Interview mit SPD-Fraktionschef Verein soll Bürgerhaus tragen

Willich · Der Fraktionschef der SPD in der Stadt Willich, Bernd-Dieter Röhrscheid, konkretisiert Pläne für das Alleeschulgebäude in Anrath in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

 Der Fraktionschef der SPD in der Stadt Willich, Bernd-Dieter Röhrscheid, konkretisiert Pläne für das Alleeschulgebäude in Anrath in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

Der Fraktionschef der SPD in der Stadt Willich, Bernd-Dieter Röhrscheid, konkretisiert Pläne für das Alleeschulgebäude in Anrath in einem Gespräch mit unserer Redaktion.

Foto: Röhrscheid

Herr Röhrscheid, Sie haben angekündigt, wenn nicht in Kürze ein Investor für das Alleeschulgebäude in Anrath gefunden würde, der das Gebäude gemeinwohlorientiert umbaut und nutzen will, werde die SPD erneut die Forderung nach einem Bürgerzentrum für Anrath in diesem Haus stellen. Was heißt in diesem Zusammenhang "in Kürze"?

Bernd-Dieter Röhrscheid Wir meinen: Wenn in absehbarer Zeit — wir reden da von einem Zeitraum bis zum Ende des Jahres — kein Investor gefunden ist, werden wir den Antrag stellen, das Alleeschulgebäude als Bürgerhaus zu nutzen.

Und was heißt für die SPD gemeinwohlorientiert?

Röhrscheid Wir verstehen darunter ein Haus, das von Bürgern für Bürger genutzt wird. So könnten dort beispielsweise Sportvereine Geschäftsstellen einrichten oder Räume für Gymnastikgruppen nutzen, Gesangsgruppen proben, einzelne Gruppen Besprechungen durchführen. Für die U3- Betreuung in Zusammenarbeit mit dem Kindergarten Berliner Straße oder LOK an der Lorenz-Schmitz-Straße könnten Räume genutzt und Krabbelgruppen und Mutter-Kind-Kurse durchgeführt werden. Die VHS und die Musikschule könnten Räume für Veranstaltungen nutzen, Lesungen, Ausstellungen wären dort möglich, auch Kleinkunstaufführungen. Auch die Stadt selbst könnte Teile für ihr Bürgerbüro nutzen, da es zu wenig Räume im benachbarten Rathaus gibt. Dabei sind auch Kompromisse denkbar, wie zum Beispiel, dass nur ein Teil als Bürgerzentrum und ein anderer für so genanntes stilles Gewerbe, wie eine Anwalts- oder Arztpraxis, Physiotherapieeinrichtung oder ähnliches genutzt wird. Das wäre eine einmalige Chance, den Ortskern aufzuwerten und würde den Aufenthaltscharakter wesentlich verbessern. Ganz nebenbei hätte es auch den wirtschaftlichen Aspekt, dass zusätzliche Kaufkraft für die Geschäfte in den Ortskern gezogen wird.

Ihnen schwebt vor eine Lösung zu suchen, bei der die Bürger dieses Haus tragen.

Röhrscheid Ja, aber natürlich nicht ohne Unterstützung der Stadt. Wir stellen uns vor, dass sich ein Verein gründet, der das Haus in Eigenregie betreibt und den Vereinen zur Verfügung stellt für ihre Aktivitäten. Dass die Stadt diesen Verein unterstützt, ist selbstverständlich. Für die Sportvereine stellt die Stadt ja auch Sporthallen und Sportplätze zur Verfügung. Wir meinen, auch die anderen Vereine, die wesentlich zur Kultur unserer Stadt dazu gehören, müsste sie in dieser Weise unterstützen.

Auf einen solchen Verein kommen erhebliche Kosten zu. Kämmerer Willy Kerbusch sagte einmal, dass jeder Quadratmeter öffentliche, bebaute Fläche im Jahr zwischen 100 und 140 Euro koste, wenn man konservativ rechne. Das sind doch erhebliche Kosten, die sich im Falle der Alleeschule ergeben würden und an denen sich die Stadt beteiligen soll, die jüngst erst sechs Millionen Euro konsolidiert hat. Haben Sie das einmal gerechnet, was das bedeuten würde?

Röhrscheid Nein, das haben wir nicht, weil dazu bislang nicht die Notwendigkeit besteht. Es gibt ja den Ratsbeschluss, dass die Alleeschule verkauft wird und dort eventuell Seniorenwohnungen errichtet werden. Ganz davon abgesehen: Der Kämmerer hat uns nie erklärt, wie er auf diese Zahlen kommt. Das wäre dann ja auch noch einmal zu klären. Markus Gather, der Anrather SPD-Vorsitzende, hat sich aber Modelle vereinsgeführter Bürgerhäuser angesehen, denn es gibt in anderen Kommunen von Vereinen mit Unterstützung der Stadt finanzierte Bürgerhäuser. Ich bin sicher, dass sich Markus Gather und die Anrather SPD in den nächsten Wochen intensiv mit dieser Frage beschäftigen werden. Denn wir brauchen Häuser für die Vereine. Wenn, wie ich höre, der Personalrat jetzt vorgeschlagen hat, das alte Rathaus in Schiefbahn zu veräußern, fallen auch dort möglicherweise Räume weg, in denen sich bislang Vereine getroffen haben.

Das ist ja ein Problem, das sich durch alle anderen Stadtteile zieht. Stichwort Wahlefeldsaal in Neersen, Kulturhalle in Schiefbahn, Kaisersaal in Willich. Sehen Sie Probleme auf die Stadt zukommen?

Röhrscheid Auf die Stadt, vor allem aber auf die Vereine. In Sachen Wahlefeldsaal und Kulturhalle Schiefbahn ergeben sich die Probleme, die wir haben, ja daraus, dass immer stärker Individualinteressen über Gemeinwohlinteressen gestellt werden und die Gerichte das ebenso sehen. Aber wir müssen Lösungen finden für die Vereine in den Ortsteilen.

Gehen wir einmal davon aus, die Alleeschule würde Bürgerhaus. Befürchten Sie nicht, dass sich bei einem Nutzungswechsel plötzlich Anlieger beklagen über Ruhestörungen, die von der Nutzung des Gebäudes als Vereinshaus ausgehen könnten?

Röhrscheid Wer sich jahrelang nicht über den Lärm beklagt hat, den eine Schule zwangsläufig verursacht, soll sich nun über ein Bürgerhaus beklagen? Das fände ich schon ein wenig eigenartig. Da müsste unserer Ansicht nach im Bebauungsplan eine entsprechende Baulast eingetragen werden.

Würde eine Lösung, wie sie möglicherweise in Willich für den Kaisersaal kommen wird, wo ein Investor den Saal kaufen, vergrößern und auch für Vereine zur Verfügung stellen will, auch die Unterstützung der SPD finden?

Röhrscheid Grundsätzlich ja, wenn ein Investor das tun will, ist das löblich. Ich sehe nur die Schwierigkeit, wie ich das absichere. Vereine brauchen Sicherheit, dass sie einen Raum haben für ihre Aktivitäten. Wie ist das, wenn der Investor irgendwann den Saal weiterverkauft? Welche Verpflichtung hat dann der Käufer? Muss er die Vereine weiterhin beherbergen? Das ist bei Privatpersonen nicht so einfach.

Kommt die Stadt drum herum, irgendwann eine zentrale Veranstaltungshalle zu haben?

Röhrscheid Ich glaube nach wie vor nein, wir fordern eine solche Halle ja schon seit Jahren und halten das Stahlwerk Becker für den richtigen Ort. Da heißt es zwar immer, da würde dann niemand hinfahren. Das sehe ich völlig anders und verweise auf das Gründerzentrum im Stahlwerk, von dem es auch am Anfang hieß: zu weit weg. Dort fahren auch Vereine hin. Auch das St. Bernhard-Gymnasium hat sich entschlossen im Stahlwerk Becker ein Zelt aufzustellen für die große Abi-Fete des Doppeljahrgangs. Das ist offenbar ein Standort, der angenommen wird. Und dort eine Halle zu bauen mit variablen Räumen und noch einer Mediothek, denn eine Stadt hat nicht nur Verantwortung für die Schulbildung, sondern auch für die Volksbildung, das wäre die Lösung, die bislang mit der CDU nicht zumachen ist.

Christian Heidrich führte das Gespräch

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