Kultur in der Kalkstadt Kathedrale wegen Corona-Auflagen verwaist – Zukunft ungewiss

Wülfrath · Begonnen hat das Team mit zwölf Vorstellungen im Jahr, in Spitzenzeiten bis über 40, der Kulturkalender zeugt von enormer Bandbreite und klangvollen Namen. Und dann kam Corona.

 Bernd Kincinski in seiner „Kathedrale“.

Bernd Kincinski in seiner „Kathedrale“.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Seit dem 17. Jahrhundert ist die Familie Kicinski in Wülfrath ansässig und ihre Tischlerei ist ein Aushängeschild des Handwerks über die Grenzen des Städtchens hinaus. Auf der Abendschule hatte der jetzige Inhaber Bernd Kicinski seinen Meister gemacht, in Schichtarbeit dazu verdient (obwohl er sich nebenher auch in der katholischen Jugendarbeit engagierte) und konnte sich zunächst in Mettmann am Altenbruch selbständig machen.

Den Maschinenpark hatte er sich von seinem Lehrlingsgehalt und den Nachtschichten bei den Kalkwerken schon angeschafft, trotz des Kostgeldes, das er zu Hause abgeben musste. Heute ist sein Betrieb in Schlupkothen. Die unterschiedlichen Bauten, die er 2001 mehr oder weniger als Ruine gekauft hatte, gehörten einstmals auch den Kalksteinwerken. Aus den Räumen, in denen sich die Umkleidekabinen der Arbeiter befanden, hat der findige Unternehmer ein Kommunikationszentrum entstehen lassen, in dem größere Festivitäten wie Hochzeiten oder Geburtstage gefeiert werden können.

Die Sportfreunde Schlupkothen und andere Gruppierungen fühlten sich hier immer wohl. Nur ein Haus war eigentlich zu einem Ersatzteillager für alles Ausrangierte geworden – und dieses schlug dann eine völlig andere Seite im Lebensbuch der Kacinskis auf. Eine Freundin, von Beruf Eventmanagerin, sah dieses Haus und sagte: „Das sieht aus wie eine Kathedrale, daraus muss man etwas machen“. Ja, und dieser Name, Kathedrale, ist heute ein Markenzeichen für ein lebendiges Kulturleben in diesem so idyllisch abgelegenen Teil Wülfraths.

Innerhalb eines halben Jahres wurde die Kathedrale hergerichtet, am 16. Juli 2003 gab es das erste Pressegespräch und am 30. Juli ging der kulturelle Betrieb mit einer Lesung „Die Vorleser kommen romantisch“ los, der Startschuss für ein Experiment. Doch es gab gute Freunde mit noch besseren Kontakten in die Kulturwelt und Bernd Kacinski avancierte neben seinem Beruf als Unternehmer zum Intendanten der Kathedrale in Schlupkothen.

Im Laufe der Zeit scharte er ein Team um sich herum, das den Spielplan der Kathedrale beschließt, alle notwendigen organisatorischen Dinge erledigt und Kontakte in die Szene unterhält. „Liebenswürdig verrückte Menschen, die anderen eine Freude machen wollen“, wie er sagte. Ehefrau Iris Tüssner- Kacinski und die drei Töchter stemmen samt Schwiegersöhnen den Großteil der Arbeit. Die Kathedrale bietet neben Kulturellem auch Kulinarisches: der Kartoffelsalat mit Würstchen und die Kuchen von Ehefrau Iris sind legendär und die Büroarbeit muss auch erledigt werden.

Begonnen hat das Team mit zwölf Vorstellungen im Jahr, in Spitzenzeiten bis über 40, der Kulturkalender zeugt von enormer Bandbreite und klangvollen Namen. Tja, und dann war auch hier Schluss: Corona hat dieser wunderbaren kulturellen Seele in Schlupkothen den Riegel vorgeschoben und Bernd Kacinski agierte konsequent. Die Kathedrale ist verwaist, denn vor höchstens 20 Zuschauern kann sich hier nicht das gewohnte Flair entfalten. Dann lieber Schluss. Ob ein Erwachen aus dem Koma möglich wird? Ein großes Fragezeichen.

Aber Bernd Kacinski ist es gewohnt, die Ärmel hochzukrempeln. Schon mit 16 begann er seine Ausbildung zum Holzmechaniker, damals noch bei den Rheinischen Kalksteinwerken. Dass er in handwerklicher Richtung irgendetwas erlernen wollte, war der Familie klar und der große Bruder schenkte Bernd zum 16. Geburtstag einen Handhobel – das erste Werkzeug und, wie er heute sagt, der Grundstein seiner Selbständigkeit.

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