Stadt Kempen Wie das Dorfmädchen aus der Steiermark zum Jazz kam

Stadt Kempen · Das Quartett "Klaro!" gastierte Mittwochabend im Kempener Campus. Die Chefin ist Karolina Strassmayer.

 Einfallsreich und virtuos war die Musik, die das Quartett "Klaro!" im Campus präsentierte.

Einfallsreich und virtuos war die Musik, die das Quartett "Klaro!" im Campus präsentierte.

Foto: wolfgang kaiser

Einen besseren Start hätte das Jazz-Jahr 2017 in Kempen kaum nehmen können. Kurz und bündig "Klaro!" hieß das Quartett, das am Mittwoch im Campus gastierte, und der Zustrom war so heftig, dass nicht alle Gäste Sitzplätze fanden.

Als Headliner innerhalb dieses Quartetts waren die Saxophonistin Karolina Strassmayer und der Schlagzeuger Drori Mondlak angekündigt, und darüber mag sich manch einer gewundert haben, denn zur Band gehörten außerdem Martin Gjakonovski am Kontrabass und David Friedman am Vibraphon. Und de facto war eher Friedman die zweite Front-Figur in dieser Konstellation, so toll Gjakonovski und Mondlak auch spielten.

"Three For All" hieß der ruhige Opener, man nahm sich Zeit zum Aufwärmen und zum Vorstellen der Akteure. Die Chefin erfreute mit einem warmen und fülligen, aber nicht prallen Ton auf ihrem Horn. Auch der zweite Titel, "Of Mystery And Beauty" wirkte noch recht gefällig, bewegte sich sogar mehrfach in die Nähe der Liedform. Die Notenfolge wurde jedoch langsam dichter, das Tempo zog stufenlos an, und man begann zu spüren, wieviel konstruktive Spannung in diesem Line Up steckte.

Drori Mondlak leitete das nächste Stück ein, statt der Stöcke Klöppel benutzend, und Strassmayer ließ einen kleinen Notenschwall von ganz unten in ihrem Alto aufschäumen und hätte spätestens von da an ihr soul-affines Vorbild Cannonball Adderley nicht mehr leugnen können. Gemeinsam entwickelten die Vier daraus eine im Aufbau vorbildliche Erzählung, die vom Publikum bejubelt wurde. Und dann erzählte Strassmayer auch in Worten, wie sie, das steierische Dorfmädchen, das nur Klassik und Alpenfolklore kannte, auf die Musik der amerikanischen Schwarzen stieß. Aus einem Beutel voller zum Wegwerfen bestimmter Cassetten fischte sie ausgerechnet eine Kopie des legendären Albums "Kind Of Blue" und war von Adderleys Sound glatt elektrisiert. "Ich glaube, das ist Jazz", belehrte sie ihr Großvater, der Dorfkapellmeister, und von da an wusste sie, in welcher Richtung sie ihren Weg suchen musste. Wie eine Fanfare aus einer anderen Welt sei das gewesen, und so hieß auch ihr nächster Titel in leicht boppendem Up-Tempo "Fanfare From Another World".

Mondlaks Einfallsreichtum war enorm, und der New Yorker zeichnete sich selbst bei hohem Tempo durch weichen Anschlag aus. Gjakonovski war um Ideen noch nie verlegen, weder in der Begleitung noch in seinen Soli, und durchmaß unermüdlich die ganze Länge seines Griffbretts. Und Friedman spielte zugleich so wunderbar leicht und doch klar akzentuiert - ein Vorbild an wohl dosierter Virtuosität.

Weitere herausragende Titel waren das soul-gefärbte "Side To Side", das als Improvisation über das Beatles-Oldie "Money, That's What I Want" entstanden sein könnte, und "Of Space And Rest", das in einer einzigen Ballade einen ganzen Regenbogen von Farben schimmern ließ.

(RP)
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