Musik in Wülfrath Getrennt gemeinsam singen

Wülfrath · Aus dem Corona-Schlaf erwacht, singt der Chor der Kantorei der evangelisch reformierten Kirchengemeinde wieder gemeinsam. Es ist bislang ein virtuelles Vergnügen, das zukünftig Schule machen kann.

 Screenshot vom gemeinsamen Einzelgesang des von Kantor Thomas Gerhold geleiteten Chors. 

Screenshot vom gemeinsamen Einzelgesang des von Kantor Thomas Gerhold geleiteten Chors. 

Foto: Valeska von Dolega

Zwar geht inzwischen wieder einiges trotz der Corona-Pandemie. Aber gemeinsamer Gesang als Chorprobe ist beispielsweise nach wie vor tabu. „Die Aerosole sind Schuld“, weiß Kantor Thomas Gerhold. Denn diese Kleinstpartikel sind offenbar doch stark an der Übertragung von Sars-CoV-2 beteiligt. Und wer aus voller Brust singt, stößt sie aus – und atmet sie beim tiefen Luftholen ein – weshalb Chorproben zurzeit nicht stattfinden.

„Deshalb proben wir virtuell“, erklärt der Kantor über ein neues Modell, das er als „Provisorium“ bezeichnet - das aber allerlei Vorteile hat. „Denn auch Leute, die gar nicht in Wülfrath leben, können nun wieder teilnehmen“, der momentan am weitesten entfernt lebende Mitsinger ist in Frankreich Zuhause.

Obwohl körperlich voneinander getrennt, bleiben die etwa 100 Chormitglieder im „gemischten Alter“, wie der Kantor erzählt, gemeinsam auf dem Weg. Per Mobilfunktelefon und Abspielgerät – mit einem wird das von Gerhold erstellte Playback eingespielt, mit dem anderen filmt jeder sich selbst. Alles zusammen wird viel später vom Kantor quasi zusammengeschnitten – fertig ist als Nebenprodukt auch noch ein Video. Bevor es losging, musste der Musiker experimentieren, um die passende Plattform zu finden. Manches, so weiß er jetzt, geht gut für Konferenzen, aber nicht fürs gemeinsame Singen, „die Übertragung ist zwei-drei Sekunden zeitversetzt, das gibt ein akustisches Chaos“. Damit letztlich alles klappte, musste der Kirchenmusiker „ins Equipment investieren“, die allererste Chorprobe war dann auch mehr „technische Probe als sonstetwas“.

Jeder für sich, Dienstag sind erst die Sopranisten, anschließend die Alt-Stimmen dran, Freitag geht es mit Tenören sowie Bass-Stimmen weiter, singt also seinen Part ein, „Morgenlicht leuchtet (berühmt als „Morning has broken“)“, Leonard Cohens „Halleluja“ und eine deutsche Version des Coldplay-Klassikers „Viva la Vida“ als „Gott hat seinen Engeln geboten“ sind so bereits einstudiert worden und stehen auf youtube zum Ansehen parat. „Es kostet Mut und Überwindung mitzumachen“, denn groß sei „anfangs die Scheu, die eigene Stimme so eindeutig zu hören“. Auch sich am Nebenmann orientieren zu können – einem Chor anzugehören, ist wie zu einer Sportmannschaft zu zählen – entfällt. „So schult das ganz ungemein, denn es kann sich natürlich jetzt auch keiner hinter dem anderen vesrtecken“, lacht der Kantor. Am Ende macht er aus vielen Einzelteilen dann das Gesamtstück.

„Es ist eine Möglichkeit, die Chorarbeit fortzusetzen“, führt Thomas Gerhold aus. „So kann gemeinam etwas erarbeitet werden“, und die Freude darüber, „einander wenigstens zu sehen“, ist riesig. Auch während des strengen Lockdowns hielten die Chormitglieder zueinander Kontakt, natürlich fiebern alle dem Moment entgegen, an dem sie einander tatsächlich wieder begegnen. „Das sehe ich in diesem Jahr noch nicht, dass wir alle wieder in einem Raum stehen und gemeinsam singen“, sagt der Kantor über die reale Begegnung.

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