Tönisvorst Willi kann wieder lächeln

Tönisvorst · Die 76-jährige Anita Rolofs betreut ehrenamtlich einen schwerstmehrfach behinderten Erwachsenen im Wohnverband Nordring in St. Tönis. Die Einrichtung würde sich freuen, wenn sich weitere Ehrenamtler fänden.

 Anita Rolofs liest dem 59-jährigen schwerstmehrfach behinderten Willi im Wohnverband Nordring in St. Tönis vor. Die 76-Jährige hat sich für dieses Ehrenamt gemeldet.

Anita Rolofs liest dem 59-jährigen schwerstmehrfach behinderten Willi im Wohnverband Nordring in St. Tönis vor. Die 76-Jährige hat sich für dieses Ehrenamt gemeldet.

Foto: Wolfgang Kaiser

Es ist nicht viel, was Willi kann. Von seinem kleinen, verkümmerten Körper gehorcht ihm einzig der rechte Arm. Sonst kann er nichts bewegen: die Beine nicht, den Rumpf nicht, nicht den linken Arm und auch nicht den Kopf.

Auch sprechen kann der Mann nicht. Die meiste Zeit des Tages liegt Willi auf seinem kleinen, fahrbaren Spezialbett, schläft, döst, schaut an die Decke. Wenn sich aber Anita Rolofs zu ihm setzt und beginnt, aus den alten Liederbüchern ihrer Kinder vorzusingen oder Märchen vorzulesen, dann geht ein Strahlen über Willis Gesicht und ungeahnte Lebensgeister werden wach.

Wohnverband gibt es seit 2005

"Willi ist schwerstmehrfach geistig und Körperbehindert", sagt Claudia Riemann, die den Mann seit 18 Jahren beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) betreut. Schon mit fünf Jahren kam Willi in die Obhut des LVR. In diesem Monat ist er 59 Jahre alt geworden. Lange lebte er in Süchteln, seit 2005 gibt es den Wohnverband Nordring in St. Tönis, mit zwei Wohngruppen, in der jeweils acht schwerstmehrfach behinderte Erwachsene betreut werden. Darunter auch Willi.

An Eltern, Geschwister oder irgendeinen Besucher für ihn kann Claudia Riemann sich nicht erinnern. Seit Anita Rolofs vor vier Jahren zum ersten Mal zu Besuch war, ist das anders. Einmal im Monat geht die 76-jährige St. Töniserin in die Wohngruppe, um Willi vorzulesen. "Über das Seniorenbüro 'Alter-nativen' bin ich zur Hilfsbörse gekommen", erzählt Anita Rolofs. Dort wurden Menschen gesucht, die sich ehrenamtlich für andere engagieren.

"Ich bin dann lange Zeit mit einer alten, leicht dementen Dame spazieren gegangen", erzählt die gelernte technische Zeichnerin, die heute noch als Kosmetikberaterin tätig ist, "wir haben zusammen gesungen und gelacht." Als die Seniorin starb, suchte Rolofs nach einer neuen Aufgabe.

Der Landschaftsverband hatte gerade die Wohngruppe am Nordring eröffnet und die Mitarbeiter luden die Hilfsbörse ein, um sich und die Bewohner vorzustellen. "Und gleich bei diesem ersten Besuch hat er mich schon so angelacht", erinnert sich Rolofs und streichelt Willi liebevoll durchs Gesicht. Seitdem geht die 76-Jährige regelmäßig in die Wohngruppe.

"Ich weiß nicht, ob er etwas von dem versteht, was ich vorlese, aber er strahlt mich an und ich habe das Gefühl, er freut sich", sagt die Seniorin. Berührungsängste hatte Rolofs von Anfang an nicht. Wenn Willi Spucke aus dem Mund läuft, wischt sie sie weg und wenn er niest, versucht sie, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Ansonsten ist sie ihm nah, hält seine Hand, streichelt ihm übers Gesicht. "Er genießt das sehr", ist Pflegerin Claudia Riemann sicher.

Für das Betreuerteam sind Ehrenamtler ein Geschenk. "Wir haben nicht die Zeit uns so intensiv einem Bewohner zu widmen", sagt Riemann. Leider ist die 76-jähige St. Töniserin die einzige Ehrenamtliche in der Wohngruppe. "Es kostet sicher Überwindung zu uns zu kommen und für manche ist es ein Schock, unsere Bewohner zu sehen, aber es wäre sehr schön, wenn es mehr Menschen wie Anita Rolofs gäbe", sagt Claudia Riemann.

(WS03)
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