Willich Vorbild Bullerbü

Willich · Bildungsministerin Schavan hat die Einschulung für Vierjährige gefordert. Christa Manske, Leiterin des Kindergartens "Bullerbü", entgegnet, dass die entwicklungsorientierte Förderung der Kinder entscheidend sei.

Am liebsten würde Christa Manske Annette Schavan nach "Bullerbü" einladen. So sehr hat sich die Leiterin der städtischen Tageseinrichtung in Wekeln über die Bildungsministerin geärgert. In einem Artikel in der Rheinischen Post hatte Schavan eine frühere Einschulung gefordert. Demnach sollten Kinder bereits mit vier Jahren eingeschult werden. Mit der bestehenden Altersgrenze von sechs Jahren kämen viele Kinder zu spät in die Schule, findet die Ministerin. Christa Manske entgegnet: "Bildung für Vierjährige ist die Lösung, aber nicht Schule für Vierjährige."

Die 45-Jährige verweist darauf, dass in der Einrichtung, die sie leitet, bereits seit drei Jahren ein Ansatz erfolgreich praktiziert werde: die alters- und entwicklungsgerechte Förderung der Kinder. "Es geht nicht nur darum soziale Kompetenzen zu vermitteln, sondern auch kognitive", sagt Manske. Sie habe beobachtet, dass Vorschulkinder im letzten Kindergartenjahr nicht selten "kognitiv vergammeln". Jetzt würden sie ihren Bedürfnissen und Interessen gemäß bis zum Ende ihrer Kindergartenzeit gefördert.

Umdenken nach Pisa-Schock

Bis vor drei Jahren waren die fünf Gruppen in dem Kindergarten altersmäßig noch gemischt. Die Erzieherinnen — Manske bevorzugt den Begriff Elementarpädagogen — mussten sich gleichzeitig um die Dreijährige und den Sechsjährigen kümmern. "Nach den schlechten Ergebnissen der Pisa-Studie wuchsen die Anforderungen an den Kindergarten", erinnert sich Manske.

Sie suchte anhand von erfolgreichen Beispielen aus dem Ausland, etwa Schweden, nach einer maßgeschneiderten Lösung für "Bullerbü". Die elementarste Veränderung: Die altersgemischten Gruppen wurden aufgelöst, die Bambinis (Zwei- bis Viereinhalbjährige) haben ihre Gruppen nun im Erdgeschoss, die Maxis (Viereinhalb- bis Sechsjährige) sind im Obergeschoss unter sich. Ein Dreivierteljahr dauerte die komplette Umstellung des Kindergartenkonzeptes. "Als wir die Neuerungen auf einem Elternabend vorstellten, herrschte zunächst gebannte Stille", erzählt Manske schmunzelnd. "Dann brach tosender Applaus aus."

Während die Eltern — für Manske ohnehin unverzichtbar für das Gelingen — optimistisch gestimmt waren und auch die Stadt als Träger das Team gewähren ließ, herrschte Skepsis beim Landschaftsverband Rheinland. "Die haben das sehr kritisch gesehen und hätten uns sogar die Betriebserlaubnis entziehen können", sagt Manske. Sie taten es nicht. Weil das Konzept aufging. Inzwischen schauen sich regelmäßig andere Kindergärten in Weklen um und Christa Manske erklärt das Konzept bei Fachtagungen oder in Artikeln für Branchenblätter.

"Die Kindergartenkinder sind alle auf dem gleichen Weg, aber an verschiedenen Etappen", sagt sie. "Ein Dreijähriger ist nicht mit einem Sechsjährigen zu vergleichen. Dem muss man Tribut zollen." In "Bullerbü" ist der Sechsjährige jetzt von Gleichaltrigen umgeben. "Uns geht es darum, ein lernanregendes Umfeld zu schaffen", betont Manske. Allzu starr ist das Konzept indes nicht. "Wer mit vier Jahren noch bei den Kleineren bleiben sollte, bleibt auch dort", sagt Manske. Umgekehrt können Kinder auch früher zu den Älteren wechseln. "Wir müssen sie deshalb genau beobachten."

(RP)
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