte Krefeld das Projekt im Jahr 2019, damals entdeckten die Behörden 83 Familien, die zu Unrecht Kindergeld erhielten. In Gelsenkirchen wurden ein Jahr später 105 Wohnungen kontrolliert; 127 Kinder bezogen unberechtigt Geld von der Familienkasse. In Wuppertal konnte die Anzahl der Kinder ohne Kindergeldanspruch sowie die Schadenshöhe noch nicht endgültig beziffert werden. Der Schaden belaufe sich aber voraussichtlich auf einen sechsstelligen Betrag, sagt Sören Haack, Leiter der Familienkasse NRW West. Derzeit werde der Kindergeldanspruch von etwa 100 Kindern geprüft. Bei der Sichtung der Daten geht es auch darum, Strukturen der Organisierten Kriminalität aufzudecken. In Wuppertal wurden laut Polizeipräsident Markus Röhrl dazu aber keine konkreten Hinweise gefunden.

Das Prozedere der Täter ist immer gleich: Sie locken kinderreiche Familien, hauptsächlich aus Südosteuropa und den Balkanstaaten, mit falschen Versprechen nach Deutschland, beantragen für sie Sozialleistungen (vor allem Kindergeld) und lassen sie in mitunter menschenunwürdigen Unterkünften wohnen. Oft werden die Familienmitglieder zu weiteren Straftaten animiert. Reisen die Familien in ihre Heimat zurück, so fließt das Kindergeld teilweise bis zum 18. Lebensjahr rechtswidrig weiter – häufig auf die Konten von Hintermännern. Dem soll mit dem Modellprojekt ein Ende gesetzt werden. Zudem würden laut Slawig oft weitere Vergehen festgestellt wie Verstöße gegen das Melderecht oder eine mangelhafte Bausubstanz von Wohnungen.

Weitere Anfragen von Städten, die sich für das Projekt interessieren, liegen laut Haack bislang nicht vor. Dies hänge sehr von der kommunalpolitischen Initiative ab. „Die Familienkasse ist aber offen für weitere Pläne“, sagt Haack. Auch das LKA wolle „Missimo“ weiterführen, erklärt Röhrl, der sich auch bereit zeigte, entsprechenden Amtshilfeersuchen aus den Nachbarstädten Solingen und Remscheid nachzugehen. „Ich kann nur jeder Kommune dazu raten, dies umzusetzen“, sagt Slawig. Ein Effekt von „Missimo“ sei laut Haack zum Beispiel, dass die Behörden in Krefeld und Gelsenkirchen nun dafür sensibilisiert seien, enger zusammenzuarbeiten. „Wenn etwa Schüler nicht mehr am Unterricht teilnehmen, wird das an die Familienkasse berichtet“, sagt Haack. „Wir schreiben dann die Familien an und leiten gegebenenfalls ein Strafverfahren ein.“

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