Wülfrath Forensik auf dem Zauberberg?

Wülfrath · Die einstige Heilstätte verfällt seit Jahren und niemanden kümmert es. Ein niederländischer Investor wollte eine Luxus-Klinik bauen. Das Projekt starb.

 Vor einigen Jahre sollte das einstige Klinikum Aprath nach den Plänen niederländischer Finanzinvestoren zu einer Luxus-Klinik mit Sanatorium umgebaut werden.

Vor einigen Jahre sollte das einstige Klinikum Aprath nach den Plänen niederländischer Finanzinvestoren zu einer Luxus-Klinik mit Sanatorium umgebaut werden.

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Träume wachsen schnell. Vor einigen Jahre sollte das einstige Klinikum Aprath nach den Plänen niederländischer Finanzinvestoren zu einer Luxus-Klinik mit Sanatorium umgebaut werden. Kein Traum war zu klein für den so genannten Zauberberg: Reiche aus aller Welt sollten auf dem kleinen Fleckchen Wülfrath zur Behandlung ihrer Malaisen einfliegen, möglichst noch auf einem angrenzenden Flugplatz. Top-Behandlung mit Top-Ärzten zu Top-Preisen: Auch für die Wülfrather Wirtschaft wäre sicherlich ein Brocken Wohlstand abgefallen. Das Projekt starb so schnell, wie sich der Traum vom Medizin-High-Tech-Standort verflüchtigt hat. Der einstige Traum vergammelt mittlerweile als Ruine.

Niemand kümmert sich um das Areal. Oder doch? Seit einigen Wochen gibt es Gesprächsangebote aus Wülfrath und dem Kreis Mettmann ins NRW-Gesundheitsministerium. Das Ziel: Nach der Absage der Bergischen Diakonie Aprath (BDA) ihres Grundstücks für die benötigte Forensik im Landgerichtsbezirk Wuppertal soll das Areal des Ex-Krankenhauses neuer Standort für eine Straftäterklinik werden. Es gibt Termine hiesiger Politiker in Düsseldorf mit dem Ziel, das 24Hektar große Grundstück als Forensik-tauglich anzubieten und dort einen Medizinstandort, eventuell auch eine Ausbildungsdependance für Krankenpflege zu etablieren. Es gibt dort auch schon Baurecht. Offiziell gebe es aber keine Gespräche, sagen viele. Nur im kleinen Kreis werden die Pläne erläutert. Der SPD-Landtagsabgeordnete Volker Münchow verneint ebenfalls jegliche Unterredungen: "Ich weiß von nix, ich kenne nur die Gerüchte." Immerhin konnte er sich nach der BDA-Absage eigentlich sicher sein, das Thema für seinen Wahlkreis los zu sein. Jetzt nicht mehr. Nach RP-Informationen soll er beauftragt worden sein, den Gesprächsfaden ins Gesundheitsministerium zu spinnen.

Derweil tun die Eigentümer ihrer Verpflichtung Genüge, das Grundstück und die Häuser mit Zäunen abzusperren. Der Hinweis: "Betreten verboten. Lebensgefahr" soll abschrecken. Tut er aber nicht. Brandstifter waren schon mal am Werk, immer wieder gibt es Einbrüche. Den Eigentümer stört es nicht wirklich, denn er hat keinen Schaden. Seit 2012 hat die Unterdüssel GmbH, eine Tochterfirma der holländischen Muttergesellschaft, eine Abrissgenehmigung und wollte eigentlich "schon im Sommer beginnen, die Gebäude abreißen zu lassen", sagte der damalige Geschäftsführer Michael Kaufmann. Möglichst schnell sollte ein Käufer für das Areal gefunden werden. Der große Stolz der Bauherren Anfang des 20. Jahrhunderts wäre endgültig Geschichte. 1910 wurde die Klinik Aprath für Tuberkulosekran ke mit 100 Betten eröffnet. Baukosten: 510 000 Mark. Drei Jahre später wurden immer mehr Kinder aufgenommen, so dass sich die Klinik zur Kinderheilstätte entwickelte. 1927 eröffnete man das Haus II für Jugendliche mit besonders ansteckender Tuberkulose, 1930 den Kinderpavillon und das Infektionshaus 1936. Ebenso entstanden Krankenhallen und Schulgebäude. Eine Art Zauberberg wie in dem berühmten Roman von Thomas Mann, in dem er den Mikrokosmos eines Sanatoriums in Davos erzählt. 1945 wurde die Klinik Aprath bei einem Bombenangriff schwer getroffen. In den Folgejahren entstand beim Wiederaufbau zusätzlich ein Schwesternwohnheim und ein exzellent eingerichtetes Labor. Als die Anzahl der Tuberkuloseerkrankungen in den Nachkriegsjahren abnahm, wurde Aprath zu einem pneumologischen Fachkrankenhaus ausgebaut. 1977/78 errichtete man ein Seniorenheim für schwere und schwerste Pflege.

2006 war Schluss. Nach Insolvenzen, Gerichtsverfahren und Investitionsstau musste die Klinik den Pflegebetrieb endgültig einstellen. Der Investor, der mit seinen Privatklinik-Plänen noch einmal Hoffnung auf ein gutes Ende in Aprath keimen ließ, sprang ab. Zu teuer, keine wirtschaftlichen Erfolgsaussichten. Es kam, wie es kommen musste: Das 21-Hektar Areal blieb sich selbst überlassen und verrottet. Bis heute. Schlimm sieht es aus in den Räumen und Gängen des toten Gebäudes: eingeschlagene Fenster, aufgebrochene Türen, Müll, Dreck, rote Farbspritzer und -sauereien an Wänden und auf den Böden. Diese gespenstische Szenerie zieht nachts und an Wochenenden immer wieder Menschen an, die dort ihr Unwesen treiben. Abriss ja, aber die Kosten sind immens. Bis zu 1,6 Millionen Euro kalkulierte Kaufmann damals. Ein Batzen Geld, der beim Verkauf des Geländes "eingepreist" werden soll. Ein weiterer Punkt, der es nicht leichter macht. Oder doch? Eine rot-grüne Landesregierung, die eine Forensik bauen muss, zudem an den Alternativ-Standorten in Wuppertal schweren Anwohnerprotesten ausgesetzt ist, könnte bereit sein, das Thema endgültig und kompetent von der Tagesordnung zu bekommen. Der Preis spielt dabei eventuell nur eine untergeordnete Rolle. Außerdem träfen sich bei einer Forensik auf dem Zauberberg viele Interessen: Die der Landesregierung, etlicher Wülfrather Politiker, die den wirtschaftlichen Nutzen sähen und auch die der Stadt, denn die liebäugelt seit langem mit einem Medizin-Pflege-Ausbildungsstandort in der Kalkstadt. Schlussendlich würde der Zauberberg zwar dem Erdboden gleich gemacht. Doch es wäre auch eine Art Wiederauferstehung in Aprath.

(RP)
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