Wülfrath Ein Leben in kurzer Hose am Beckenrand

Wülfrath · Jimmy Carter war US-Präsident, ABBA stand auf Platz eins der Musikcharts, die Deutsche Bahn musterte ihre letzte Dampflok aus und in Frankreich wurde das letzte Mal ein Mensch mit der Guillotine hingerichtet. 1977.

 Gerd Höhndorf arbeitet seit 37 Jahren im Wülfrather Bad. Erst als Schwimmmeistergehilfe, seit 2007 als Betriebsleiter der Einrichtung.

Gerd Höhndorf arbeitet seit 37 Jahren im Wülfrather Bad. Erst als Schwimmmeistergehilfe, seit 2007 als Betriebsleiter der Einrichtung.

Foto: dj

37 Jahre ist das her. 1977 begann Gerd Höhndorf an seiner neuen Arbeitsstelle. Als Schwimmmeistergehilfe begann der Wülfrather mit dem Job in kurzen Hosen am Beckenrand der Wasserwelt und hat den Platz bis heute nicht verlassen. Immer noch ohne Trillerpfeife, "die habe ich nie gehabt. Ich kann denen auch so vernünftig sagen, dass Arschbomben am Beckenrand nicht erlaubt sind", sagt der 55-Jährige.

1970 war das Bad gebaut worden, damals machten mit ihm noch drei weitere Bademeister Dienst neben Sprungbrett und Startblock. "Dabei waren die Aufgaben des Schwimmmeisters noch nicht so weitreichend wie heute", sagt er. Reinigungen, kleinere Instandsetzungen und Reparaturen, Aufsicht über die angrenzende Sporthalle, es kommt heute schon was zusammen. Trotzdem: Arbeiten, wo andere Spaß haben, ist auch heute noch Höhndorfs Freude. Dabei hat der Bademeister ja an sich ein Imageproblem.

Für Kinder und Jugendliche oft der Spielverderber sagt er Sätze, die nirgendwo geschrieben: "Nicht vom Beckenrad springen." Kennt jeder, auch Höhndorf hat sie als Junge oft genug gehört, als er im damaligen Freibad seine Nachmittage verbrachte. "Da bin ich ja auch oft genug rausgeflogen wegen eines Unsinns", sagte er lachend. Deshalb hat er Verständnis für Kinder und Jugendliche, die manchmal den "dicken Mann" machen. "Die sind heute nicht besser oder schlechter als wir damals."

Statt mit Trillerpfeife setzt Höhndorf noch heute auf Tricks und Kniffe. Wenn die Jungen an der Rutsche das Wasser in großen Mengen herausplatschen, sagt er kurz: "Ich bekomme dann von jedem von euch zwei Euro. Die sind dann verdutzt und hören zu." Dann erklärt er ihnen, dass über die Rutsche getretenes Wasser im Abfluss endgültig weggespült ist. Natürlich müssen sie nicht zahlen. "Aber so verstehen die Jungs den Hintergrund." Hätte er sich vielleicht auch gewünscht, früher, in den 1960er Jahren, als er mit 14 seine Ausbildung begann. "Eigentlich wollte ich Technischer Zeichner werden." Aber dann lernte er auf Raten seines Vaters Schwimmmeistergehilfe in Essen. "Ich konnte anfangs schwimmen. Das war's."

Nach der Ausbildung fand er einen Job in Wülfrath. In "seinem Bad", dass damals auch noch ein Freibad hatte. 1992 wurde er Schwimmmeister. "Wissen Sie, in den Jahren kommen viele, die schon als Kind bei mir im Bad waren und nun mit ihren eigenen Nachwuchs schwimmen gehen." Oft würden die flachsen "Kennen Sie mich noch, ich bin's." Höhndorf kennt sie, "aber mit noch mehr Haaren auf dem Kopf", sagt er dann und lacht. Die Zeiten ändern sich eben, so wie sich das Badeverhalten in fast vier Jahrzehnten verändert hat. "Heute ist alles viel hektischer". Anstatt im Bad zu entspannen, seien viele unruhig und fänden kaum Muße. Vor 37 Jahren sei das oft noch entspannter gewesen.

Immerhin ist nie was passiert. Zum Glück, denn mit Können und Glück hat er ein paar brenzlige Situationen entschärft. Was er nicht verhindern konnte als Chef am Beckenrand sind die hohen Verluste bei den Schwimmern. Handys, Schlüssel, Badehosen (ja wirklich!), Schmuck, und natürlich unzählige Schwimmbrillen hat er nach Feierabend schon aus dem Wasser gefischt.

Selbst schwimmen vor Dienstbeginn oder nach Feierabend geht er kaum noch im eigenen Bad. Keine Zeit. Im Urlaub, zum Beispiel in Kroatien, schwimmt Höhndorf viel lieber im offenen Meer. "Schwimmen macht mir immer noch viel Spaß", sagt er und gibt zu, dass einige der Dauergäste im Wülfrather Bad schon mal geflachst haben: "Du bist immer am Beckenrand. Kannst du überhaupt schwimmen?" "Nur mit Schwimmflügeln", sagt er dann augenzwinkernd.

(RP)
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