Vergangenheitsaufarbeitung in Wülfrath Musik überdauert die Unmenschlichkeit

Wülfrath · Das Schulorchester des Gymnasiums führt die Kinderoper Brundibár am 9. Juni auf. Das Werk wurde von den Nazis im Ghetto Theresienstadt zu Propagandazwecken instrumentalisiert. Ein Zeitzeuge aus Israel wird am Abend live zugeschaltet sein.

 Das Schulorchester bei der Probe für den Auftritt am 9. Juni im Paul-Ludowigs-Haus.

Das Schulorchester bei der Probe für den Auftritt am 9. Juni im Paul-Ludowigs-Haus.

Foto: Städtisches Gymnasium Wülfrath

Seit über zehn Jahren schon gelingt es dem ehemaligen Lehrer Klaus-Peter Rex regelmäßig, Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges ins Städtische Gymnasium einzuladen. Auch in diesem Jahr gibt es eine ganz besondere Veranstaltung, die, ebenso wie die Zeitzeugengespräche, der Aufarbeitung und Vergegenwärtigung der nationalsozialistischen Verbrechen dient. Das Schulorchester wird am Donnerstag, 9. Juni, die Kinderoper Brundibár im Paul-Ludowigs-Haus aufführen.

Für die Eröffnung des Konzertes um 18.30 Uhr konnte Rex einen besonderen Gast gewinnen: Der inzwischen 92-jährige Zvi Cohen war einer der Mitwirkenden an den Aufführungen der Kinderoper in Theresienstadt. Es war damals als Mundharmonikaspieler dabei und wird an diesem Abend live aus Israel zugeschaltet sein. Als Zeitzeuge wird er vor Beginn der Aufführung etwas zu Brundibár und zum Leben im Ghetto berichten und auf seiner Mundharmonika spielen. Das ist eine ganz spezielle Gelegenheit, denn der Komponist der Oper, Hans Krása, und fast alle Kinder, die an den Aufführungen der Oper im Ghetto mitwirkten, wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

Krása komponierte das Werk 1938. Es sollte ursprünglich von jüdischen Waisenkindern eines Prager Kinderheims aufgeführt werden, doch durch die Deportation Krásas und aller Waisenkinder ins Ghetto war es dazu nicht mehr gekommen. Stattdessen wurde sie im Ghetto Theresienstadt nahe Prag durch die von den Nazis verschleppten Kinder in den Jahren 1943/44 insgesamt 55 Mal aufgeführt. Die Auftritte waren ein Täuschungsmanöver für die Öffentlichkeit. Sie sollten den furchtbaren Lebensbedingungen im Ghetto den Anschein einer heilen Welt geben. So ließ man den Schlusschor vor einer internationalen Delegation des Roten Kreuzes singen, die nach Theresienstadt gekommen war, um die dortigen Bedingungen zu begutachten. Diese Szene wurde im NS-Propagandafilm „Theresienstadt“ verwendet, der vortäuschen sollte, dass die im Ghetto lebenden Menschen glücklich seien.

Obwohl es sich bei Brundibár einerseits um von Massenmördern missbrauchte Musik handelt, verdeutlicht ihr Überdauern bis in unsere Zeit andererseits den Sieg der Menschlichkeit über die Unmenschlichkeiten der Nazis. Die Oper, in der die Geschichte zweier armer Geschwister erzählt wird, die Geld für die Heilung ihrer kranken Mutter auftreiben wollen, hat genau diese Botschaft.

Die Eintrittskarten kosten 10 Euro für Erwachsene und 5 Euro für Schüler. Schulexterne Interessierte melden sich im Sekretariat der Schule unter Telefon 02058 3315.

(am)
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