Wülfrath "Mama ist nicht da, die rettet gerade Wülfrath"

Wülfrath · Petra Weskott ist ein "Draußenkind", Lehrerin, Grünen-Gründerin in Wülfrath, Orientliebhaberin und noch vieles mehr.

Sie stammt aus einem kleinen Eifeldorf. Kall heißt es genau. Ein behütetes, bürgerliches Elternhaus, sie sang im Kirchenchor, frühe Jugendarbeit in der evangelischen Kirche, Abi, Studium der Germanistik und evangelischen Theologie: Petra Weskotts Biografie ähnelt der vieler in den 1970er und 1980er Jahren sozialisierten Grünen, die die Begriffe Ökologie und Anti-Atomkraft in die Ratssäle und Landesparlamente trugen, als andere geistig noch in den Jahrzehnten vorher verhaftet waren. Als Lehrerin arbeitete sie in Wülfrath, engagierte sich bei Amnesty International und in Umweltgruppen. Auch typisch für eine grüne Sozialisation. Anfang der 1990er Jahre gründete Weskott als engagierte Bürgerin der Wülfrather Wähler Gemeinschaft (WWG) in einer Fusion die Grünen der Kalkstadt mit. Und doch ist Weskott so untypisch für eine grüne Frontfrau, denn die heute 61-Jährige hat in ihrem Leben eher den Weg neben den ausgetrampelten Pfaden gesucht - auch auf die Gefahr hin manchmal zu stürzen. "Obwohl ich die Grünen hier in Wülfrath mit anderen mit auf die Beine stellte, bin ich nie Parteimitglied gewesen", sagt sie. Rums, da zementiert sich die eigene Meinung!

Sie hat sich schon immer irgendwie einen eigenen Weg neben dem Mainstream gesucht und sich durchboxen müssen. Als Petra Weskott drei Jahre alt war, zog die Familie nach Köln, da der Vater dort eine neue Arbeitsstelle fand. Vom Hippieland in die Großstadt, da herrschten rauere Sitten. "Ich war ein Draußen-Kind und spielte oft auf der Straße. Dort lernte ich natürlich richtiges Kölsch, und als ich mit elf Jahren aufs Gymnasium gehen wollte, setzte die Schulleiterin ein Ultimatum: ,In sechs Wochen gewöhnst du dir das Kölsch ab', hieß es." Sie schaffte es mit eisernem Willen. Es war wohl das letzte Mal, dass sich Petra Weskott direktem Druck gebeugt hat.

Als sie 15 war, zog die Familie nach Wuppertal, dort machte sie Abitur und studierte bis 1975. "Ich engagierte mich in ökologischen Gruppen, setzte mich für Menschenrechte ein. Aber ich war eigentlich total unpolitisch", erinnert sie sich heute.

Konservativ sei sie, so wertkonservativ wie viele bei den Grünen, die eben nicht immer nur die ganze Welt verändern wollen und wollten. Selbstbewusstsein und Mut wuchsen in den 20 Jahren, in denen sie in der offenen Jugendarbeit zum Beispiel mit Rockern arbeitete. "Die Zeit hat geprägt. Ich wurde mutig, konnte mit ihnen umgehen. Anfangs legten sie alle Messer und Ketten auf den Tisch, und dann war das auch friedlich", erzählt sie.

Als sich Weskott nach dem Studium als Lehrerin bewarb, wollte sie eigentlich in Wuppertal bleiben. Es wurde Wülfrath. "Ich kannte die Stadt gar nicht, hatte nie was von der gehört, obwohl ich ja nebenan wohnte." 25 Jahre blieb sie an der Parkschule, bis sie 2001 mit 48 noch einmal an eine Grundschule nach Velbert wechselte. 2009 der letzte Wechsel an die Grundschule Birth. "Ein tolles Klima mit Kindern aus 46 Nationen."

Da kommen ihr die Sprachen gelegen, die sie seit ihrer Schulzeit lernte - oder sich zumindest so rudimentär aneignete, dass ein paar Brocken zur Verständigung reichen. Englisch, Französisch, Latein, Niederländisch, eine gute Portion Spanisch und Italienisch, und auch noch ein paar Wörter aus dem Arabischen. Denn in den Orient reiste sie ihr Leben lang und gerne. "Dort lernte ich Menschen, Blickpunkte und Sichtweisen kennen, die mich doch sehr prägten", sagt sie. Da konnte sie auch durchaus allein oder mit einer Freundin reisen, wenn Mann und Tochter zu Hause blieben.

In den Jahren als grünes Ratsmitglied von 1999 bis in dieses Jahr war sie ohnehin oft unterwegs, in Fraktionssitzungen und Beratungen. Wenn zu Hause jemand anrief und nach Petra Weskott fragte, sagte ihre Tochter Kristi oft lachend: "Die Mama ist nicht da. Die ist gerade Wülfrath retten."

Gerettet hat sie die Stadt nicht. Aber geprägt. Im Frühjahr wollte das Urgestein der Wülfrather Politik noch einmal auf der Grünen-Liste kandidieren. Der Parteivorstand wollte sie nur auf den aussichtslosen Platz 5 stellen. Dabei war sie 2009 noch Spitzenkandidatin. Ganz oder gar nicht, sie verzichtete. "Ich war über die Art, wie man miteinander umging, sehr enttäuscht", gibt sie zu. Es sei vieles unehrlich gewesen. Doch so wie sie sich als Elfjährige zum Kölsch-Verzicht hat erpressen lassen (müssen), wollte sie es sich nicht mehr antun. "Mir ging es ja um die Themen und nicht um Macht. In all den Jahren habe ich öfter anders als die Fraktion gestimmt. Wenn's nur um mich gegangen wäre, hätte ich ja bei einer anderen Partei mitmachen können." Der Abschied tat weh, "das hat mich menschlich sehr getroffen." Aber es könnte noch lange nicht Schluss sein. "Ich liebe die Politik noch immer." Doch Weskott wird nicht um jeden Preis wieder einsteigen. Wo auch immer. Sie genehmigt sich nach vielen Jahrzehnten noch die eigene Meinung. Aber: "Von der Seele her bin ich grün."

(RP)
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