Polizeihauptkommissarin Anja Stropp sensibilisiert Schüler für Verkehrssicherheit Schockfotos sollen Schüler warnen

Wülfrath · Gymnasiasten lauschten jetzt den Erzählungen von Mitarbeitern von Polizei, Rettungsdienst und Notarzt.

 Mit eindringlichen Bildern und emotionalen Berichten richtet sich die Polizei an Schüler und warnt.

Mit eindringlichen Bildern und emotionalen Berichten richtet sich die Polizei an Schüler und warnt.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Was sich im Verkehrs- bzw. Polizeifunk scheinbar so alltäglich anhört, bekommt eine ganz andere Dimension, wenn Betroffene berichten. Und Polizei, Rettungssanitäter und Notfallseelsorger sind eben auch Betroffene bei Verkehrsunfällen, sie müssen das Elend aushalten, das sie auf den Straßen vorfinden.

Damit möglichst wenig Unfälle passieren, verfügt die Polizeibehörde über ein Konzept der Prävention, das zirka acht Mal im Jahr in den Städten des Kreises vorgestellt wird. Es wendet sich an Schülerinnen und Schüler, die in Kürze das Alter erreicht haben, in dem sie den Führerschein machen können. Der „Crash Kurs NRW – Realität erfahren echt hart“ fand dieses Mal im Paul-Ludowigs-Haus in Wülfrath statt.

Die Polizistin Jessica Vielhaus berichtete aus ihren Erfahrungen: Ein Pkw hatte sich überschlagen, es gab mehrere Verletzte, eine Person war eingeklemmt. Der Fahrer war zu schnell gefahren und hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Die Schreie des Schwerverletzten klingen immer noch nach. Anja Stropp, Polizeihauptkommissarin, die die Veranstaltung moderierte, ermahnte: „Fahrt nicht so schnell, überschätzt euch nicht!“ Zu einem Unfall in Neviges musste der Rettungssanitäter Christian Schmitz ausrücken. Er hatte sich schon mit 20 Jahren bei der Feuerwehr beworben, aber Unfälle, wie der von ihm beschriebene, machen ihm noch immer zu schaffen: Die Straße war glatt, der Fahrer, viel zu schnell unterwegs, kracht gegen eine Mauer, der junge Mann war nicht angeschnallt, lag mit verdrehten Kopf tot hinter dem Steuer. Da ein Kindersitz im Auto war wurde mit einer Wärmebildkamera nach einem Kind gesucht, das zum Glück nicht im Wagen gesessen hatte. Es war ein Wettrennen zwischen zwei Arbeitskollegen. Die Fotos von dem Wagen ließen jeden erschauern. Eindringlicher Appell von Anja Stropp: „Helft uns, dass wir solche Bilder nicht sehen müssen.“

Frank Haeltmann ist seit 33 Jahren als Notarzt im Einsatz. Eine unruhige Nacht lag hinter ihm, als er an einem Sonntagmorgen nach Hochdahl gerufen wurde. Eine völlig normale Stadtstraße, dachte er noch, und dennoch: ein junger Mann, eingequetscht. Der Bodycheck ergab: Alkohol, Halswirbelsäule gebrochen, schwieriges, offenes Schädelhirntrauma, Versuch einer Crash-Rettung, ot. Die schwerste aller Aufgaben ist das Überbringen solcher Nachrichten, denn das Leben der Angehörigen ändert sich innerhalb weniger Sekunden komplett. Davon bleibt ein Notfallseelsorger erst recht nicht verschont: Guido Boes, 56 Jahre, ist im zivilen Leben Immobilienmakler und versucht in seiner Freizeit zu helfen. Er musste mit zwei jungen Beamten eine Todesnachricht überbringen. Vor diesem schweren Gang besprechen sich die drei, fahren in eine Wohnstraße, Reihen- und Einfamilienhausgegend. Klingeln an der Haustür, die Mutter des verunglückten 14-jährigen Mädchens öffnet und weiß im selben Moment, dass etwas Schreckliches passiert sein muss.

Guido Boes erlebt die längsten Stunden seines Lebens, muss ertragen, wie sich unsäglicher Schmerz Bahn bricht. Der Ehemann wird gerufen, er kommt mit dem Taxi von seiner Arbeitsstätte in Düsseldorf und reagiert völlig anders als seine Frau. Er will Einzelheiten wissen, will verstehen können. „Es zerreißt einem das Herz“, so der erfahrene Helfer.

Erst nach Stunden entdeckt Guido Boes, dass die Familie noch ein Kind hat. Der kleine Junge hatte sich vor den Schreien seiner Mutter versteckt – auch ihm musste der Tod der Schwester beigebracht werden.

„Eigentlich müsste hier noch ein sechster Stuhl stehen. Aber wir haben ein Video,“ sagte die Moderatorin Anja Stropp und Benjamin Höfler berichtete von seinem Unfall. Er war mit seinem Vater unterwegs, dessen Wagen auf Flugsand ausrutschte, wobei der eigene Sohn schwer verletzt wurde. Das war vor gut 20 Jahren, eine Zeit, in der Benjamin Höfler alles neu erlernen musste und der dennoch, wie er sagte, heute ein selbstbestimmtes, glückliches Leben führt, wenn auch im Rollstuhl.

Azad, Tristan, Julian und Lars vom Wülfrather Gymnasium merkte man die tiefe Betroffenheit an, die die Berichte und Fotos bei ihnen ausgelöst hatten. Sie bewunderten die Polizistinnen und Helfer, die so etwas im Alltag meistern müssen. „Das könnten wir nicht,“ so die übereinstimmende Meinung.

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