Wülfrather in Feierlaune Kartoffelfest auf Zeitreise
Wülfrath · Die 35. Auflage der beliebten Veranstaltung hatte zwar mit einigen Wetterkapriolen zu kämpfen, doch die Besucher ließen sich nicht abschrecken.
Auswärtige können es vielleicht nicht verstehen, schmunzeln möglicherweise darüber, doch in der Kalkstadt wird der tollen Erdknolle jährlich und standesgemäß gehuldigt. Das Wülfrather Kartoffelfest, ein etwas anderes Herbstfest, das große und kleine Besucher gleichermaßen erfreut und ohne viel Schnickschnack, dafür aber mit vielen Leckereien, einem handgestrickten Bühnenprogramm und einer ausgeprägten Gemeinschaft auskommt. Schon am Freitag ging es mit der 35. Auflage des Kartoffelfestes auf der Schwanenstraße los.
Eröffnet wurde das Spektakel um 17 Uhr von den Tanzmariechen der Kalkstadtnarren. Kurz danach hatte sich wieder ein Wülfrather Promi in einem Kartoffelsack versteckt. Über Ja- und Nein-Fragen sollten die Besucher erraten, wer sich diesmal unter dem großen Jutebeutel verbarg. Keine einfache Aufgabe, wie Cheforganisator Dirk Herbener von Wülfrath Pro sagte. „Die Besucher haben diesmal schon gute zehn Minuten gebraucht, um dahinterzukommen.“
Diesmal hatte sich die ehemalige Gemeindereferentin von St. Maximin, Ulrike Platzhoff, unter dem Sack versteckt. Von Jahr zu Jahr, so Herbener offen, werde es schwieriger, einen Promi für den Sack zu finden. „Viele haben schon gesagt, ich sollte mich selbst mal darin verstecken, aber das würde ja schnell auffallen, wenn ich nicht da bin.“ Denn Herbener ist während der drei Festtage im Dauereinsatz. Nur zu finden ist er nicht immer einfach, weil er sich Jahr für Jahr – je nach Motto – ordentlich in Schale wirft.
Diesmal zu „Kartoffelfest meets the 90’s“ hatte er sich, mit blonder Perücke, einer breiten Jeans-Cargohose, Hoodie und Goldkettchen, in ein austauschbares Mitglied der in den 90ern so beliebten Boybands verwandelt. Auch einige Besucher kamen in entsprechenden Outfits vorbei, etwa mit farbigen Ringelstrümpfen, hohen Zöpfen oder grellen Oberteilen.
Der Auftakt am Freitag, berichtete Herbener, lief kürzer als geplant. Am Abend, als die Band „ReBoot“ loslegen wollte, öffneten sich die Regenschleusen über die Wülfrather Innenstadt. „Um 21.30 Uhr haben dann alle Aussteller geschlossen und um 22 Uhr haben wir den Abend schließlich abgebrochen.“ Doch schon am Samstagvormittag ging es auf der kurzen Promenade mit dem Festakt weiter und diesmal ließen sich die Besucher von den kurzen Regenschauern nicht abschrecken.
Als nach der Eröffnung ab 15 Uhr die ersten Wülfrather Retro-Games auf dem Programm standen, hatte sich der Platz rund um die Bühne gut gefüllt. Die Bierzeltgarnituren waren allesamt besetzt und auch an den Ständen, beim Reibekuchen-, Kartoffeln- und Crêpes-Verkauf standen die hungrigen Besucher Schlange. Zu der etwas anderen Spielolympiade hatten sich sechs Freiwillige gemeldet: drei Erwachsene, die die 90er-Jahre offenkundig miterlebt hatten, und drei Mädchen im Teenie-Alter.
Beim Hula-Hoop-Wettkampf zeigten die Jüngeren ein deutlich besseres Durchhaltevermögen und den deutlich besseren Hüftschwung. Bei den drei Erwachsenen reichten bereits wenige Sekunden aus, da stand mit Tanja die Siegerin fest. Bei den drei Jüngeren musste das Spiel nach fünf Minuten ohne klaren Sieger abgebrochen werden. Punkte gab es für sie alle. Beim anschließendem Dosenwerfen profitierten die Älteren von ihrer Kraft, doch auch die Mädchen schlugen sich überraschend gut. Beim letzten Spiel „Musikschnipsel raten“ setzte ein kurzer Regenschauer ein, bei dem die Gäste zunächst noch auf ihren Plätzen sitzen blieben und kurzerhand den Schirm auspackten.
Als es etwas heftiger nieselte, suchten sich alle einen Unterschlupf am Getränkewagen oder in den Hauseingängen, verließen das Fest aber nicht. Auf der Bühne ging es derweil weiter, wobei hier die Jüngeren tatsächlich den Kürzeren zogen. Denn viele der angespielten Liedschnipsel konnten sie allein aufgrund ihres Alters nicht kennen. Lou Begas „Mambo No.5“, Take Thats „Back for good“ oder die Vengaboys waren lange vor ihrer Zeit in den Charts. Doch am Ende holte sich nach einem kurzen Stechen am Hula-Hoop die junge Tuana vor Tanja und Amelie den Sieg der ersten Wülfrather Retro Games. Ein gelungenes Spektakel, das im weiteren Verlauf des Nachmittags noch mit Karaoke garniert wurde.
Dirk Herbener zeigte sich am Samstagnachmittag zufrieden. Doch auch die Besucher freuten sich über das kleine, aber feine Fest. Sandra (44) und Annika (45) waren zuletzt als Kinder auf dem Kartoffelfest gewesen. Zwischendurch zogen die Frauen weg, gründeten Familien. An diesem Samstag kehrten sie zurück in die Heimat. „Ich habe das Fest ein bisschen größer in Erinnerung, aber ich finde, Wülfrath hat das beste daraus gemacht“, urteilte Annika. Für Sandra war das Kartoffelfest eine gute Gelegenheit, um alte Leute wiederzutreffen.
„Das Kulinarische ist besser als auf jeder anderen Kirmes“, lobte sie. Für Elke Reich (79) und Jutta Herbener (78) ist der Kartoffelfestbesuch Tradition: „Für uns hat das Fest eine sehr große Bedeutung. Sonst gibt es hier ja nicht viel.“