Wülfrath Mit Tempo 200 die Freiheit spüren

Wülfrath · Ingo Grimm schraubt nicht nur an historischen Rennwagen - er fährt sie auch noch. Ein Besuch auf dem Nürburgring.

Wülfrath: Ingo Grimm fährt bei Autorennen mit
Foto: Mikko Schümmelfeder

Links ein Porsche RSK. Rechts ein Maserati A6 GCS. Drumherum ein paar alte Formel 1. Und mittendrin Ingo Grimm. Ob dem Wülfrather die alten Luxusschlitten gehören? Nein, keineswegs! Aus der Portokasse wären die millionenschweren Gefährte ohnehin nicht zu bezahlen. Derweil hat Ingo Grimm das, was viele Männer wohl für einen Traumjob halten würden: Er schraubt nicht nur an Autos herum, nein, er fährt sie auch. Und das immer wieder gern - mit mehr als 200 Stundenkilometern auf dem Nürburgring.

Der Wülfrather ist ein gefragter Mann auf der Rennstrecke – vor allem bei den Leuten, in deren Garage die edlen Vehikel üblicherweise parken. Zwischendrin kommen sie auch mal an die frische Luft. So wie vor kurzem, beim Oldtimer Grand Prix in der Eifel oder beim Festival of Speed im englischen Goodwood: Seine Kundschaft ist überall dort unterwegs, wo man mit alten Porsche & Co. so richtig Gas geben kann. Immer im Schlepptau: Ingo Grimm mit seinem Werkzeugkasten.

Nun könnte man meinen, dass der Mechaniker einen Lastwagen voller Ersatzteile mit sich führt. Aber so läuft das nicht. „Die meiste Arbeit hat man vor dem Rennen“, erzählt er von den Wochen vor dem Start. Sie werden auf Herz und Nieren geprüft, die vierrädrigen Raritäten mit imposanter Historie. Wer so ein Auto kauft, der kauft die spannenden Geschichten gleich mit. Hier gefahren, dort gewonnen: Man könnte wunderbar mit ihnen angeben.

Man kann aber auch ihre inneren Werte mögen – so wie es Ingo Grimm tut. Der 66-Jährige hat ein besonderes Gespür für das „Seelenleben“ eines Motors. Er weiß was zu tun ist, um eine schwingungsfreie Kurbelwelle an den Start zu bringen. „Ein Ausfall im Rennen sollte ausgeschlossen werden“, lässt er durchklingen, wie sehr ihn der Ehrgeiz antreibt. Geht etwas kaputt, sollte es das möglichst nur einmal tun: „Es geht nicht nur darum, den Fehler zu beheben. Man muss ihn ausmerzen.“ Wenn es drauf ankommt, sollte es jedenfalls perfekt laufen.

Ersatzteile für die historischen Flitzer gäbe es ohnehin nicht, sie sind nicht mehr auf dem Markt. Meist müssen sie angefertigt werden – und das kann Monate dauern. No-Name-Teile gibt’s auch nicht. Reparaturstatus: Es ist kompliziert. Ingo Grimm würde das wohl anders sehen – er würde allenfalls von Herausforderungen sprechen.

Aber wie kommt jemand überhaupt dazu, an Formel 1-Autos herumzuschrauben? Für den 66-Jährigen ist es eine Passion, die schon früh begann. Mit 18 zum ersten Mal auf der Rennstrecke und später ins Rallye-Auto umgestiegen: Ingo Grimm ist selbst gefahren und hat dazu auch noch reingeschaut in all diese Autos. „Es ist von Vorteil, wenn ein Fahrer technischen Sachverstand mitbringt“, weiß er, dass es nicht genügt, einfach nur Gas zu geben. Die meisten Ausfälle gebe es durch Fehlbedienung: „Erst gehen die Nerven des Fahrers kaputt und dann das Auto.“

Wie es sich anfühlt, wenn die Nerven blank liegen, weiß er auch selbst. Beinahe zwei Jahrzehnte war er bei der Rallye-Weltmeisterschaft verantwortlich für die VW-Motoren. Und selbst gefahren ist er auch auf diesen anspruchsvollen Rallye-Strecken. Unter anderem in Kenia, wo er das hier erlebte: „Es hat geregnet und plötzlich war die Straße weg.“ Die Straße weg? Um Himmels Willen - und jetzt? Nerven behalten, andere Wege suchen.

Und wenn wirklich mal was passiert, bloß schnell wieder ins Auto steigen, bevor sich die Angst festsetzt: So könnte man die Sache auf den Punkt bringen. Ach ja, zum Motorsport der Moderne zitiert Ingo Grimm gerne mal Rallye-Ikone Walter Röhrl: „Als wir gefahren sind, waren es Männer. Heute sind es Bübchen.“ Und falls von denen jetzt einer ein Taschentuch braucht: Einfach Ingo Grimm fragen.

(magu)
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